Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dominik Hans
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075831552
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und schickte das Regierungsschiff. Das fuhr und kam nach Black Island. Und sie sahen es daliegen. Wie ein Turm über dem Kirchdach lag die alte Insel auf einer neuen, viel größeren, die hier aus den Fluten gestiegen war.

      In langsamer Fahrt, immer wieder lotend, umsteuerte das Schiff das neue Land. Tausend Quadratkilometer waren, wo vordem hundert Quadratkilometer aus der See ragten. Sie kamen nach Wibehafen zurück und berichteten, was sie gesehen hauen. Und dann begannen Radiosender und Telegraf zu spielen und meldeten der Welt, was geschehen war.

      Überraschend war das Bild, das sich den Augen Walter Uhlenkorts bot, als er in das Riesenrund des Zirkus trat. So überraschend, daß er stehen blieb, ohne den harrenden Logenschließer zu beachten.

      Wohl war es in der Sache das gleiche, was er schon in so manchem anderen großen Zirkus der Welt gesehen hatte. In den Logen die beste Gesellschaft, stark durchsetzt mit Offizieren in glänzender Uniform. Im ersten Rang das bessere Bürgerpublikum, in den weiteren Reihen nach oben hin abstufend Mittelstand und schließlich die Galerie zum Brechen überladen …

      Wären nur nicht die schwarzen Gesichter des Publikums gewesen.

      Eine vieltausendköpfige schwarze Menge, in der die wenigen Weißen fast völlig verschwanden. Gewiß … er konnte hier in Timbuktu, der Haupt- und Residenzstadt des schwarzen Kaisers Augustus Salvator von Zentralafrika, kaum ein anderes Publikum erwarten. Immerhin blieb ein Eindruck, der für sein Europäerauge ans Groteske grenzte. Diese Hypereleganz der nach neuestem amerikanischen Schnitt gekleideten Logenbesucher … die gold- und silberstrotzenden Uniformen der Offiziere … die kostbaren Abendtoiletten der ebenholzfarbenen Damen in den Logen … und dann mit zunehmender Sitzhöhe abnehmende Bekleidung, die schließlich an der Galerie beim Lendenschurz endete … das alles gab ein Bild, das gleichzeitig verblüffend und erheiternd auf ihn wirkte. Minuten verstrichen, bevor er sein Auge von dieser Szenerie lösen konnte.

      Die plötzlich einsetzende Lichtflut des Pressedienstes gab seinen Augen eine andere Richtung. An der Decke über der mächtigen Arena erschienen in feurigen Buchstaben die neuesten Nachrichten aus aller Welt. Automatisch las er die leuchtenden Texte.

      »Spitzbergen, den 18. März. Jubiläum des zwanzigjährigen Bestandes der Vereinigten Arktischen Kohlengruben. Seit der Eröffnung verzehnfachte Ausbeute. Förderung in der ersten Hälfte des März zum ersten Mal fünfundzwanzig Millionen Tonnen …«

      »London, den 18. März, 6 Uhr abends. Aus Anlaß der von Amerika beabsichtigten Großsprengung einer neuen Kanalroute in Panama ist es in mehreren schottischen Städten zu Demonstrationen gekommen …«

      »Tschadsee, den 18. März, abends 6 Uhr 20. Die Arbeiten am Kaiser-Augustus-Schacht sind in den letzten Tagen so gefördert worden, daß man am 20. März die bisher nie erreichte Tiefe von 6.Meter anfahren wird.«

      Nachdrängendes Publikum nötigte Walter Uhlenkort, seine Blicke wieder dem Boden zuzuwenden. Er schritt den Rundgang weiter entlang zu seiner Loge. Ein Schließer überreichte ihm Theaterglas und Programm. Zwischen zwei schwarzen Gentlemen hindurch, welche die beiden hinteren Plätze der Loge einnahmen, trat er zu dem freien Platz vorn rechts, grüßte mit leichtem Kopfnicken den weißen Nachbarn zur Linken und vertiefte sich mit Interesse in das Programm …

      »Grand Circus Webster Brothers

       Timbuktu, den 18. März Große Gala- und Eröffnungsvorstellung Auftreten sämtlicher Künstler und Spezialitäten Die berühmtesten Artisten der Welt! Erstklassiges Pferdematerial. Großartige Raubtierdressuren in nie gesehener Vollendung …«

      Uhlenkorts Blick zuckte über die einzelnen Nummern des Programms und blieb bei der vierten haften: »Miss Arabella Simson, die beste Schulreiterin der Welt, auf ihrem englischen Vollbluthengst Cohinor …«

      Er ließ das Blatt sinken und starrte sinnend in die leere Manege. Die rauschenden Klänge der eben einsetzenden Zirkusmusik rissen ihn aus seinem Nachdenken. Noch einmal wanderten seine Augen über das exotische Publikum des Zuschauerraums. Dann betrachtete er seinen Nachbarn zur Linken. Ein hageres, bartloses Gesicht, tief gebräunt von der afrikanischen Sonne.

