Arnold Hecht, der vorher am heftigsten gegen den Orden das Wort geführt hatte, wurde nun am ehesten kleinlaut.
Ihm selbst standen große Verluste bevor, wenn seine Handelsunternehmungen nicht in Gang kamen, und er war Verbindlichkeiten eingegangen, die sich kaum noch lösen ließen, ohne sein Kontor in schlechten Ruf zu bringen. Nun nahm er, um seinen Rückzug vorzubereiten und zu decken, den Mund voll zu Angriffen, die ein Ansehen hatten. Hab' ich's nicht stets gesagt, ließ er jeden hören, der die Ohren auftun wollte, daß die Sache falsch angegriffen ist? Hat sie nicht ein so jämmerliches Ende nehmen müssen? Wir haben den ganzen langen Winter Zeit gehabt, konnten mit unsern müßigen Leuten etwas Herzhaftes gegen das Schloß unternehmen, konnten den König ermutigen, zu unsern Gunsten ein Machtwort zu sprechen. Statt dessen werden Briefe geschrieben hin und her, Sendboten an den Hochmeister geschickt, der im Lande herumreist, alle Hände voll zu tun hat, den Schoß zusammenzubringen und uns rückhaltige Antworten gibt. Ihm freilich war's genehm, die Sache bis zum Frühjahre hinzuziehen. Was meinte man denn auszurichten, wenn das Schloß nicht gebrochen würde? Und es gab eine Zeit, da wär's uns mit leichter Mühe gelungen, die Füchse aus ihren Löchern zu ziehen und den ganzen Fuchsbau zu zerstören. Warum haben wir unser Tor vermauert? Warum haben wir unsere Werke aufgeführt gegen das Schloß? Um ruhig zuzusehen, wie der gnädige Herr Komtur die Kette schmieden ließ, uns den Fluß zu sperren – aha! Nun ist's freilich zu spät, mit Gewalt etwas auszurichten: die Kreuzherren sind wohlgerüstet, und unsere Bürger mögen nicht länger im Harnisch gehen, um Kinder zu schrecken. Wahrlich, das nenne ich klug: mit den Waffen drohen und nicht zuschlagen. Nun stecken wir in der Klemme. Wollen wir seewärts, da stoßen wir gegen die Kette; wollen wir landwärts, da fängt der Pfleger von Dirschau unsere Güter ab. Gehen wir an den Hochmeister, so weist er uns an den Komtur; wenden wir uns an den König, so zuckt er die Achseln. Alles in allem: wir haben uns die Suppe eingebrockt und werden sie nun auch ausessen müssen, mag sie schmecken oder nicht.
Letzkau war der einzige, der den Kopf nicht verlor. Wir müssen standhalten, mahnte er, unsern Verlust verschmerzen und künftig mit größerem Gewinn einzubringen suchen. Sind wir so bald kampfmüde, so hätten wir den Streit lieber gar nicht anfangen sollen. Anzugreifen war unsere Sache nicht, da doch einmal der Herr König ohne uns Frieden gemacht hat; aber verteidigen können wir uns noch lange Zeit. Nur noch wenig Monde Geduld. Sehen sie dort, daß sie uns mit diesem nicht zwingen, so lassen sie sicher ab und geben nach. Denn sie brauchen uns mehr als wir sie. Ein Jahr lang mögen sie's mit Elbing versuchen, dann werden sie uns selbst wieder den Stapel anbieten müssen. Denn Elbing hat nicht Zugang zur See, außer über das Haff und durch das flache Tief bei Lochstedt. Große Schiffe können da nicht ein und aus, draußen aber ist kein geschützter Hafen, daß sie von den Bordingen Ladung annehmen können. Zudem wird Lübeck uns nicht im Stiche lassen mit den anderen Genossen der Hansa. Ihr merkt ja doch, daß der Herr Hochmeister scheu ist, etwas Gewaltsames zu unternehmen. Der Komtur ist ein Brausekopf und hätte längst das Waffenspiel angefangen, wenn sein Bruder ihn nicht hielte. Geben wir jetzt nach, so geschieht's zu den schlechtesten Bedingungen; bleiben wir noch diesen Sommer standhaft, so wird man uns alles bewilligen, was wir fordern.
Nur wenige brachte er auf seine Seite. Das Geschrei war zu groß und machte auch den Bedächtigen den Kopf wüst. Gegen die Osterzeit drängte alles in der Stadt zu einem Ausgleich, und der sitzende Rat sah sich endlich genötigt, Schritte zu tun. Es wurde ein Brief an den Komtur geschrieben mit der Aufforderung, die Kette zu entfernen, da sich der Orden ohne Grund das Recht anmaße, den Fluß zu sperren. Die Stadt wolle dann auch ihrerseits das Haustor wieder öffnen und die Werke abräumen, über die er Klage geführt hätte.
Wie pfeifen die Mäuslein? rief der Komtur. Es wird ihnen bange, daß wir sie aushungern. Wär's nicht Zeit, ihnen die Katze zu schicken, damit sie nicht gar mager werden, bis man sie verspeist? Er antwortete in hochfahrendem Tone, wie er nicht willens sei, sich Bedingungen vorschreiben zu lassen. Die Stadt solle sich unterwerfen, binnen drei Tagen den Schoß in seine Kämmerei abliefern, sich alles unrechtmäßigen Hängens und Köpfens enthalten, auch eine neue Ratswahl anordnen und vorher bei ihm anfragen, wer dem Orden genehm sei. Dann wolle er ihnen in Erwartung botmäßigen Verhaltens den Fluß öffnen und auch den Vogt zu Dirschau mit anderer Weisung versehen.
