Burschen, die unter Gottes Sonne herumlaufen. Denn … was ich vermute, will ich gar nicht sagen. Sie scheinen ja zu wissen. Wird es aber Wahrheit, dann hat der Kaiser Augustus, dieser schwarze Augustus, einen Erfolg, der ihm eine Handvoll starker Trümpfe gibt.
Aber zur Sache! Woher kommt Ihnen dieses Wissen? Oder vielmehr, was wissen Sie denn eigentlich? Wozu wollen wir unter uns Hamburgern noch weiter Versteck spielen?« Statt Antwort zu geben, benetzte Uhlenkort seinen Zeigefinger in dem Untersatz seines Glases und malte auf die Eichenplatte des Tisches die chemische Formel CaCund wischte sie sofort wieder weg, sobald Tredrup einen Blick darauf geworfen hatte.
»Karbid! Damn me! God bless your nose! Ihr Riecher ist nicht schlecht!«
»Ich sagte Ihnen bereits, daß Sie zum Diplomaten keine besonderen Talente haben. Wände haben Ohren! … Überall in der Welt. Sie schreien ein Wort in die Landschaft, Herr Tredrup, das heute vielleicht noch bedeutungslos, morgen, aus Ihrem Mund gesprochen, Verletzung eines Staatsgeheimnisses ist.«
Tredrup schlug sich mit der Hand auf den Mund.
»Die vielen Biere! Sonst hält Klaus Tredrup besser dicht. Sie werden die Bedeutung vielleicht noch höher einschätzen als ich. Sie haben Recht, die Sache ist nicht ganz ungefährlich. Aber heut Abend wollen wir nicht mehr davon sprechen. Nein! Lieber irgendwo anders, in Gottes freier Natur, wo keine Wände und keine Ohren zu fürchten sind. Auf alle Fälle werde ich Ihnen vor meiner Abreise noch Nachricht geben.
Eine Aussprache über diese Frage ist unbedingt notwendig. Auch darüber, wie man den Schwarzen diesen Trumpf aus der Hand nehmen könnte.«
»Wie? Wie meinen Sie das!« rief Uhlenkort erregt. Tredrup warf einen Blick in die Runde und drückte den Finger auf den Mund.
»Nun, Herr Obermoser«, wandte er sich an den eintretenden Wirt, »wollen Sie frischen Anstich melden?«
»Nein, Herr Tredrup«, sagte der Wirt, »es ist jemand draußen, der Sie sprechen möchte.« Bei diesen Worten machte er ein kaum merkliches Zeichen … Polizei.
Tredrup stutzte einen Augenblick, dann ging er mit dem Wirt zur Tür.
Durch die geöffnete Tür trat jener schwarze Gentleman, der mit Guy Rouse und dann später mit Juanita gesprochen hatte. Er murmelte ein paar undeutliche Worte und fragte dann: »Sind Sie Herr Klaus Tredrup?«
»Klaus Tredrup! Sie wünschen?«
»Ich bin beauftragt, Ihnen dieses zu überreichen.« Mit einer leichten Verneigung verließ der Beamte den Raum. Verwundert betrachtete Tredrup den zusammengefalteten Zettel. Ein Zirkusprogramm? Er trat unter die Lampe, entfaltete das Papier und begann zu lesen, was auf der Rückseite geschrieben stand. Es war eine kurze Notiz, in spanischer Sprache geschrieben.
Tredrup wendete das Blatt hin und her. Es zitterte in seiner Hand. Er besah es von allen Seiten, und seine Augen kehrten zu den wenigen Zeilen zurück. Wieder glitten seine Blicke über den Text. Dann ließ er das Blatt sinken und stand starr, wie geistesabwesend. Bilder schienen an ihm vorüber zuziehen. Der Kanal … der Kanal von Panama … das kleine Montegna … Juanita … und da war Guy Rouse … Guy Rouse …
Seine Rechte ballte sich zur Faust. Ein tiefes Atemholen, dann gab er sich einen Ruck. Mit langsamen Schritten kehrte er an seinen Platz zurück.
Uhlenkort hatte mit Staunen und Teilnahme die kurze Szene beobachtet.
»Bekamen Sie eine unangenehme Nachricht, Herr Tredrup?«
Tredrup schob ihm das Blatt zu. Die wenigen auf der Rückseite des Programms gekritzelten Worte lauteten: »Hüte dich! Denke an Montegna!« Ein einfaches J war die Unterschrift.
»Ihnen droht eine Gefahr, Herr Tredrup. Kann ich Ihnen nützlich sein?
