Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dominik Hans
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075831552
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stieß das Schiff vom Boden ab. Vom Stern des Fahrzeuges aus sah der Regent auf die verlassene Straße. Kein lebendiges Wesen auf ihr. Nur sein Pferd, das treue Tier, stand regungslos mit erhobenem Haupte, dem wegziehenden Schiffe nachschauend. Durch die dichten Scheiben hindurch vermochte das Ohr des Regenten nicht das laute, klagende Wiehern zu hören. Sein Auge las es aus den bebenden Lippen des Tieres. Sein Auge blieb darauf geheftet, bis es seinen Blicken entschwand … Die letzte Treue, die sich ihm zeigte.

      Mit schweren Schritten drehte er sich um und trat an den Bug des Kreuzers. Der hatte jetzt Höhe gewonnen und schoß in schneller Fahrt vorwärts. Das Auge des Regenten haftete am Außenthermometer. Mit düsterem Gesicht verfolgte er das langsame, aber unaufhörliche Fallen des Zeigers.

      40 Grad … 40 Grad unter Null! … So stand der Zeiger, als er ihn das erstemal betrachtete … Jetzt war er schon auf 46 gesunken. Kilometer auf Kilometer stieß das Schiff nach vorn … und mit jedem Kilometer fiel der Zeiger.

      Schon lag in nebliger Ferne der Kessel des Saisan-Nor. Sprunghaft fiel jetzt der Zeiger. Vom langen Hinstarren schwammen die Augen des Toghon-Khan. Mit diesem furchtbaren Sinken des Zeigers sank jede Hoffnung in ihm. Ohne zu denken … ohne zu fühlen, starrte er auf den Apparat.

      Ein schwerer Stoß, der das Schiff seitwärts traf, brachte ihn ins Wanken. Er packte den Fenstergriff und hielt sich aufrecht. Das Schiff lag schwer nach Backbord über. Er hörte wie durch Nebel, wie der Kommandant den Befehl gab, höher zu steigen. Er glaubte die Erschütterung der mit äußerster Kraft arbeitenden Triebschrauben zu spüren.

      Dann drehte das Schiff in neuem jähen Ruck ganz nach Backbord um.

      »Volle Kraft rückwärts!«

      Der Befehl des Kommandanten klang an sein Ohr.

      Er drehte sich um … und wollte … wollte den Befehl widerrufen. Sein Blick fiel auf die angstverzerrten Gesichter der Mannschaften. Zu spät!

      Das Schiff gehorchte nicht mehr … weder dem Steuer noch den Propellern. Wie ein Fetzen Papier vom Wirbel gegriffen, wurde es widerstandslos nach vorwärts gerissen.

      Wie in schwerer Dünung schwankte das ächzende Schiff. Bald wurde es tausend Meter in die Höhe gerissen, bald schoß es jäh in die Tiefe, als solle es an der Erdkruste zerschellen.

      Ein neues fremdartiges Geräusch übertönte das Tosen der Elemente. Starr standen die Insassen. Ihre Hände umklammerten krampfhaft jeden greifbaren Stützpunkt.

      Es klang wie das Prasseln von Schrot gegen Stahl. Es klang, als ob Millionen von Schrotkörnern gegen Stahlschaufeln geschleudert würden … wie schwerer Hagel, der auf ein Wellblechdach prasselt.

      Es hämmerte auf das Hirn des Toghon-Khan … hämmerte ihm die Gewißheit des unabwendbaren Unterganges ein … und da hatte er sich wiedergefunden … ganz wiedergefunden.

      Mit voller Klarheit übersah er Entstehen und Ende der Katastrophe. Sein geschulter Geist beherrschte auch die physikalischen und technischen Grundbedingungen der Geschehnisse um ihn. Mit Klarheit sah er jetzt alle Handlungen seines Gegners sich in logischer Folge entwickeln.

      Der hatte das Mittel, das dem Dynotherm entgegengesetzt wirkte! Das Mittel, das ebenso ungeheure Energiemengen band, wie das Dynotherm sie freimachte. Der hatte dann überall im Zuge des einbrechenden Heeres gestreut, wo immer nur Wasser war.

      So entstanden jene Kältepole, die infolge der Zusammenziehung der darüber lagernden Luft barometrische Minima ergaben, denen die entferntere Luft von allen Seiten zuströmen mußte. Dabei gab es eine Ausdehnung der zuströmenden Winde, die naturnotwendig mit einer Abkühlung verbunden war.

      So kamen jene Schneefälle zustande. So ergab sich jener Maischnee in Peking. So der Schneesturm des vorgestrigen Tages. So die Kälte.

      Das unaufhörliche Fallen des Thermometers, das jetzt auf 170 Grad unter Null stand, bewies ihm überzeugend, daß das Schiff einem dieser extremen Kältepole zugerissen wurde. Der große Saisan-See mußte in der Tat nach Einstreuung dieses Mittels einen Kältepol von ungeheuerster Stärke ergeben.

