Zustimmung sprach aus den Mienen und Blicken der Versammelten.
Harder fuhr fort.
»Meine Herren, das Schicksal schenkt uns noch einmal eine Frist. Aber wir wissen nicht, wie lang sie sein wird… was morgen oder übermorgen schon geschehen kann. Wir müssen unsere Arbeiten so forcieren, besonders die magnetischen Felder so verstärken, daß wir die von der Theorie verlangte Größe schnellstens erreichen…«
Er sah, wie der eine oder andere aus der Versammlung den Kopf schüttelte.
»…dieser Gang der Versuche mag manchem von Ihnen gewagt erscheinen. Aber es muß gewagt werden. In spätestens vier Wochen müssen wir unser Ziel erreichen, falls uns… nicht schon früher der Erfolg beschieden sein sollte…«
Erstaunte Blicke richteten sich auf den Sprecher. Was meinte er mit diesen rätselhaften Worten?
»Jawohl, meine Herren, falls uns der Erfolg nicht schon früher in den Schoß fällt. Ich hege ernstliche Zweifel, ob Montgomery die von der Theorie verlangte magnetische Feldstärke überhaupt erreicht hat. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß wir die Atomenergie schon durch eine ganz geringe Verstärkung unserer jetzigen Versuchsanordnungen freimachen können.
Darum nochmals, meine Herren, jetzt rücksichtslos und mit allen Mitteln an das Problem heran. Es handelt sich darum, daß wir es schnellstens lösen. In vier Wochen muß es gelöst sein…«
Der Generaldirektor Harder schloß. »Ich fahre auf einige Tage nach Biarritz, werde aber in vier Wochen wieder zurück sein. Während meiner Abwesenheit vertritt mich Herr Direktor Larsen für die Arbeiten auf Warnum. Wenden Sie sich in allen Zweifelsfällen an ihn.«
Ein kurzes Kopfnicken. Der Diener schloß die Tür hinter dem Generaldirektor.
Mette Harder war im Garten bei den Blumen beschäftigt. Langsam schritt sie durch das Rosenparterre, das sich wie ein einziger üppiger Flor um die Villa am Bismarckdamm legte. Hier und dort blieb sie stehen, trennte mit geschicktem Schnitt eine erblühte Rose vom Strauch und legte die Blume zu den anderen in ein Körbchen. In ihre Beschäftigung vertieft, hatte sie das Anschlagen der Hausglocke überhört. Jetzt ließ ein Stimmengewirr sie aufhorchen.
Der Gärtner sprach mit einem Fremden, der an der Pforte stand.
»Der Herr Generaldirektor sind nicht hier. Sie müssen später wiederkommen.«
»Ausgeschlossen, lieber Mann. Meine Sache hat Eile. Ich muß den Herrn Generaldirektor schnellstens sprechen. Wann wird er denn kommen?«
Die energische Weise des Besuchers schüchterte den Gärtner ein. Verlegen kraulte er sich hinter dem linken Ohr.
»Der Herr Generaldirektor werden… ich weiß nicht, wann er hier sein wird.«
»Ich muß ihn aber sprechen. Es ist sehr wichtig. Er hat mich hierherbestellt. Ich werde also hier warten.«
Mette Harder horchte auf und näherte sich dem Gartentor. Als der Fremde sie erblickte, trat er auf sie zu. Er war mit nachlässiger Eleganz gekleidet, die schlanke sehnige Gestalt, das gebräunte Gesicht verrieten den Sportsmann.
»Ich habe das Vergnügen, Fräulein Mette Harder begrüßen zu dürfen?… Mein Name ist Iversen… Malte von Iversen. Beachten Sie den Vornamen Malte, bitte! Gewesener Leutnant, gewesener Kaufmann, jetziger Hauptberuf Sportsmann.«
Mette starrte den Fremden halb unwillig, halb besorgt an. Was wollte der Mensch?
»Ich habe die Ehre, durch ein Dutzend Nadelöhre mit Ihnen, gnädigstes Fräulein Mette, verwandt zu sein. Onkel, Vetter, Neffe, wie man will. In ähnlichen Fällen schwer definierbar verwandtschaftlicher Beziehungen wähle ich den Titel nach dem vermutlichen Datum der betreffenden Taufscheine. Wenn ich Sie jetzt, Fräulein Mette, gegen alle Gesetze der Galanterie als Base begrüße, so nur deshalb, weil es mir zu schwer fällt, mich in die Onkelwürde einzufühlen.«
Mette reichte dem Besucher mit einem kühlen Lächeln die Hand. Die saloppe Art seines Wesens mißfiel ihr. Sie war nicht gewöhnt, daß ihr die Herren der Gesellschaft anders als mit der ausgesuchtesten Hochachtung begegneten.
