9. Publius Cornelius Scipio Aemilianus Africanus der Jüngere, der Sohn des Lucius Aemilius Paullus Macedonicus, adoptirt von Publius Cornelius Scipio, dem Sohne des älteren Scipio Africanus, Bruder der Aemilia, Cato's Schwiegertochter, war einer der größten und edelsten Römer, als Krieger und Heerführer und Staatsmann ausgezeichnet, einer der liebenswürdigsten Charaktere und ein Mann von der feinsten Bildung.
10. Schon in seiner frühen Jugend zeichnete er sich als Krieger aus. In seinem siebzehnten Jahre (168 v. Chr.) nahm er unter Anführung seines Vaters Theil an dem Feldzuge gegen Perses, König von Macedonien. In dem Hispanischen Kriege (151) erwarb er sich als Kriegstribun unter dem Consul Lucius Lucullus durch seine Tapferkeit und Besonnenheit großes Lob. Ebenso zeichnete er sich bald darauf (149) in dem dritten Punischen Kriege aus, indem er in Afrika das durch Unvorsichtigkeit seiner Anführer schwer bedrängte Römische Heer von seinem Untergange rettete. Durch diese glänzenden Thaten und die Rechtschaffenheit seines Charakters hatte er sich die Vewunderung und Liebe des Römischen Volkes dergestalt erworben, daß er, als er sich in seinem sechsunddreißigsten Lebensjahre (147) um die Aedilität bewarb, vor der gesetzlichen Zeit, das heißt vor dem dreiundvierzigsten Lebensjahre, einstimmig vom Volke erwählt 19 und ihm der Oberbefehl in dem Punischen Kriege übertragen wurde. Die Eroberung Karthago's, das mit bewunderungswürdigem Heldenmuthe vertheidigt wurde, erfolgte erst im folgenden Jahre (146). Im J. 142 wurde er mit Mummius zum Censor gewählt und erwarb sich durch die gewissenhafte Verwaltung dieses Amtes großes Lob. Im J. 134 zum zweiten Male mit dem Consulate betraut, belagerte er Numantia in Spanien, das er aber erst im funfzehnten Monate (133) nach den blutigsten Kämpfen einnehmen konnte. Zwei Jahre darauf (129) starb er, nachdem er am Tage vor seinem Tode gegen die drei Volksführer, Gajus Carbo, Gajus Gracchus und Marcus Fulvius, mit großer Heftigkeit geredet hatte. Ob sein plötzlicher Tod ein natürlicher oder ein gewaltsamer gewesen sei, läßt sich nicht entscheiden 20.
11. Was Scipio's wissenschaftliche Bildung anlangt, so wird uns berichtet, er habe zu den jungen Männern gehört, welche während der Anwesenheit der oben erwähnten Athenischen Gesandtschaft die Vorträge der drei Philosophen, Karneades, Kritolaus und Diogenes, fleißig gehört 21 ; er habe den Geschichtsschreiber Polybius und den Stoischen Philosophen Panätius im Kriege wie im Frieden stäts in seiner Begleitung gehabt 22 und besonders mit dem Letzteren in freundschaftlichem Verkehre gestanden und dem Studium der Philosophie obgelegen 23 ; er habe Xenophon's Schriften fleißig gelesen 24 . Auch als vorzüglicher Redner wird er von Cicero 25 genannt.
12. Von Lälius, der dritten Person unseres Gespräches, werden wir in der Einleitung zu der Abhandlung von der Freundschaft sprechen.
III. Von den in dieser Abhandlung benutzten Quellen 26
Den Eingang des Platonischen Dialoges über den Staat, wo sich die Unterredung des alten Kephalos mit Sokrates findet, hat Cicero auf eine freie Weise benutzt. Was er über die Unsterblichkeit der Seele (Kap. 21) vorgetragen hat, ist, wie er selbst angibt, aus dem Plato, sowie auch einiges Wenige aus der Lehre der Pythagoreer entlehnt. Im XXII. Kapitel hat er die Rede des sterbenden Cyrus bei Xenophon frei übersetzt, ebenso auch im XVII. Kapitel Einiges aus Xenophon's Oekonomikus. Vielleicht hat er auch die Schrift des Chiers Aristo, eines Stoischen Philosophen, über das Greisenalter, den er selbst im ersten Kapitel anführt, benutzt. Außerdem werden uns aus dem Alterthume noch zwei Schriften über das Greisenalter genannt, die eine des Demetrius von Phalerus (um 320), die andere des Marcus Terentius Varro.