Eine so unverschämte Forderung würde der Rat vor wenigen Wochen noch mit Hohn zurückgewiesen haben. Jetzt ließ er sich auf eine ernste Widerlegung ein oder suchte zu entschuldigen. Es könne wohl sein, daß in diesen unruhigen Zeiten das eine oder andere nicht genau nach der alten Ordnung gegangen sei. Deshalb sollten von beiden Seiten Männer abgesandt werden, zu denen man Vertrauen hätte; sie könnten dann etwa im Rathause der Jungstadt zusammenkommen und die streitigen Punkte besprechen, damit jeder Teil zunächst genau wüßte, woran er mit dem andern sei. Inzwischen sollten die Feindseligkeiten eingestellt werden.
Das gefiel dem Komtur wenig. Ich merke wohl, daß die Buben Zeit gewinnen wollen, ihre Ränke weiter zu spinnen, sagte er. Ich kenne ihre geheimen Anschläge. Es wird nicht Ruhe in der Stadt, bis dem giftigen Drachen die Köpfe abgeschlagen sind. Das Kapitel wollte die dargebotene Hand nicht ausschlagen.
Verdrießlich antwortete Plauen: Gebt acht, wie den Hähnen gleich wieder der Kamm schwellen wird. Mich sollen sie durch ihr Krähen nicht irremachen! Er konnte doch sein Stück nicht durchsetzen.
Auf dem Rathause der Jungstadt kam es nun zu lebhaften Verhandlungen. Vom Schlosse war der Hauskomtur mit zwei Ritterbrüdern geschickt; für die Stadt sprachen Barthel Groß und Huxer nebst andern Ratmannen. Endlich kam man überein, daß man auf beiden Seiten den früheren Zustand, wie er vor Beginn dieser Feindseligkeiten gewesen, wieder herstellen und allen ferneren Rüstungen entsagen wolle. Ob das Rechtens geschehen sei, was geschehen sei, darüber solle kein Teil mit dem andern hadern, sondern dem Herrn Hochmeister die Entscheidung anheim gegeben werden. Die Stadt verpflichtete sich, seinem Spruche zu gehorsamen und ihm jederzeit ihre Tore zu öffnen, wenn er den Streit in Danzig selbst schlichten wolle. Dafür verlangten die Ordensboten eine Sicherheit. Nach manchem Hin und Her verstanden sich die Bürgermeister dazu, am Hauptaltar in der Marienkirche in des Komturs Hand einen Schwur zu leisten, daß sie an keine Hinterlist dächten und diesen Frieden gewissenhaft halten wollten. Dagegen sollte der Komtur sofort die Kette niederlassen und dem Vogt in Dirschau Auftrag geben, die Flußschiffahrt nicht ferner zu belästigen. Darauf ging der Komtur ein, weil das Kapitel es also wollte. In seinem Herzen aber blieb er ergrimmt und dachte nur daran, die Stadt noch tiefer zu demütigen und ihr den Herrn zu zeigen.
Am Palmsonntag fand die verabredete Zusammenkunft in der Marienkirche statt. Die Bürgerschaft war in Feststimmung und wenig geneigt, zu prüfen, was sie dieser Vergleich kostete. Lag es doch vor aller Augen, daß die Kette über den Fluß verschwunden war, die Schiffe aus und ein gingen, die Stadttore offenstanden und der Verkehr mit den Schwesterstädten und dem Schlosse ungehindert blieb. Man freute sich der Hoffnung auf bessere Zeiten und schmückte sich mit Festtagskleidern. Als morgens die Osterglocken läuteten und der Komtur mit großem Gefolge einritt, sammelten sich die Leute auf den Straßen, und es fehlte nicht an freudigen Zurufen. Lächelnd nickte er seinen Gruß nach rechts und links wie ein vornehmer Herr, der eine schuldige Ehrbezeugung in Empfang nimmt. In der Kirche fand er den Rat versammelt. Mit ihm zugleich traten die beiden Bürgermeister vor den Altar. Der Stadtschreiber wollte ein Protokoll verlesen, aber der Komtur wies ihn zurück. Ich weiß, was verabredet ist, sagte er stolz, und habe meinen Teil bereits erfüllt, was mir oblag – in Hoffnung, daß ich fortan auch ohne solchen Zwang willigen Gehorsam bei euch und der Gemeinde finden werde. An euch, ihr Männer, ist es nun, Treue zu geloben und ein friedliches Verhalten zu versprechen. Und sehet euch vor, Gott nicht zu betrügen! Ich rufe ihn an zum Zeugen.
Und ich rufe ihn zum Zeugen, antwortete Letzkau, daß auch Ihr uns fortan gute Freundschaft halten wollet, wie Ihr's versprochen habt durch Eurer Brüder Mund, ohne Arglist und Hinterhalt. Es stünde wahrlich besser um Herrschaft und Untertanen, wenn gutes Vertrauen