»Ich begrüße Sie, Herr von Iversen. Sie wollen meinen Vater sprechen. Der Diener wird Sie nach oben führen. Mein Vater muß gleich zurückkommen.«
»Bitte tausendmal um Verzeihung, meine gnädigste Base, wenn ich es vorziehe, hier in der Gesellschaft der schönsten Rosen den Herrn Onkel zu erwarten.«
Er machte eine überkorrekte Verbeugung vor Mette, um über den Sinn seiner Worte keinen Zweifel aufkommen zu lassen.
»Stubenluft ist nur im Notfall für mich akzeptabel.«
Unbekümmert, ob es Mette genehm oder nicht, ging er an ihrer Seite durch die Anlagen. Und je länger er neben ihr ging, desto mehr schwand bei ihr das Gefühl des Mißbehagens. Die unbekümmerte Selbstverständlichkeit, mit der er unaufhörlich Fragen stellte und Mette zwang, an der Unterhaltung teilzunehmen, sein Hebenswürdiges Plaudertalent, ließen ihre Zurückhaltung mehr und mehr schwinden. Sie überhörte völlig das Herankommen des Wagens, der ihren Vater zurückbrachte.
Als Harder, vom Diener gewiesen, sie im Garten aufsuchte, erstaunte er, das helle Lachen Mettes durch die Büsche klingen zu hören. Seit jenen Tagen von Warnum glaubte er Mette niemals so lachen gehört zu haben. Als er näherkommend den Besucher erkannte, wich der frohe Ausdruck seiner Mienen. Es war ihm offensichtlich nicht angenehm, Mette in Gesellschaft Iversens zu sehen.
»Ah, mein teuerster Onkel! Ich begrüße Sie, Herr Generaldirektor! Es war mir ein ausgezeichnetes Vergnügen, in Gesellschaft von Base Mette die Schönheit Ihres Gartens bewundern zu dürfen.«
Harder reichte Iversen die Hand.
»So nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich Sie warten ließ?«
»Im Gegenteil. Ich muß es fast bedauern…«
»…daß ich nicht länger auf mich warten ließ, Herr von Iversen?«
»So ungefähr«, lachte Iversen. »Ich vergaß Zeit und Raum, sogar des Auftrages…«
Ein deutlicher Augenwink Harders ließ ihn verstummen.
»Verzeih, Mette! Eine dringende geschäftliche Angelegenheit zwingt mich, Herrn von Iversen deiner Gesellschaft zu entziehen. Vielleicht, daß später…«
»Auf Wiedersehen, Herr Vetter Malte. Es war mir ein Vergnügen, die verwandtschaftlichen Beziehungen mit Ihnen aufzunehmen.«
Während die Herren sich in das Haus begaben, ordnete Mette die Rosen, die sie gesammelt hatte, zu einem Strauß. Ging dann auch ins Haus zur Bibliothek, sie in eine Vase zu stellen.
Da hörte sie die Tür zum Nebenzimmer aufgehen und den Vater mit dem Besucher eintreten.
Sie wollte die Bibliothek wieder verlassen, als sie plötzlich wie angewurzelt stehen blieb.
Der Name!… den ihr Vater soeben gerufen… nein, geschrien hatte. Eisenecker! Der Klang ließ sie erbeben. Es zuckte in ihren Mienen. Wie von einem inneren Zwange getrieben, näherte sie sich der Portiere, die das Nebenzimmer von der Bibliothek trennte.
Ihr Vater schritt erregt auf und ab. Immer wieder murmelten seine Lippen den Namen.
»So hat meine Vermutung nicht getrogen! Eisenecker ist es, er hat den Barren verkauft… kein anderer konnte es sein.«
»Und es war für mich sehr angenehm, daß Sie mir diese Spur gaben, Herr Harder. Sonst wäre es mir schwer gefallen, oder es hätte jedenfalls länger gedauert, den Herrn als den Verkäufer des Goldbarrens festzustellen.«
»Warum, Herr von Iversen?«
»Der Mann, der den Goldklumpen verkaufte, war äußerlich ein ganz anderer als der, dessen Fotografie Sie mir