Gesammelte Werke. Ernst Wichert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237517
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      Der Komtur schwieg eine Minute lang. Ich könnte dir und deinen Gesellen wohl zur Freiheit verhelfen, sagte er dann, mit den Augen blinzelnd.

      Marquard sah ihn überrascht und ungläubig zugleich an. Ah –! Wollt Ihr Euch einen Gotteslohn verdienen, gnädiger Herr? Ich will für Euch beten lassen am Altar der Vitalienbrüder in Stockholm.

      Es ist mir nicht um Gotteslohn zu tun, Marquard, sondern um einen irdischen Dienst, der Euch nicht einmal sonderlich schwerfallen kann, da er halb und halb in Euer Handwerk

      schlägt.

      Sprecht, gnädiger Herr.

      Ich brauche einen Scharfrichter, Marquard.

      Stenebreeker zuckte zurück. Herr – wir sind ehrliche Leute!

      Habt aber doch so manchem schon den Hals abgestochen.

      Im Kampfe, Herr.

      Gutwillig werden die Euch auch nicht das Leben lassen, von denen ich spreche. Und wenn Ihr Euch die Freiheit erkämpft –

      Von wem sprecht Ihr, Herr?

      Von drei Männern aus Danzig, die unter Euch gefangen sitzen und zum Tode verurteilt sind. Sie müssen noch diese Nacht sterben.

      Müssen sie –?

      Wie ich sage. Ich will sie in Euren Kerker führen lassen – tut sie ab!

      Pfui! mit unsern nackten Händen, Herr?

      Ich will Euch Waffen geben.

      Das läßt sich hören. Aber Henkerdienst, Herr –

      Der Komtur stand auf. Ihr wollt nicht. Gut –!

      Stenebreeker legte die Hand auf seinen Arm. Seid nicht so schnell. Zum Teufel, man will dergleichen doch bedenken. Sagt mir noch eins: Wer soll abgetan werden?

      Konrad Letzkau, der Bürgermeister.

      Ah! Der hat's redlich um mich verdient. Weiter!

      Arnold Hecht, sein Kumpan.

      Ihr habt vornehme Gesellschaft da unten. Gut! Wär's nach seinem Willen gegangen, so wären unsere Gebeine längst vom Galgen gefallen. Und der dritte?

      Bartholomäus Groß, einer vom Rat.

      Der war auf dem Danziger Schiff, das uns einbrachte. Topp! Der Handel gilt. Konrad Letzkau, den nehm' ich auf mich. Aber wenn's geschehen ist, Herr – wie gewinnen wir die Freiheit?

      Das will ich dir sagen, Marquard. Durch die Tür mag ich euch nicht auslassen. Seht, wie ihr durchs Fenster entkommt.

      Wir haben's schon untersucht – die Eisen sind uns zu stark.

      Deshalb will ich dir eine Feile geben.

      Und dann –?

      Das Fenster liegt nicht allzu hoch über dem Wasser. Ich will sorgen, daß ihr unten ein Boot findet. Darin sollen Lebensmittel für einige Tage sein. Auch einen Strick will ich hineinlegen lassen. Einer von euch, der schwimmen kann, springt hinab und wirft den andern den Strick zu. Auf dem Boote könnt ihr die offene See gewinnen – und dann helft euch weiter.

      Das heißt: ersauft, wenn es euch gefällig ist.

      Der Komtur zuckte die Achseln.

      Wir wollen's auf gut Glück ankommen lassen, fuhr der Seeräuber fort. Gebt die Feile und die Waffen.

      Versprich mir erst mit einem Schwur –

      Hahaha! Was habt Ihr von uns für eine Meinung, Herr? Was wir versprechen, das halten wir ehrlich. Ein Schwur ist nicht mehr als ein Wort.

      Euer Wort also –

      Mit Handschlag! Sie sollen sterben.

      Der Komtur reichte ihm, was er unter dem Mantel verborgen hatte.

      Stenebreeker prüfte mit gierigen Augen die Feile und die Spitzen der Dolche. Wißt Ihr auch, bemerkte er, daß Ihr jetzt in meiner Gewalt wäret? Mit diesen Waffen könnte ich mir wohl ins Freie Bahn brechen, wenn ich Euch still machte.

      Der Komtur wurde bleich und blickte scheu nach der Tür.

