Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dominik Hans
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075831552
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ist nichts weiter als Spiegelfechterei, wenn sich die New Canal Company hinter ein paar wenige von der allgemeinen Meinung abweichende Gutachten verschanzt. Gutachten zugestutzter Art, bei denen der Dollar wahrscheinlich Pate gestanden hat.

      Die kapitalistischen Mächte, die hinter der New Canal Company stehen, wissen – ich scheue mich nicht, das offen auszusprechen –, wissen sehr genau, was sie wollen. Und sie wollen« – seine Faust krachte auf das Rednerpult nieder –, »sie wollen und wünschen nichts sehnlicher, als daß das eintritt, was – wie der Vorredner ausführte – zu befürchten steht: die Vereisung und die Verelendung großer Teile Europas. Gibt es doch keinen besseren Weg, die europäischen Konkurrenten auf dem Weltmarkt endgültig zu vernichten.

      Mit anderen Worten gesagt: Dort die kapitalistischen Interessen einiger amerikanischer Großmilliardäre, hier Leben und Sterben von Millionen von Europäern.

      Gewiss mag eine etappenweise Sprengung des neuen Kanals der Company die Baukosten um ein paar Prozent steigern. Aber was hat das zu bedeuten gegenüber dem Untergang ganzer europäischer Nationen!

      Ich appelliere nicht an das so genannte Weltgewissen.«

      Er machte eine wegwerfende Bewegung. »Dies Requisit, das stets versagte, wenn es galt, besonders große Gemeinheiten zu verhindern.

      Ich appelliere an den Menschlichkeitssinn und das Freiheitsbewußtsein des amerikanischen Volkes, das sich nicht von einer verbrecherischen Clique machtgieriger Kapitalisten terrorisieren lassen wird.

      In zehn Tagen tritt das amerikanische Parlament zusammen. Wie es sich entscheiden wird, das weiß ich nicht. Versagt aber bei ihm unser Appell, dann appelliere ich jetzt schon an den bewaffneten Arm Europas. Können wir das Unheil nicht hindern, so wollen wir’s rächen, solange uns der Atem bleibt. Können wir’s nicht hindern, so sollen sie dessen gedenken. Das ist meine Meinung. Ein Hundsfott, wer anders denkt!«

      Ohne der Beifallsstürme zu achten, die ihm von allen Seiten entgegen klangen, ging er auf seinen Platz zurück.

      Der Präsident sprach.

      »Meine Herren! Der Sprecher des Hauses hat das Wort.«

      Der Sprecher nahm das Wort.

      »Meine Herren, weitere Anträge sind nicht gestellt, weitere Redner stehen nicht mehr auf der Liste. Ich habe die Ehre, Ihnen, bevor zur Abstimmung über die Resolutionen geschritten wird, ein kurzes Resümee über die wissenschaftlichen Gutachten in der Frage zu geben.

      Vor ungefähr fünf Jahren, sobald der genaue Arbeitsplan der New Canal Company bekannt wurde, lief bei dem europäischen Parlament ein Schriftstück ein, das in ausführlicher wissenschaftlicher Weise die Pläne der Company und ihre möglichen Folgen begutachtete. Diese Arbeit stützte sich in der Hauptsache auf die Theorie der Kontinental-Verschiebungen.

      Sie wissen aus den Tageszeitungen, daß diese Theorie, die zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts von dem deutschen Gelehrten Wegener aufgestellt wurde, im Laufe der Jahrzehnte durch immer neue Beobachtungen gestützt wurde und heute die Grundlage der Geologie bildet.

      Mit mathematischen Deduktionen von zwingender Kraft und genialer Auswertung aller geologischen Erkenntnis wurde in diesem Gutachten der Beweis erbracht, daß die Pläne der Canal Company zur Katastrophe führen müßten.

      Leider wurde jenem Schriftstück nicht sofort die ihm gebührende Bedeutung beigelegt. Das wird von der Regierung offen zugegeben.

      Jedoch möchte ich zur Entschuldigung sagen, daß das Schriftstück anonym – nur J. H. unterzeichnet – bei uns einlief. Ich möchte hinzufügen, daß der Autor dieser Arbeit auch heute noch völlig unbekannt geblieben ist. Wir waren darauf angewiesen, die Arbeit durch unsere besten Autoritäten auf diesem Gebiet nachprüfen zu lassen.

      Begreiflicherweise nahm das geraume Zeit in Anspruch. Das Ergebnis bestand darin, daß die Richtigkeit jener anonymen Arbeit einmütig bestätigt worden ist. Der Dank, der von europäischer Seite, von Seiten der Menschheit dem unbekannten Autor J. H. gebührt, den können wir ihm nicht von Angesicht zu Angesicht abtragen.

      Doch sei er an dieser Stelle, aus dem Herzen von Millionen von Europäern kommend, ausgesprochen. Das Geheimnis, mit dem er sich umgeben zu müssen glaubt, wird von uns in vollem Maße geachtet.

