’Ανιώμεθ'. Ούτως εσμὲν αχάριστοι φύσει.
Das Alter, sagen sie, beschleiche sie schneller, als sie es gedacht hätten.
Für's Erste, wer hat sie genöthigt etwas Falsches zu denken? Denn wie beschleicht das Greisenalter das Jünglingsalter schneller, als das Jünglingsalter das Knabenalter?
Sodann, wie würde ihnen das Greisenalter minder beschwerlich sein, wenn sie im achthundertsten Jahre ständen als im achtzigsten? Denn das vergangene, auch noch so lange Lebensalter könnte, wenn es verflossen ist, durch keinen Trost das Greisenalter eines Thoren beruhigen.
5. Also wenn ihr meine Weisheit zu bewundern pflegt, – o daß sie doch euerer Meinung und meines Beinamens 38 würdig wäre! – so zeigen wir uns darin weise, daß wir der Natur, der besten Führerin, wie einer Gottheit folgen und gehorchen. Denn es ist nicht wahrscheinlich, daß sie alle andern Rollen des Lebensalters schon vertheilt, den letzten Aufzug aber wie ein ungeschickter Dichter vernachläßigt haben sollte. Es mußte ja nothwendiger Weise Etwas den äußersten Endpunkt bilden und, wie bei dem Obste der Bäume und bei den Früchten der Erde, nach der zeitigen Reife gleichsam welk werden und abfallen. Und dieses muß der Weise mit Ergebung ertragen. Denn wider die Natur kämpfen, ist das was Anderes als nach Art der Giganten mit den Göttern Krieg führen?
Lälius.
6. Nun gut, mein Cato; gleichwol würdest du uns, damit ich auch für Scipio die Versicherung gebe, einen sehr großen Gefallen erweisen, wenn du uns, weil wir ja Greise zu werden hoffen, wenigstens es wünschen. schon lange zuvor über die Mittel belehren wolltest, durch die wir das drückend werdende Alter am Leichtesten ertragen können.
Cato.
Ja, das will ich thun, mein Lälius, zumal, wenn euch beiden, wie du sagst, hiermit ein Gefallen geschieht.
Lälius.
Wir wünschen allerdings, mein Cato, wenn es dir nicht lästig ist, von dir, der du gleichsam einen langen Weg zurückgelegt hast, den auch wir betreten müssen, die Beschaffenheit des Zieles zu erfahren, zu dem du gelangt bist 39.
III.
Cato.
7. Ich will es thun, so gut ich es vermag, mein Lälius. Oft hörte ich die Klagen meiner Altersgenossen mit an – Gleich und Gleich gesellt sich ja gern, nach einem alten Sprüchworte 40 –, was Gajus Salinator 41, was Spurius Albinus 42, consularische Männer von ungefähr gleichem Alter mit mir, zu bejammern pflegten: bald, daß sie der Vergnügungen entbehrten, ohne die sie das Leben für Nichts achteten; bald, daß sie von denen verschmäht würden, bei denen sie früher in Achtung gestanden hätten. Sie schienen mir aber nicht das anzuklagen, was wirklich anzuklagen ist. Denn läge die Schuld davon am Greisenalter, so würde ein Gleiches auch bei mir der Fall sein und bei allen Bejahrten; und doch habe ich schon viele Greise kennen gelernt, die nicht klagten, die es nicht bedauerten von den Fesseln der Sinnenlust befreit zu sein, noch auch von den Ihrigen verachtet wurden. Nein! die Schuld von allen derartigen Klagen liegt im Charakter und nicht im Alter. Denn Greise, welche besonnen und weder grämlich noch unfreundlich sind, verleben ein erträgliches Alter; Schroffheit aber und Unfreundlichkeit sind für jedes Alter von unangenehmen Folgen 43.
Lälius.
8. Es ist, wie du sagst, mein Cato; aber vielleicht könnte man sagen, dir scheine wegen deines Einflusses im Staate, wegen deines Wohlstandes und Ansehens das Alter erträglicher; dieses könne aber nicht Vielen zu Theil werden.
Cato.
Allerdings ist dieß Etwas, mein Lälius; aber keineswegs beruht darauf Alles. So z. B. erzählt man, Themistokles habe einem Seriphier 44 bei einem Wortwechsel, als dieser sagte, nicht durch seinen, sondern durch des Vaterlandes Ruhm habe er seinen Glanz erhalten, entgegnet: »Wahrlich, weder ich würde, wenn ich ein Seriphier wäre, noch du, wenn du ein Athener wärest, je berühmt geworden sein.« Dieses kann auf dieselbe Weise vom Greisenalter gesagt werden. Denn bei dem höchsten Mangel kann das Greisenalter nicht leicht sein, nicht einmal für einen Weisen; dem Unweisen aber muß es selbst bei dem höchsten Ueberflusse eine Last sein 45. 9. Die tauglichsten Waffen des Greisenalters, Scipio und Lälius, sind durchaus die Wissenschaften und die Tugenden, welche, in jedem Alter gepflegt, wenn man lange und viel 46 gelebt hat, herrliche Früchte tragen, nicht allein, weil sie uns nie verlassen, selbst nicht in der letzten Zeit unseres Lebens, – und das ist doch von der größten Wichtigkeit – sondern auch, weil das Bewußtsein eines gut vollbrachten Lebens und die Vergegenwärtigung vieler guten Thaten höchst erfreulich ist.
IV.
10. Ich habe in meiner Jugend den Quintus Maximus 47, – ich meine den, welcher Tarentum wiedereinnahm, – in seinem Greisenalter so geliebt wie einen Altersgenossen. Denn es fand sich bei diesem Manne ein mit Freundlichkeit gewürzter Ernst, und das Alter hatte seine Gemüthsstimmung nicht verändert. Freilich lernte ich ihn hochschätzen, als er noch nicht sehr bejahrt, aber doch schon im Alter vorgerückt war. Denn ein Jahr nach meiner Geburt war er zum ersten Male zum Consul erwählt worden, und in seinem vierten Consulate zog ich als sehr junger Krieger mit ihm nach Capua 48 und fünf Jahre später vor Tarentum. Sodann wurde ich vier Jahre nachher Quästor, und dieses Amt bekleidete ich unter dem Consulate des Tuditanus und Cethegus 49, als jener in hohem Alter den Cincischen 50 Gesetzvorschlag über die Geschenke und Gaben empfahl. Er führte Kriege wie ein Jüngling, da er doch schon sehr bejahrt war, und bezähmte den jugendlich übermüthigen Hannibal durch seine Ausdauer. Ueber ihn spricht sich unser Freund Ennius 51 vortrefflich also aus:
Ein Mann hat uns den Staat durch Zaudern wieder gerettet. Mehr als eitle Gerüchte galt ihm des Staates Errettung. Darum strahlet des Mannes Ruhm je länger je schöner.
11. Tarentum aber, mit welcher Umsicht, mit welcher Klugheit nahm er es wieder ein! Als Salinator 52, der nach Verlust der Stadt sich in die Burg geflüchtet hatte, sich rühmte und sagte: »Durch meine Bemühung, Quintus Fabius, hast du Tarentum wieder eingenommen,« entgegnete er in meiner Gegenwart lachend: »Gewiß; denn hättest du es nicht