I). Beispiele guter, d. h. tugendhafter Männer (II.). Besondere Erwähnung der Sinnenlust (III.).
(Ueber dieses Paradoxon vgl. Cicer. de Fin. III. 7, 26. 8, 27–29. und was dagegen gesagt wird IV. 15, 40 ff. 17, 46 ff. 18 48 ff.)
Zweites Paradoxon. Die Tugend genügt sich selbst zur Glückseligkeit. Wem Alles vom Schicksale abhängig ist, für den kann es nichts Gewisses geben; wer aber ganz von sich selbst abhängt, den kann äußeres Unglück nicht unglücklich machen, der ist vollkommen glückselig.
(Ueber dieses Paradoxon vgl. Cicer. de Fin. III. 12, 41. 13 42 ff. 14, 45 ff. und was dagegen gesagt wird IV. 19, 54. 20, 56 ff. – 24, 65 ff.)
Drittes Paradoxon. Sowie die Sünden, so sind auch die guten Handlungen einander gleich. Die Sünden sind nicht nach ihren Folgen, sondern nach den Lastern der Menschen zu bemessen. Der Gegenstand der Sünde kann zwar bald wichtiger bald geringer sein; aber das Sündigen selbst ist immer einerlei. Wenn die Tugenden einander gleich sind, so müssen es auch die Laster sein. Nun aber sind die Tugenden einander gleich; denn Niemand kann besser als gut sein. Es gibt nur Eine Tugend, den mit der Vernunft übereinstimmenden und stäts gleichbleibenden Seelenzustand (I). Die Ueberzeugung aber, daß zwischen den Vergehungen kein Unterschied stattfinde, muß die Menschen am Meisten von jeder Schlechtigkeit abhalten. Nur die Umstände machen in der Sünde einen Unterschied, II.).
(Ueber dieses Paradoxon vgl. Cicer. de Fin. III. 9, 32. 10, 33. 34. 12, 41. 13, 42 ff. 14, 45 ff. und was dagegen gesagt wird IV. 25–28.)
Viertes Paradoxon. Jeder Thor ist sinnlos. Daß von Cicero's Abhandlung über das vierte Paradoxon nur die ersten Zeilen, und zwar höchst lückenhaft, erhalten sind, haben wir in den Bemerkungen erwähnt. Das Folgende behandelt das Paradoxon: Nur der Weise ist ein Bürger, alle Unweisen sind Verwiesene. Diese Abhandlung ist, wie wir sie jetzt haben, weiter Nichts als eine gegen den Clodius gerichtete Prunkrede. in der Cicero zeigt, Clodius habe ihn gar nicht aus dem Staate vertreiben können, da der Römische Staat damals kein Staat gewesen sei, weil alle Gesetze und alle Billigkeit und Gerechtigkeit aufgehoben gewesen sei; er sei daher immer Bürger gewesen, Clodius hingegen, obwol er zu Rom gelebt habe, sei nicht ein Bürger, sondern ein Feind Rom's gewesen; der wahre Bürger müsse nach Gesinnung und Thaten beurtheilt werden, nicht nach Abstammung und Wohnort. Aber wahrscheinlich ist der erste Theil der Abhandlung, in dem das Wesen des Weisen und des Thoren vom philosophischen Standpunkte aus erklärt worden ist, verloren gegangen.
Fünftes Paradoxon. Der Weise allein ist frei, und jeder Thor ist ein Sklave. Nur der ist frei, der seine Leidenschaften zu beherrschen vermag. Denn Freiheit ist die Macht so zu leben, wie man will, und nur der lebt, wie er will, welcher zu jeder Zeit dem Sittlichrechten folgt. Also ist nur der Weise frei, der Unweise aber ein Sklave. Denn Sklaverei besteht darin, daß man einem kraftlosen und kleinmüthigen Geiste, der keinen freien Willen hat, Gehör gibt. Also sind alle Leichtfertigen, Leidenschaftlichen, alle Schlechten Sklaven.
Sechstes Paradoxon. Der Weise allein ist reich. Für reich ist der zu halten, der so Viel besitzt, als zu einem anständigen Leben genügt, und damit zufrieden ist. Diejenigen aber, die man gewöhnlich Reiche nennt, sind nicht reich, sondern vielmehr arm; denn sie sind nie mit dem zufrieden, was sie haben, sondern begehren immer Mehr Der wahre Reichthum beruht auf der Tugend, die dem Menschen nie entrissen werden kann. Die Tugendhaften sind daher allein reich; sie allein besitzen gewinnreiche und dauernde Güter und sind allein mit dem zufrieden, was sie haben, und vermissen Nichts.