      Die Schlußsätze seiner Arbeit sind von der überwiegenden Zahl aller Geologen anerkannt worden. Sie lauten wie folgt:

      1. Bei einer gleichzeitigen Explosion der benötigten Riesenmenge atomaren Sprengstoffs auf der engsten Stelle des Panama-Isthmus wird der Explosionsdruck zusammen mit dem bereits vorhandenen natürlichen Zerreißungsdruck die Festigkeit der Landenge um Prozent überschreiten. Der Isthmus wird auseinanderreißen, und der Golfstrom wird nach Westen gehen.

      2. Bei etappenweise Sprengung von weniger als fünfzehn Minen gleichzeitig wird der Landstreifen nicht über die Bruchgrenze beansprucht. Eine Zerreißung ist nicht mehr wahrscheinlich.

      Meine Herren, Sie sehen aus diesen Schlußfolgerungen, daß jede Sprengung ein gewissen Risiko für Europa bedeutet. Unsere heutige Resolution fordert nur das Minimum dessen, was wir zu unserer Sicherheit unbedingt benötigen. Ich möchte dem Hohen Haus noch sagen, daß die Volksstimmung in den Vereinigten Staaten durchaus für uns ist. Ich glaube und hoffe, daß die uns seit langem so befreundete amerikanische Regierung dem Rechnung tragen wird, unbeirrt durch dunkle Einflüsse irgendwelcher Art.«

      Eine Stunde später konnte der Sprecher verkünden:

      »Der Antrag Skandinavien-England ist einstimmig angenommen worden. Unsere Botschaft wird die Entschließungen unserer Regierung morgen früh in Washington überreichen.«

      Die Minenstadt am Tschadsee prangte in reichem Festschmuck. Seit vierundzwanzig Stunden arbeitete der Sonderdienst des afrikanischen Luftverkehrs. Seit den frühen Morgenstunden landeten die Flugzeuge in immer dichterer Folge. Von allen Seiten der Windrose her kamen sie an und wetteiferten mit den Bahnlinien, Tausende und aber Tausende von Gästen heranzubringen. Von Timbuktu her rollten die Züge in Abständen von fünf Minuten in den großen Zentralbahnhof ein. Die neue gewaltige Minenstadt, die hier an Stelle des alten Kuka in wenigen Jahren aus dem Boden gewachsen war und nach der amerikanischen Geburtsstadt des Kaisers Minneapolis, den Namen Mineapolis (Minenstadt) erhalten hatte, war diesem Massenandrang nicht gewachsen. Die große Anzahl der von der kaiserlichen Regierung Geladenen nahm die wenigen Hotels und Unterkunftsstätten im Voraus in Anspruch. Die meisten mußten im Freien bleiben, wo freilich eine gut arbeitende Organisation der Regierung für Erfrischungen aller Art sorgte.

      Von zehn Uhr Vormittag an begann sich der Riesenkreis um den Schacht mit Zuschauern zu säumen. Eine von Minute zu Minute wachsende Menge drängte gegen die hölzerne Barriere, an deren Innenseite zum weiteren Schutz des Schachtes ein starker Truppenkordon aufgezogen war. Kurz vor elf Uhr verkündete ein brausendes Rollen die Ankunft des kaiserlichen Hofzugs. Die reservierten Tribünen füllten sich mit dem glänzenden Gefolge des Kaisers.

      Punkt elf Uhr betrat Augustus Salvator die Kaiserloge. Mit kurzem militärischem Gruß wandte er sich nach den Diplomatenlogen. Dann ein paar kurze Worte mit dem Chefingenieur des Schachtes, Mr. Grimmaud.

      Ein Flugzeug, das bisher den Schacht in großen Kreisen umflogen hatte, fuhr jetzt mit einer scharfen Wendung darauf zu und überquerte ihn.

      Eben noch hatte die afrikanische Sonne mitleidslos auf die Köpfe der vielen Tausende niedergebrannt. Jetzt plötzlich bezog sich der Himmel um das Flugzeug herum. Dicker grauer Nebel lag über dem Schacht und verhüllte die Sonne.

      Der Kaiser trat an den vorderen Rand der Loge und drückte auf einen Knopf. Das schwache Echo eines Schusses klang. Im gleichen Moment schossen aus dem Schachtdunkel herauf die Strahlen eines Scheinwerfers und malten in leuchtenden Buchstaben die Worte »5.Meter« auf die Nebelwand über dem Schachtmund.

      Tobend und Beifall schreiend brandeten die Massen gegen die Barriere. Die Tiefenmessung durch das Echolot, jene Erfindung des alten deutschen Ingenieurs Behm, hatte in Bruchteilen einer Sekunde mit unanfechtbarer Sicherheit bewiesen, daß die Schachttiefe fünftausend Meter erreicht hatte.

      Augustus