      Dieser unwiderstehliche rasende Luftstrom, dieses Prasseln der Propeller, die gegen die flüssig werdende und in Tropfen niederfallende Luft anschlugen, gaben ihm die Gewißheit. Es war so weit!

      Hier stürzte die Atmosphäre selbst verflüssigt zu Boden. Hier drang von allen Seiten her die Luft mit Riesengewalt wie in einen luftleeren Raum ein und riß jeden Körper, der sich in ihr befand, bis zum Kältepol hin.

      Mit vollkommener Klarheit des Geistes erwartete Toghon-Khan das Ende.

      Ausgeträumt der Traum vom besiegten Abendland! … Verweht die Spur des Dschingis-Khan!

      Die Hände an die Fenstergriffe geklammert, starrte er dem Untergange entgegen.

      Noch einmal erhob sich das Schiff. Die Gebirgskämme im Osten des Saisan-Nor schufen ein komprimiertes Luftkissen, welches das kraftlose Fahrzeug nach oben schleuderte. Dann, über der endlosen gefrorenen Fläche des riesigen Sees, senkte es die Spitze nach unten …

      Dann stellte es sich jach auf den Kopf und stürzte mit rasender Wucht auf das Eismassiv des bis zum Grund gefrorenen Sees. Tief drang sein metallener Sporn ein. Ein Funkenstrom umsprühte das einhauende Metall. Der Zünder für die fürchterliche Fackel, die im selben Augenblick gegen den Himmel stand. Sprühend verbrannte das Metall des Schiffsrumpfes im flüssigen Sauerstoff … Verbrannte das Schiff mit allem an und in ihm in Sekunden zu nichts …

      Dann ging die Natur ihren Gang weiter, wie es der Meister befohlen … bis der Tag sich neigte … und die Nacht die Fesseln löste.

      Linder wurde der Frost. Die Macht des Sturmes ließ nach. Dichte Nebel krochen über die eisbedeckte Erde … und sie hoben sich … und dehnten sich … und stiegen an und fanden milde Südwinde und fielen nieder in leisen, warmen Tropfen und weckten das tote Land.

      Der Schnee schmolz. Von den Bergen schossen die Wasser. Krachend fuhr der Frost aus den gebannten Stämmen. Immer stärker wurde das Wehen des Südwindes, immer größer seine Wärme. Wie im Spiel zerbrach er die Decke des Saisan-Sees. Wo lebendige Wesen noch ihr Leben bewahrt, frohlockten die Herzen.

      Der Morgen kam und mit ihm die Sonne. Sie fand ein Werk getan, in den Stunden einer Nacht ein Werk vollbracht, das ihre Kraft zu leisten nicht vermag in den Tagen eines Mondes.

      Ein Werk, getan durch eines Menschen Geist!

      *

      Das Siedlerland war gerettet, das Abendland vom Untergang bewahrt. Mit Sturmesschnelle eilte die Kunde von der Katastrophe im Herzen Asiens über die ganze Welt hin.

      Verhältnismäßig lange blieb man in Peking selbst über das Schicksal der großen dsungarischen Armee im ungewissen. Im tödlichen Froste waren auch die Formationen der Nachrichtentruppen zugrunde gegangen, die sonst wohl jene Schreckenskunde in den Äther gefunkt hätten. Und die es sonst noch wußten, die der Katastrophe entronnen waren, die wollten nicht, daß die schlimme Botschaft früher als sie selbst in das Gelbe Reich kam.

      Als Toghon-Khan in jenen letzten Stunden rastlos vorwärtsstürmte, nur noch von dem einen Wunsche beseelt und getrieben, das warme Siedlerland zu erreichen, sein Heer der todbringenden Umarmung des Frostes zu entreißen, da waren die beiden Besten und bis zu jener Stunde die Treuesten seiner Getreuen zurückgeblieben. In jener Stunde sahen Batu-Khan und Ugetai-Khan den Stern des Regenten rettungslos sinken, und alter, so lange mühsam gedämpfter Ehrgeiz gewann neue Kraft in ihren Herzen.

      Als Toghon-Khan auf der Straße nach dem Saisan-Nor sein Roß verließ und Schutz vor der grimmigen Kälte im Flugschiff suchte, da flog Ugetai-Khan schon in einem anderen schnelleren Kreuzer der dsungarischen Armee gen Osten. Mit höchster Maschinenkraft jagte das mächtige Schiff über die verschneiten Ebenen und Gebirge. Es entrann dem grimmigen Winter, den Georg Isenbrandt hier der einbrechenden gelben Armee durch die Kraft des Antidynotherms bereitet hatte. Am Abend des gleichen Tages, der den Tod des Regenten sah, landete dies Schiff in Schehol.

      Noch wußte man hier in der Stille der kaiserlichen Gärten nichts von der Katastrophe