»Oh, sehr einfach, Herr Harder. Der Eisenecker vor vier Jahren hat nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem von heute oder vielmehr mit dem von gestern.«
»Was soll das heißen?«
»Nun, Eisenecker hat die letzten Jahre unter dürftigsten Verhältnissen gelebt und dabei Tag und Nacht gearbeitet. Sie selbst würden ihn nicht wiedererkannt haben.«
»So, so. Haben Sie sonst noch irgend etwas von Bedeutung ermittelt?«
»Jawohl, Herr Generaldirektor. Es dürfte Sie zweifellos interessieren, daß Herr Eisenecker im Begriff steht, Europa zu verlassen. Er hat auf dem übermorgen abgehenden Flugschiff nach Amerika einen Platz belegt. Ich bin deshalb sofort hierhergekommen. Wollen Sie ihn weiter im Auge behalten, so muß sofort telegrafisch ein zweiter Platz auf dem Schiff belegt werden.«
»Selbstverständlich, Herr von Iversen. Natürlich müssen Sie ihn dauernd überwachen. Wir dürfen den Mann nicht aus den Augen lassen. Das Interesse der Riggers-Werke erfordert es.«
Malte von Iversen tat nachdenklich ein paar Züge aus seiner Zigarre. Erstaunt betrachtete er den Generaldirektor. Die Erregung, die aus dessen ganzem Wesen sprach, war ihm nicht verständlich.
»Ihr ganzer Auftrag ginge also dahin, Herr Harder, daß ich Eisenecker auf den Fersen bleibe, wohin er sich auch wendet, und Ihnen von seinem Tun und Treiben Bericht gebe.«
»Jawohl, Herr von Iversen.«
»Hm…«
»Sie meinen, Herr von Iversen?«
»Hm… ich meine, daß ich dazu keine Lust habe.«
»Keine Lust?… Jede von Ihnen unterzeichnete Kostenrechnung wird an unserer Kasse honoriert.«
Iversen machte eine abwehrende Handbewegung. In seiner Stimme lag eine leichte Schärfe, als er dem Generaldirektor antwortete.
»Geld? Herr Harder! Ich weiß nicht… ich glaubte, Sie würden mich besser kennen. Glauben Sie wirklich, ich hätte Lust, zur Abwechslung Privatdetektiv gegen Honorarzahlung zu werden?
Ich habe die Nachforschungen nach der Herkunft des Goldbarrens und nach Eisenecker angestellt, weil ich sah, daß Sie an der Sache großes Interesse hatten… kurz gesagt, um Ihnen einen Gefallen zu tun. Die Sache ist erledigt. Sollten Sie jedoch die Absicht haben, diesen Herrn Eisenecker weiterhin auf Schritt und Tritt verfolgen zu lassen, so wäre es doch gegeben, Sie nähmen einen Berufenen dazu, einen Privatdetektiv. Eventuell die Polizei, wenn etwa Herr Eisenecker sich gegen das Strafgesetzbuch vergangen hat.
Mein Interesse an der Angelegenheit… verzeihen Sie, Herr Generaldirketor… ist nicht groß genug, um mich der Unbequemlichkeit einer solchen Aufgabe zu unterziehen.«
Der Generaldirektor war aufgesprungen und ging auf und ab.
Iversen betrachtete ihn verstohlen.
Hm! Es fällt ihm anscheinend schwer, seine Karten aufzudecken… scheint da ein kleiner Haken dahinterzustecken… bei dem interessanten Fall… na, geben wir ihm eine kleine Aufmunterung!
»Wirklich, Herr Generaldirektor! Es tut mir leid, daß ich Ihnen meine Hilfe abschlagen muß. Es hat zu wenig Interesse. Hätte Eisenecker etwa einen Harderschen Familienschmuck geraubt… dann vielleicht…«
»Interesse!« Der Generaldirektor blieb mit einem Ruck vor Iversen stehen.
»Der Fall kein Interesse, Herr von Iversen, der Fall Eisenecker interessiert Sie nicht? Ich wüßte bei Gott keinen interessanteren. Wenn Sie wüßten, welche unendliche Wichtigkeit der Fall Eisenecker für mich… für die Riggers-Werke hat, so würden Sie…«
»Ich zweifle nicht, möchte aber doch nochmals anheimstellen, einen Privatdetektiv mit der Aufgabe zu betrauen.«
Harder wandte sich ab. »Gewiß, Herr von Iversen! Sie mögen von Ihrem Standpunkt gesehen recht haben. Aber ich habe ein Interesse daran, daß gerade Sie die Aufgabe übernehmen.«
Er blieb vor Iversen stehen und sah ihn an. Der zuckte abweisend die Achseln.