      Walter Uhlenkort schaute auf seine Uhr und warf einen Blick auf die leere Hofloge.

      »Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige … aber hierzulande sind sie noch nicht soweit«, klang es leise in englischer Sprache aus dem Mund seines Nachbarn. »Es scheint so«, gab Uhlenkort mit leisem Lächeln zurück.

      »Wird aber wohl nicht mehr lange dauern, taxiere ich, die Diplomatenlogen beginnen sich zu füllen. Da drüben links … der Botschafter des Europäischen Staatenbundes … da tritt er eben ein …

      Seine Exzellenz Dührsen, wenn Sie’s interessiert … oder kommen Sie nicht aus dem alten Europa?«

      »Richtig geraten …«

      Jäh brach die Musik ab, und ebenso jäh verstummte das lebhafte, schwatzende Publikum. Alle Blicke richteten sich auf die Hofloge, in die soeben der Oberhofmarschall getreten war.

      Dreimaliges Aufstoßen seines Stabes. Aufpeitschende Rhythmen der afrikanischen Nationalhymne …

      Mit einem Ruck erhob sich das Publikum und stimmten die Melodie ein.

      Die Türen im Hintergrund der Hofloge flogen auf. Inmitten eines glänzenden militärischen Gefolges trat der Kaiser in die Loge. Schritt nach vorn, blieb an der Brüstung stehen und dankte mit leichtem Kopfneigen für die Ovationen des Publikums. Erst als die Nationalhymne verklungen war, ließ er sich nieder, und das Publikum folgte seinem Beispiel.

      »Sankt Pauli is gor nix dagegen«, brummelte Uhlenkorts Nachbar beim Niedersetzen vor sich hin. Diese Worte, die in unverfälschtem Hamburger Dialekt sein Ohr trafen, ließen Uhlenkort den Kopf wenden.

      »Auch von Hamburg?«

      »… auch?«

      Der drehte sich nun voll um und sah Uhlenkort prüfend an. »… auch Hamburg … freut mich riesig. Waterkant hatte ich ungefähr taxiert.

      Trifft man sich nicht am Jungfernstieg, dann sieht man sich in Timbuktu.«

      Mit freudig blitzenden Augen reichte er Uhlenkort die Rechte, und vergnügt lachend schlug der ein.

      »Das nenne ich Glück. Kommt Klaus Tredrup mit drei Tagen Urlaub von dem Höllenschacht am Tschadsee und trifft gleich am ersten Tag einen Landsmann.«

      »Meine Freude ist nicht minder groß, einen Hamburger zu treffen, der hier Bescheid zu wissen scheint.«

      »So etwas, Herr Nachbar …«

      »Uhlenkort.«

      »Uhlenkort? Jacob Jeremias Uhlenkort & Söhne? Ah … !«

      Lebhafter Beifall unterbrach ihr Gespräch. Sie sahen noch eben eine blonde Panneaureiterin in den Sand springen und mit lächelndem Gesicht und Kußhänden für den Beifall danken.

      »Schweinerei, verdammte! Man möchte am liebsten dem ganzen Dreck den Rücken kehren. Müssen die armen Luder hier ihr weißes Fleisch zur Schau stellen … und dann noch mit Kußhänden dafür danken, daß sie Gefallen gefunden haben in den Augen der …«

      »Pst! Nicht so laut, Landsmann«, unterbrach ihn Uhlenkort.

      Unwillkürlich zuckte Klaus Tredrup zusammen. »Verdammt! Sie haben Recht! Die deutsche Sprache ist hier nicht so unbekannt, wie mancher denkt – und Spione gibt es mehr als genug.«

      Ein paar Clowns kugelten in die Arena und entfesselten ein Freudengewieher der schwarzen Zuschauer.

      »Noch ein Wort, Herr Uhlenkort. Bleiben Sie noch etwas in Timbuktu?«

      Uhlenkort nickte.

      »Heute Abend frei?«

      Abermals ein zustimmendes Nicken.

      »Ausgezeichnet! Verschieben wir unser Palaver bis nach Schluß der Vorstellung.«

      »Meinetwegen schon nach der ersten Pause.«

      »Recht