Gesammelte Werke. Ernst Wichert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237517
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Hecht. Es wäre schicklicher für die Herrschaft, das Land in Nahrung zu setzen, als ihm rechtmäßigen Verdienst vorzuenthalten.

      Ihr Herren, ihr Herren, beschwichtigte der Großschäffer, sich im Stuhle zurücksetzend, gönnt uns doch auch unser Stücklein Brot. Wenn wir euch alles abgeben, was bleibt dann für uns? Womit sollen wir uns nähren und kleiden, unsere Waffen anschaffen, unsere Schlösser instand halten, unsere Söldner bezahlen, unsere Botschafter bei fremden Höfen ausrüsten und unsere Kriege führen, wenn der Feind die Grenzen bedroht? Freut euch, daß wir so gute Wirtschafter sind und von jeher waren. Will etwa das Land dafür sorgen, daß es an nichts fehlt? Es ist schon Geschrei genug wegen des Schosses, der in Kriegsnöten ein einziges Mal gefordert ist. Müßtet ihr alljährlich dem Orden schossen, der Lärm und Unfriede hätte kein Ende.

      Da sahen die anderen aufs Tischlaken und wußten nicht zu antworten; Letzkau aber sagte: Das ist eitel Schein, lieber Herr. Eure Wirtschaft ist teuer. Käme das Geschäft in viele tausend Hände, so würde das Geld reichlicher zufließen, und es würde uns nicht schwer werden, davon zum gemeinen Besten abzugeben, mehr als ihr jetzt erübrigt. Steuern wir nicht willig der Hansa, rüsten wir nicht Schiffe aus, wenn sie Krieg zu führen oder Gesandtschaften auszusenden haben? Warum murrt niemand über solchen Schoß? Weil er bewilligt wird von den Sendeboten der Städte und verwandt wird nach ihrem Willen und auf Heller und Pfennig verrechnet wird vor ihren Augen. Ihr aber wollt dem Lande kein Recht geben, mitzuraten, darum behelft ihr euch, wie ihr könnt, und laßt lieber das Land zugrunde gehen.

      Auf einen so ernsten Ton war der Großschäffer nicht gestimmt. Er machte schon ein recht verdießliches Gesicht, als sich zum Glück die Tür öffnete und der allen bekannte Hauskomtur mit noch einem Ritterbruder eintrat und die Gesellschaft freundlich begrüßte. Herr Niklas Thomas bot ihnen sogleich Stühle an und ließ Gläser für sie reichen. Man war eben beim Nachtisch, zu dem es trefflichen englischen Käse, für den Liebhaber auch Datteln und Rosinen gab. Herr Ludecke brach sofort das vorige Gespräch ab und sprach seine Freude aus, daß der Herr Komtur Wort gehalten habe.

      Ich komme wirklich in seinem Auftrage, sagte der Hauskomtur, nachdem er dem Wirt mit einem vollen Glase Bescheid getan, und meine Sendung geht an euch, ihr Herren Bürgermeister und Ratmannen dieser Stadt. Dem Herrn Komtur ist's leid geworden über Nacht, daß er gestern in der Kirche mit euch nicht hat verhandeln wollen über die wichtigen Dinge, die noch nicht verglichen sind, wie es doch anscheinend eure gute Absicht war. Er ist ein heißblütiger Herr, und der Zorn steigt ihm leicht zu Kopf, wenn man ihm zu ungelegener Zeit widerspricht. Dann spricht er wohl auch ein herbes, abweisendes Wort, das verletzt. Ist er darauf aber mit sich allein, so überlegt er sich's besser und nimmt guten Rat an. So ist nun seine Meinung, es könne vieles hier an Ort und Stelle erwogen und geschlichtet werden, was sich vor dem Herrn Hochmeister nur mühsam und zu großer Ärgernis aller Teile verhandeln läßt. Darum läßt der Herr Komtur, damit man recht bald zum Frieden gelange, die hier versammelten Herren auffordern, sogleich noch heute zu ihm aufs Schloß zu kommen und von der Gemeine mitzubringen, wen sie mögen. Hoffentlich gelangt die Sache dann vor Abend ohne Schwierigkeiten zum Austrage.

      Da sahen die Männer einander verwundert an, und keiner konnte sogleich ein Wort der Erwiderung finden. Endlich rief Hecht: Da scheint wahrlich der Heilige Geist über Nacht den Herrn Komtur erleuchtet zu haben, daß er nun plötzlich so friedfertig denkt, da er uns doch gestern grimmig genug anfuhr und nicht einmal den Ort bedachte, an dem er stand. Wissen wir doch auch, daß er vor wenig Tagen noch, obschon er uns die Kette niederließ, seinen Leuten draußen gemessenen Befehl gegeben hat, den Danziger Kaufmann nicht zu schonen. Nun – wir wollen uns darüber nicht beklagen, wenn er zu besserer Einsicht gekommen ist und ein Wort der Vernunft hören will. Mit dem Kopf durch die Wand geht's doch nicht.

      Das mögt ihr euch denn auch selbst gesagt sein lassen, entgegnete der Hauskomtur.