IV. Inhalt der Abhandlung
I. Zuschrift ist an Titus Pomponius Atticus, in der Cicero die Gründe angibt, die ihn bestimmt haben über das Greisenalter zu schreiben und die Schrift dem Atticus zu widmen (Kap. I.).
II. Abhandlung im Allgemeinen. Für denjenigen, welcher alle Güter in sich selbst sucht, kann Nichts als ein Uebel erscheinen, was ein nothwendiges Naturgesetz mit sich bringt, also auch nicht das Greisenalter. Die Klage, das Alter beschleiche uns schneller, als wir gedacht hätten, beruht auf verkehrtem Denken. Das Alter muß der Weise mit Ergebung tragen; denn wie für die übrigen Lebensalter, so hat die Gottheit auch für das Greisenalter gesorgt (Kap. II.). Die Schuld der Klagen über das Alter liegt nicht im Alter, sondern in dem Charakter des Menschen. Die besten Waffen des Alters sind die Wissenschaften und die Uebung der Tugenden (Kap. III.). Beispiele eines glücklichen Greisenalters (Kap. IV. V. 13. 14).
III. Abhandlung im Besonderen. Aufzählung der vier Gründe, weßhalb das Greisenalter unglücklich erscheint (Kap. V, 15).
A. Widerlegung des ersten Grundes. das Greisenalter zieht von Verrichtung der Geschäfte ab.
a) Es gibt Geschäfte für den Greis, welche selbst bei schwachem Körper doch mit dem Geiste besorgt werden können. Historische Belege dafür (Kap. VI.) – b) Widerlegung des Einwurfes, daß das Gedächtniß und die übrigen Geisteskräfte im Alter abnehmen (Kap. VII., 21–23). – c) Auch den greisen Landmann darf der Gedanke, daß er Bäume pflanze, deren Früchte nicht ihm, sondern einem künftigen Geschlechte zu gute kommen, von dieser Thätigkeit nicht abhalten; denn die Gottheit will, daß ich solche Güter nicht nur von meinen Vorfahren empfange, sondern auch meinen Nachkommen überliefere (Kap. VII, 24).
An diese Erörterung knüpft Cicero zwei Punkte an, die mit derselben in keiner genauen Verbindung stehen, nämlich: α) die Widerlegung der Behauptung, ein langes Alter bringe uns viele Widerwärtigkeiten; β) der Greis sei Andern beschwerlich (VIII. 25. 26).
B. Widerlegung des zweiten Grundes: Das Greisenalter macht den Körper schwächer.
a) Dem Greise verbleibt ein solches Maß der Leibeskräfte, daß er sich in vielfacher Hinsicht Anderen nützlich machen kann. Die Abnahme der Kräfte ist öfter eine Folge von Jugendsünden als von Gebrechen des Greisenalters. Mag auch der Greis weniger Kräfte haben, als der Jüngling und Mann, so mag sich Jeder so viel anstrengen, als es seine Kräfte erlauben, und er wird im Greisenalter nicht die Kräfte des jugendlichen Alters vermissen. Die Natur hat jedem Alter ein bestimmtes Maß von Kräften verliehen, und von einem Greise werden nicht Arbeiten verlangt, die das volle Maß jugendlicher Körperkraft erheischen (Kap. IX. X.). – b) Wenn Greise wirklich zu schwach zur Verrichtung von Geschäften sind, so ist dieß kein eigentlicher Fehler des Alters, sondern ein gemeinsamer des Gesundheitszustandes, dem auch Jünglinge unterliegen können. – c) Dem Greisenalter muß man durch Mäßigung und Enthaltsamkeit in der Lebensweise und durch geistige Thätigkeit nachhelfen (Kap.