»Gut, Herr von Iversen, ich sehe, es muß sein. Es ist vielleicht das beste, wenn ich Ihnen volle Aufklärung gebe. Wenn Sie alles wissen… Hören Sie also! Der bewußte Barren ist chemisch reines Gold.«
»Was wollen Sie damit sagen, Herr Harder?«
»Ich will damit sagen, daß dieses an sich vollwertige Gold nicht in der Natur gefunden wurde, sondern ein Laboratoriumsprodukt des Herrn Eisenecker ist.«
»Donnerwetter!« Iversen war aufgesprungen und sah den Generaldirektor mit offenem Munde an. Es war ihm unmöglich, seine gewöhnliche Selbstbeherrschung zu bewahren.
»Alle Wetter! Eisenecker ist also in der Lage, Gold zu machen? Gold, soviel er will?…«
Harder nickte.
»Alle Wetter… alle Wetter!« Iversen schlug sich mit der Rechten auf den Schenkel. »Der Fall fangt an, mich zu interessieren. Der jahrhundertealte Traum der Alchimisten wäre also in Erfüllung gegangen?«
»Gewiß, Herr von Iversen. Allerdings auf einem Wege, an den keiner von denen auch nur im entferntesten gedacht hat. Aber das ist nebensächlich…«
»Was? Nebensächlich? Das soll nebensächlich sein, Herr Harder? Eisenecker wäre also theoretisch der reichste Mann der Welt? Unausdenkbar die Folgen, wenn Eisenecker…«
»Eisenecker denkt nicht daran, sich zum reichsten Mann der Welt zu machen und sich etwa ein massivgoldenes Haus zu bauen.«
»Ja aber, Herr Generaldirektor…«, stotterte Iversen.
»Gewiß, Eisenecker wird sich für seine persönlichen Bedürfnisse den nötigen Vorrat Gold herstellen. Aber nur, um geldlich unabhängig zu sein. Sein Ziel ist ein ganz anderes.«
Harder machte eine Pause. Unruhig schritt er im Zimmer hin und her. Dann plötzlich mit einem Ruck blieb er vor Iversen stehen.
»Das Problem der Atomenergie ist Ihnen, Herr von Iversen, wohl als das aktuellste Problem der Gegenwart genügend bekannt.«
Iversen nickte.
»Hören Sie weiter. Montgomery hatte es gelöst. Darüber ist kein Zweifel möglich. Wir arbeiten in Warnum seit Jahren daran – alles, was ich Ihnen sage, alles unter strengster Diskretion! – und sind nicht mehr allzuweit vom Ziel entfernt. Noch an manchen anderen Stellen in der Welt wird daran gearbeitet, doch dürften alle Versuche noch in den Kinderschuhen stecken.«
»Aber…« Harder stockte, als würge er an den Worten. »Doch gibt es einen zweiten Menschen, außer Montgomery, der das Problem gelöst hat… und das ist Eisenecker.«
»Ah!…« Iversen war in den Sessel zurückgesunken. »Dieser, beinahe hätte ich gesagt, Hungerleider im Besitze von Erfindungen, die ihn zum Herrn… zum Beherrscher der Welt machten? Unmöglich!«
»Es ist so! Ich will mich nicht auf lange wissenschaftliche Erklärungen einlassen. Ich gebe Ihnen die Versicherung, daß es so ist.
Doch weiter! Friedrich Eisenecker war jahrelang Mitarbeiter der Riggers-Werke. Vor vier Jahren schied er aus persönlichen Gründen aus. Seitdem hatte ich ihn aus den Augen verloren. Hätte vielleicht nie wieder an ihn gedacht, wenn sich nicht folgendes ereignet hätte.
Wir brauchen für unser hiesiges chemisches Laboratorium dauernd Gold, da es bestimmte Arbeiten auf dem Gebiete der organischen Goldsalzverbindungen durchführt. Vor zehn Tagen wurde dieser Barren hier wie stets von der Diskontobank bezogen und dem Laboratorium übergeben. Die erste Untersuchung ergab, daß der Barren aus chemisch reinem Golde bestand. Schon das machte unsere Chemiker stutzig. Meistens pflegt das Barrengold mit einem geringen Prozentsatz Kupfer oder Silber legiert zu sein.
Noch größer aber wurde das Staunen, als das Atomgewicht dieses Goldes von demjenigen des üblichen Handelsgoldes eine sehr merkliche Abweichung zeigte. Ich brauche