      Was nützt da alles Reden, sagte Huxer. Wir haben's einmal dahin verglichen, daß der Herr Hochmeister den Streit entscheiden soll; mag's nun auch dabei bleiben. Der Herr Komtur hat eine herrische Art, die den Bürger verletzt; er wird sich gleich bei den ersten Worten erhitzen, und wir werden nicht friedlicher voneinander gehen.

      Das kann wohl sein, stimmte Hecht zu, wir sind zu weit voneinander abgeraten. Ich glaube auch nicht daran, daß wir uns vor dem Herrn Hochmeister vereinigen.

      Ihr könnt's doch dem Herrn Komtur so oder so nicht abschlagen, mischte sich Herr Ludecke von Palsat ein. Er entbietet euch zu sich aufs Schloß, und es ist eure Pflicht, ihm Gehorsam zu leisten.

      Wir weigern uns auch nicht, antwortete Konrad Letzkau. Sagt dem Herrn Komtur, daß wir in einer Stunde erscheinen werden. Man soll uns nicht vorwerfen, daß wir den Frieden gehindert haben.

      Das ist eine gute, freundliche Antwort, sagte der Hauskomtur.

      Der Ratsherr Thomas hob sein Glas und forderte seine Gäste auf, mit ihm anzustoßen auf ein friedliches Einvernehmen zwischen Herrschaft und Untertanen.

      Das geschah, und dann verabschiedeten sie sich. Der Herr Komtur hat einen guten Tag gewählt, bemerkte Hecht auf der Straße, wir sind gesamt bei munterer Laune.

      Und wollen sie uns nicht verderben lassen, riet Letzkau.

      Sie trennten sich und verabredeten, nach einer Stunde am Haustor wieder zusammenzutreffen, um gemeinsam aufs Schloß zu gehen. Letzkau und Hecht wollten jeder sechs von dem Gemeinen Rat auffordern, sie zu begleiten, wen man gerade anträfe, ohne sonderliche Auswahl. Barthel Groß und Huxer gingen zunächst nach Hause, den Ihrigen zu melden, daß sie aufs Schloß befohlen seien.

      Barthel Groß hatte die Datteln und Rosinen vom Nachtisch in die Tasche gesteckt, um sie seinen kleinen Mädchen mitzubringen. Dafür waren sie denn sehr dankbar, und auch Frau Anna belobte den guten Papa. Sie legte ihren Arm um seine Schulter und ging mit ihm die Diele auf und ab, zu sehen, ob er nicht des Weines zuviel getrunken. Er mußte ihr erzählen, was für Gerichte Herr Gevatter Thomas habe auftragen lassen, und ob alles wohlgeraten gewesen sei, und ob die Diener sich beim Aufwarten schicklich benommen hätten. Auch was der Großschäffer eigentlich von ihnen gewünscht, wollte sie wissen, und wie man sich bei Tisch unterhalten habe. Sie war eine kluge Frau, die gern an aller Sorge ihres Mannes teilnahm und früh in ihres Vaters Hause gelernt hatte, sich um die Welthändel zu kümmern. Als sie nun erfuhr, daß gegen Schluß der Tafel der Hauskomtur gekommen sei und sie aufs Schloß geladen habe, machte sie ein bedenkliches Gesicht. Geh nicht mit, Barthel, sagte sie und faßte seine Hand, es wird nichts Gutes daraus.

      Wie fällt dir das ein, Liebe? antwortete er lächelnd. Aber sie hatte in Wirklichkeit nur ausgesprochen, was er selbst so empfand.

      Du hast mir erzählt, fuhr sie fort, was gestern in der Kirche vorgegangen ist, und zugefügt, daß dir der Komtur recht tückisch erschienen sei. Wie sollte er nun so schnell seinen Sinn geändert haben? Ihr habt ihn schwer gegen euch aufgebracht durch eure Widersetzlichkeit, und das verzeiht er euch nimmer. Nun beschwert es ihn, daß ihr ihn bei dem Hochmeister verklagt und seine Entfernung vom Amte verlangt. Wie sollte er da den guten Willen haben, sich mit der Stadt zu vergleichen? Nein, glaube mir: er spinnt Ränke, euch zu verderben, und lockt euch deshalb ins Schloß. Geh nicht, ich bitte dich.

      Er neigte seinen Kopf gegen den ihren. Du siehst überall Gefahren, sagte er, weil du mich liebst. Ich glaube gern, daß er uns durch ein freundliches Benehmen überlisten möchte, weil er doch merkt, daß er mit Strenge nicht durchdringt. Aber wir werden uns nicht übertölpeln lassen. Ist doch dein Vater unser Wortführer. Was sollte er uns wohl anhaben?

      Ich weiß es nicht, Lieber; aber mein Herz sagt mir, daß er irgendeinen bösen Anschlag im Sinne hat. Warum kommt er nicht zu euch aufs Rathaus?

      Es ist des Komturs Recht, die Gemeine aufs Schloß zu verbotten.

      Vor wenig Tagen noch wäret ihr trotzdem nicht gegangen.

      Weil wir in offener Feindschaft miteinander lebten. Seitdem ist der Streit verglichen.

      Er ist nicht verglichen. Du hast gestern selbst gesagt, daß der Komtur euch erzürnt verlassen und seinerseits kein versöhnliches Wort gesprochen habe, wie nahe es ihm auch gelegt wurde.

      Das will er nun heute nachholen.