Soweit es in meinen Kräften steht, stelle ich mich Ihnen zur Verfügung.«
Tredrup richtete sich auf, wie aus einem schweren Traum erwachend.
»Eine kurze Geschichte … wie sie in der Welt tausendmal passiert. Ich war bei den Arbeiten am Panamakanal tätig. Ich war wie hier Ingenieur … Mineningenieur bei den großen Bohrungen.«
Uhlenkort merkte auf und sah ihn mit gesteigertem Interesse an.
»Sie waren auch bei den großen Bohrungen am Panamakanal mit tätig?«
Tredrup nickte.
»Zwei Jahre war ich da unten und wäre heute noch da, wenn nicht eben diese kleine Geschichte seinerzeit passiert wäre.«
Er schob seinen Krug beiseite und rückte näher an den Tisch heran.
»Ja, da war ich … und da war ein alter Mann, ein Mexikaner … ein Bohrmeister aus meiner Abteilung, und da war dessen Tochter …
Juanita. Auch außerhalb der Arbeitsstunden kam ich häufig mit dem alten Alameda zusammen. Kam auch in sein Häuschen, das ein paar Kilometer von der Kanalstrecke landeinwärts lag und das er mit seiner Tochter Juanita zusammen bewohnte.
Juanita war damals achtzehn Jahre … Was soll ich Ihnen weiter sagen … Schön und rein wie der junge Morgen. Wir liebten uns! … Ja, wir liebten uns …«
Ein kurzes ironisches Lachen verzerrte seinen Mund.
»Liebten uns, bis er kam … er … dieser Rouse. Der große Rouse! … Sie kennen ihn …«
»Mr. Guy Rouse!« Walter Uhlenkort beugte sich weit vornüber …
»Rouse, der Präsident der neuen Kanalgesellschaft?«
»Derselbe … Seine Leidenschaft beschränkt sich nicht auf seine Milliarden allein. Sie kennen ihn? … Seine faszinierende Person! Seine Gabe, sich jedes Wesen gefügig zu machen, das er irgendwie zu gebrauchen gedenkt, versagte auch hier nicht. Wie er es fertig brachte … ? Er brachte es fertig … eines Tages war Juanita verschwunden, ohne ein Lebenszeichen zu hinterlassen. Alle, die sie kannten, waren ratlos. Ihr Vater, der alte Pedro Alameda, war verzweifelt. Man dachte an einen Unglücksfall. Es bot sich damals in den Sprengfeldern des Kanalgebietes mehr als eine Gelegenheit dazu.
Ich allein ahnte sofort, was geschehen war! Die Nachforschungen, die ich im geheimen anstellte, bestätigten es. Sie war ein Opfer von Guy Rouse geworden. Ich versuchte, zu ihm vorzudringen. Es gelang nicht.
Ich stellte ihn auf der Straße, als er in seinen Kraftwagen steigen wollte.
Ich sagte ihm die Wahrheit ins Gesicht. Er leugnete … lächelnd.
Dies Lächeln brachte mich zur Raserei. Ich schlug zu, mitten in das Lächeln hinein. Er taumelte. Ich floh! … Nicht aus Furcht … Juanita wollte ich suchen … Ich fand sie bald, er hatte sie nicht versteckt, wie ich glaubte … nein! Ich fand sie an seiner Seite als große Weltdame.
Seine Geldmacht genügte auch hier, um alle Mäuler verstummen zu lassen. Ich sah sie als seine Begleiterin bei Festen, umschwärmt von einer Schar von Verehrern aus den besten Kreisen … lachend und froh …
Ich gab sie auf … Weg von allem, was an Juanita erinnern konnte … Am Tschadsee konnte man Leute wie mich gebrauchen, und mir kam es gelegen. Ich war der Welt reichlich müde. Die Enttäuschung war zu niederschmetternd gewesen.
Seit drei Jahren sitze ich nun an dem verteufelten Schacht, komme selten mal weg von da, nach Timbuktu meistenteils … glaubte vergessen zu haben, glaubte auch mich vergessen … und jetzt. Da!«
Er schlug auf das Blatt.
Uhlenkort antwortete: »Wenn ich richtig vermute, sind Juanita und Guy Rouse hier in Timbuktu. Sie haben Sie gesehen. Die Warnung kommt von Juanita. Was werden Sie tun?«
»Ich werde … Ich weiß noch nicht! … Erst klaren Kopf … den werde ich morgen früh haben … Gehen wir jetzt?«
»Ich