      Habt keine Furcht, beruhigte ihn der Räuber. Ich sag's nur, damit Ihr seht, daß ich ehrlich bin. Er versteckte die Waffen unter dem Gewande. Ich weiß nicht, wie groß der Dienst ist, den ich Euch leiste; aber ich will denken, daß ich in Eurer Schuld bleibe, wenn ich die Freiheit gewinne. Sollt' ich je wieder ein Schiff führen, so ist Euer Orden sicher vor demselben.

      Ich nehme Euer Versprechen an, sagte der Komtur. Und nun macht's ohne viel Lärm ab. Er öffnete die Tür und winkte den Wächter herbei. Führt ihn in sein Gefängnis zurück.

      Er wartete auf den Mann, bis er wiederkam. Ich habe mir's überlegt, sagte er, die drei Danziger Herren haben da unten ein schlechtes Quartier. Schafft sie nach einer Stunde hinauf und laßt sie zu Marquard Stenebreeker und seinen Gesellen ein; der Raum ist groß genug auch für diese Gäste. Ich werde durch Engelke nachfragen lassen, ob mein Befehl ausgeführt ist.

      Er soll pünktlich ausgeführt werden, gnädiger Herr, versicherte der Wächter. Es kümmert mich nichts als mein Dienst.

      Der Komtur verließ den Turm und ging über den Hof zurück. Am Himmel stand der volle Mond, noch ziemlich bleich in der Abenddämmerung. Der wird ihnen besser leuchten als eine Fackel, sprach er vor sich hin.

      Dann gab er Peter Engelke Aufträge wegen des Bootes. Wähle nicht das größte und beste, setzte er hinzu. Lebensmittel für drei Tage, nicht mehr. Vergiß den Strick nicht.

      Auch ein Segel?

      Gut – ein kleines Segel; aber nicht mehr als zwei Riemen. Engelke versicherte, alles wohl verstanden zu haben, und ging an sein Geschäft. Ich will ihnen Wort halten, aber die Flucht nicht so leicht machen, dachte der Komtur. Entkommen sie mit dem Boot über See, so ist es Gottes Wille. Finden sie in den Wellen ihren Tod – um so besser.

      Darauf ging er in die Kapelle zum vorgeschriebenen Nachtgebet, blieb dort nicht länger als gewöhnlich, und suchte sein Lager auf, nicht beunruhigt in seinem Gewissen, aber voll ängstlicher Spannung, was der neue Tag bringen werde. –

      Die drei Danziger Bürger waren von den Wachen zwischen die Spieße genommen und über den Hof geführt worden, wobei es an Püffen von den groben Fäusten nicht fehlte. Im Turm stieß man sie die Steintreppe in den Kellerraum hinunter und warf ihnen ein paar Bunde Stroh nach. Dann wurde die Eisentür verschlossen und verriegelt.

      Es herrschte tiefe Finsternis in dem Gemach. Erst nach längerer Zeit ließ sich eine schmale Spalte in der Wand bemerken, die sich lichter in dieselbe einzeichnete. Sie tappten umher und stießen an feuchte Mauern, die ein niedriges Gewölbe trugen. An mehreren Stellen waren große eiserne Ringe eingelassen. An einem derselben hing auch eine Kette mit einer Hand- oder Fußschelle. Barthel Groß faßte sie und schauerte zusammen, als sie auf dem Steinboden klirrte.

      Sie breiteten das Stroh aus und warfen sich darauf. Wohl eine Stunde lang sprach keiner ein Wort. Das leise Pfeifen des Windes war zu vernehmen, der durch die Spalte in der Mauer zog, dazu ein Ton, der wie das Anschlagen von Wellen klang. Von Zeit zu Zeit stieß Hecht einen Seufzer aus oder wühlte unruhig im Stroh. Schlaft ihr denn? fragte er endlich, sich aufrichtend. Ein Wunder wär's nicht: man ist wie betäubt und kann kaum atmen in der dicken Luft.

      Ich denke an Weib und Kinder, antwortete Barthel, da will der Schlaf trotzdem nicht kommen.

      Ein abscheuliches Kellerloch! rief Hecht. Puh, dieser Modergeruch. Wir müssen das Wasser in der Nähe haben.

      Man hört es an die Außenmauer des Turms spülen.

      Das nenne ich Gastfreundschaft! Oh, der Schurke, der nichtswürdige Bube! Eine so heimtückische Bestie –

      Spart Eure Worte, riet Letzkau, er hört Euch nicht.

      Hecht beruhigte sich nicht so leicht. Ist dies ein Gefängnis für Ratspersonen? Keinen Dieb und Mörder behandelt man so schlecht! Das jämmerlichste Loch