Marcus Junius Brutus, Sohn des Marcus Junius Brutus, eines Rechtsgelehrten, und der Servilia, einer Schwester des Cato Uticensis, einer der Mörder Cäsar's. Er beschäftigte sich viel mit Philosophie und gab auch eine Schrift über die Tugend, eine über die Pflichten und eine über die Geduld heraus. Diese Schriften sind alle untergegangen. Er war ein Anhänger der alten Akademie. Ihm hat Cicero außer dieser Schrift auch die fünf Bücher der Tusculanen, die fünf Bücher von dem höchsten Gute und Uebel, die drei Bücher von dem Wesen der Götter und den Redner gewidmet, sowie auch die Schrift von den berühmten Rednern nach ihm Brutus genannt., daß dein Oheim Cato 5 , wenn er im Senate seine Meinung aussprach, gewichtige Lehrsätze aus der Philosophie abhandelte, die unserem öffentlichen Gerichtsverfahren fern lagen, und es gleichwol durch seine Beredsamkeit dahin brachte, daß sie auch dem Volke annehmbar erschienen.
Nämlich der alten Akademiker und Peripatetiker. Eine sehr wichtige Stelle über diese Philosophen und die Stoiker in Beziehung auf die Beredsamkeit findet sich in Cicer. Brut. c. 31: Tum Brutus: Quam hoc idem in nostris contingere intelligo quod in Graecis, ut omnes fere Stoici prudentissimi in disserendo sint et id arte faciant sintque architecti paene verborum, iidem, traducti a disputando ad dicendum, inopes reperiantur. Unum excipio Catonem, in quo perfectissimo Stoico eloquentiam non desiderem... Et ego: Non, inquam, Brute, sine causa, propterea quod istorum in dialecticis omnis cura consumitur, vagum illud orationis et fusum et multiplex non adhibetur genus. Tunc autem avunculus.. habet a Stoicis id, quod ab illis petendum fuit; sed dicere didicit a dicendi magistris eorumque more se exercuit. Quodsi omnia a philosophis essent petenda, Peripateticorum institutis commodius fingeretur oratio. Quo magis tuum, Brute, judicium probo, qui eorum philosophorum sectam secutus es, quorum in doctrina atque praeceptis disserendi ratio conjungitur cum suavitate dicendi et copia, quanquam ea ipsa Peripateticorum Academicorumque consuetudo in ratione dicendi talis est, ut nec perficere oratorem possit ipsa per sese, nec sine ea orator esse perfectus. Nam ut Stoicorum adstrictior est oratio aliquantoque contractior, quam aures populi requirunt; sic illorum liberior et latior, quam patitur consuetudo judiciorum et fori. beschäftigen, welche für den Redner eine Quelle des Reichthums ist, und in welcher Lehrsätze vorgetragen werden, die sich nicht sehr von den Begriffen des Volkes entfernen, Cato hingegen, ein vollkommener Stoiker meines Erachtens, einerseits Grundsätze befolgt, welche bei der großen Menge nicht eben Billigung finden, andererseits ein Anhänger einer Sekte 6 ist, welche keine Blüten der Beredsamkeit aufsucht und ihre Beweise nicht breit ausspinnt, sondern nur durch kurze Schlußsätze, gleichsam durch einzelne Punkte, das, was sie sich vorgenommen hat, zu beweisen sucht 7 .
3. Doch Nichts ist so unglaublich, daß es nicht der Vortrag annehmlich machen, Nichts so rauh, so ungebildet, daß es nicht durch ihn Glanz erhalten und ausgebildet werden könnte. Durch diese Vorstellung bewogen, habe ich noch mehr gewagt als jener selbst, von dem ich rede. Denn Cato pflegt nur von Seelengröße, von D. h. in den Schulen der Philosophen. oder in müßigen Stunden untersuchen, zum Zeitvertreib unter Gemeinsätze zusammengefaßt. D. h. Sätze, die da sind παρὰ δόξαν, gegen die Meinung, nämlich der großen Menge. genannt werden, wünschte ich einen Versuch zu machen, ob man sie nicht an's Tageslicht, das heißt auf das Forum hervorziehen und so vortragen könne, daß