Auf die Kraftquellen folgten die Industriezentren. In sinnlosester Weise wurden hier die Arbeitsmöglichkeiten und Erwerbsquellen für Millionen auf Jahre hinaus … für immer … für Europa zerstört.
Europa stand über Nacht da wie ein Fabrikbesitzer, dem eine wichtige Anlage unversichert bis auf die Fundamente niederbrennt.
Wo die Weißen in fliegender Hast in Südafrika einen bewaffneten Widerstand organisierten, wurden sie von den übermächtigen, wohlausgerüsteten schwarzen Massen überwältigt und niedergemacht. Einzelheiten von bestialischer Scheußlichkeit fehlten auch hier nicht.
Die Nachrichten aus Europa gaben wenig Trost. Anscheinend stand man dort den Ereignissen ratlos gegenüber.
Wo immer auf der Welt der Weiße seine Herrschaft aufgerichtet, schien sie zu wanken. Für das in dieser Frage besonders interessierte Amerika wären diese Nachrichten mehr als hinreichend übel gewesen. Der Abend des gleichen Tages brachte eine Kunde, deren Auswirkungen hier in den Staaten noch schlimmer werden sollten.
Die Regierung in Washington versagte der Wahl von Josua Borden zum Gouverneur des Staates Louisiana die Bestätigung. Als Grund gab sie an, daß die sicher nachgewiesenen Ungesetzlichkeiten beim Wahlvorgange kein klares Bild über die wirkliche Volksmeinung ergaben.
Wenn auch die Regierung es klugerweise vermieden hatte, sich auf jene so viel angefeindete Bill zu stützen, so war es doch der weißen Bevölkerung sofort klar, daß die Gegenpartei den Regierungsbescheid trotzdem auf die Bill hindrehen würde. Wie befürchtet, geschah es. Kaum war der Bescheid bekannt, als im ganzen Gebiete der Union eine maßlose Agitation gegen die Regierung und gegen die Weißen ausbrach. In den Teilen der Union, in denen die farbige Bevölkerung sehr stark war, kam es schnell zu Gewalttätigkeiten.
Noch in der Nacht vom 7. auf den 8. Juli wurden in New Orleans alle Regierungsgebäude von farbigen Kräften besetzt. Im Morgengrauen befand sich die Stadt in den Händen einer schnell errichteten provisorischen Regierung. Die letzten Flugschiffe, die New Orleans mit weißen Flüchtlingen in der Richtung nach Norden oder Nordosten verließen, überflogen die Zonen schwerer Kämpfe zwischen Weißen und Farbigen.
*
Aus Asien her drang am Morgen des 8. Juli eine neue Schreckenskunde durch die weiße Welt. Chinesische Truppen hatten an verschiedenen Stellen die Grenze überschritten. Das Ende Europas schien gekommen. Durch die schwarzen Aufstände in der ganzen Welt jeder anderen Hilfe beraubt, stand es allein dem gelben Riesenreiche gegenüber und mußte unterliegen.
Schon in der Nacht zum 8. Juli waren gelbe Luftgeschwader weit vorgestoßen. Ihre Bomben hatten wichtige Anlagen des Siedlergebietes bis zum Ural hin zerstört. Bis in die Industrieanlagen des Ural waren sie vorgebrochen und hatten schwere Vernichtungen hinter sich zurückgelassen.
Die Luftstreitkräfte der Weißen schienen zu schwach und zu machtlos zu sein, denn man hörte wenig oder gar nichts von Luftkämpfen. Man wußte wohl, daß das große russische Luftgeschwader die südsibirische Grenze verteidigte. Aber man hörte kein Wort von Angriffen nach jenem Ziele. Der gelbe Stoß ging glatt nach Westen. In der Luft schienen die Gelben in diesem Kampfe unwidersprochen die Oberhand zu haben. Mit Zagen erwartete man die ersten Nachrichten vom Zusammentreffen der Landstreitkräfte.
Am Abend des 7. Juli saßen der General Bülow und Georg Isenbrandt in dessen Quartier in Wierny.
Der General gab Bericht.
»Der Übergang von Kaschgar ist für große Truppenmassen unpassierbar. Die Reste des Telekdammes sind zur Verteidigung ausgebaut, so gut es in der kurzen Zeit möglich war. Die Berge zu beiden Seiten sind von unserer Artillerie besetzt. Ein Durchbruch durch das Ilital ist unmöglich. Wenn keine Umgehung gelingt, hält diese Stellung, bis die Verstärkungen heran sind.
Die dsungarische Pforte« – der General machte eine zweifelnde Bewegung –, »sie steht offen! Was auf unserer Seite dahinterliegt, ist auf dreihundert Kilometer geräumt. Die Russen haben weder Mann noch Schiff abgegeben.
Die Kompagnieluftkräfte sind, wie Sie anordneten, in Wierny konzentriert. Abwehrmaßnahmen sind an den technisch wichtigen Stellen schnell organisiert worden, aber ich überschätze ihre Bedeutung nicht. Das Land ist gegen Luftangriffe so gut wie wehrlos. Die dsungarische Pforte steht offen. Dort ist der Weg auf dreihundert Kilometer frei.«
Georg Isenbrandt nickte.
»Gut … sehr gut … Herr General. Sie sagten dreihundert Kilometer … warum nicht noch etwas weiter?«
»Weil dort die besten Aufnahmestellungen waren!«
Georg Isenbrandt sann einen Augenblick.
»Gut! Es wird auch so gehen. Das Orenburger Schiff ist gekommen?«
Der General nickte.
»Die Übernahme seiner Ladung wird in einer Stunde beendet sein … Herr General! Diese Luftflotte hält sich alarmbereit. Ich vermute, daß in drei Stunden die Zeit, ihren Auftrag auszuführen, für sie gekommen sein wird.«
»Ich staune über die Genauigkeit Ihrer Nachrichten, Herr Isenbrandt!«
Um Isenbrandts Lippen spielte ein dünnes Lächeln.
»Gold wirkt auf beiden Seiten gut. Gegen Gift hilft nur Gegengift. Das ist eins alte Regel.«
Er brach seine Rede jäh ab und wandte sich der Wand zu, wo plötzlich der automatische Funkenschreiber zu arbeiten begann. Seine Augen überflogen die Zeichen auf dem herausquellenden Papierstreifen.
»Hallo! Die Gelben fliegen ab … schon? … Unsere Dispositionen ändern sich. Die Geschwader, die ihre Ladung genommen, fliegen sofort nach ihren Zielen!«
Der General eilte in das Nebenzimmer. Durch seine Adjutanten ließ er die telephonischen Befehle hinausgeben. Dann kam er zurück.
Georg Isenbrandt hatte inzwischen die Depesche zu Ende entziffert.
»In der Morgendämmerung werden die chinesischen Landstreitkräfte die Grenze überschreiten. An der sibirischen Grenze nur mit schwachen Kräften. Der Hauptstoß dort erfolgt später.«
General Bülow warf einen Blick auf die Karte.
»Man möchte verzweifeln, wenn man daran denkt, daß die russischen Luftstreitkräfte dort im Norden unbeschäftigt stehen und hier bitter fehlen. Wieviel Siedlerblut und -gut wird uns diese russische Hartnäckigkeit kosten?
Georg Isenbrandt hatte sich erhoben.
»Herr General, ich gehe jetzt zu den Standplätzen unserer Flugschiffe. Sobald das letzte Geschwader von hier fort ist, fliege ich nach Norden zum Saisan-Nor. Wir treffen uns später in Semipalatinsk in Ihrem Hauptquartier.«
*
Am Abend des 7. Juli war Toghon-Khan in Khami angekommen. Hier liefen die Nachrichten von allen Stellen seiner Front ein.
Georg Isenbrandt hatte seinen Plänen durch die Errichtung des Dammes von Telek ein schweres Hindernis entgegengesetzt. Wohl war es seinerzeit gelungen, den Damm durch die Hochwasserkatastrophe und die verräterische Sprengung zum größeren Teil zu zerstören. Aber auch die gewaltigen Reste des Riesenbauwerkes boten den vorstoßenden chinesischen Streitkräften noch ein schwer überwindliches Hindernis. Wenn die Kompagniekräfte ihrerseits eine plötzliche Schmelze in den Ilibergen verursachten, wenn die plötzlich zu Tal gehenden Wassermassen sich auch nur vor den Dammruinen stauten, war das Tal für jede größere Truppenmenge kaum passierbar. Die Gebirge des oberen Ilitales waren daher schon seit Wochen unter einer derartigen Bewachung durch gelbe Luftstreitkräfte, daß an ein Schmelzen in größerem Stile nicht gedacht werden konnte.
Trotzdem