Endlich stirbt man selbst;
Doch Eines weiß ich, das immer bleibt:
Das Urtheil über den Todten.
77
Volle Speicher sah ich bei Fettlings Sproßen,
Die heuer am Hungertuch nagen:
Ueberfluß währt einen Augenblick,
Dann flieht er, der falscheste Freund.
78
Der alberne Geck, gewinnt er etwa
Gut oder Gunst der Frauen,
Gleich schwillt ihm der Kamm, doch die Klugheit nicht;
Nur im Hochmuth nimmt er zu.
79
Was wirst du finden, befragst du die Runen,
Die hochheiligen,
Welche Götter schufen, Hohepriester schrieben?
Daß nichts beßer sei als Schweigen.
* *
80
Den Tag lob Abends, die Frau im Tode,
Das Schwert, wenns versucht ist,
Die Braut nach der Hochzeit, eh es bricht das Eis,
Das Ael, wenns getrunken ist.
81
Im Sturm fäll den Baum, stich bei Fahrwind in See,
Mit der Maid spiel im Dunkeln: manch Auge hat der Tag.
Das Schiff ist zum Segeln, der Schild zum Decken gut,
Die Klinge zum Hiebe, zum Küssen das Mädchen.
82
Trink Ael am Feuer, auf Eis lauf Schrittschuh,
Kauf mager das Ross und rostig das Schwert.
Zieh den Hengst daheim, den Hund im Vorwerk.
83
Mädchenreden vertraue kein Mann,
Noch der Weiber Worten.
Auf geschwungnem Rad geschaffen ward ihr Herz,
Trug in der Brust verborgen.
84
Krachendem Bogen, knisternder Flamme,
Schnappendem Wolf, geschwätziger Krähe,
Grunzender Bache, wurzellosem Baum,
Schwellender Meerflut, sprudelndem Keßel;
85
Fliegendem Pfeil, fallender See,
Einnächtgem Eis, geringelter Natter,
Bettreden der Braut, bruchigem Schwert,
Kosendem Bären und Königskinde;
86
Siechem Kalb, gefälligem Knecht,
Wahrsagendem Weib, auf der Walstatt Besiegtem,
Heiterm Himmel, lachendem Herrn,
Hinkendem Köter und Trauerkleidern;
87
Dem Mörder deines Bruders, wie breit wär die Straße,
Halbverbranntem Haus, windschnellem Hengst,
(Bricht ihm ein Bein, so ist er unbrauchbar):
Dem Allen soll Niemand voreilig trauen.
88
Frühbesätem Feld trau nicht zu viel,
Noch altklugem Kind.
Wetter braucht die Saat und Witz das Kind:
Das sind zwei zweiflige Dinge.
89
Die Liebe der Frau, die falschen Sinn hegt,
Gleicht unbeschlagnem Ross auf schlüpfrigem Eis,
Muthwillig, zweijährig, und übel gezähmt;
Oder steuerlosem Schiff auf stürmender Flut,
Der Gemsjagd des Lahmen auf glatter Bergwand.
90
Offen bekenn ich, der beide wohl kenne,
Der Mann ist dem Weibe wandelbar;
Wir reden am Schönsten, wenn wir am Schlechtesten denken:
So wird die Klügste geködert.
91
Schmeichelnd soll reden und Geschenke bieten
Wer des Mädchens Minne will,
Den Liebreiz loben der leuchtenden Jungfrau:
So fängt sie der Freier.
92
Der Liebe verwundern soll sich kein Weiser
An dem andern Mann.
Ost feßelt den Klugen was den Thoren nicht fängt,
Liebreizender Leib.
93
Unklugheit wundre Keinen am Andern,
Denn Viele befällt sie.
Weise zu Tröpfen wandelt auf Erden
Der Minne Macht.
* *
*
94
Das Gemüth weiß allein, das dem Herzen innewohnt
Und seine Neigung verschließt,
Daß ärger Uebel den Edeln nicht quälen mag
Als Liebesleid.
95
Selbst erfuhr ich das, als ich im Schilfe saß
Und meiner Holden harrte.
Herz und Seele war mir die süße Maid;
Gleichwohl erwarb ich sie nicht.
96
Ich fand Billungs Maid auf ihrem Bette,
Weiß wie die Sonne, schlafend.
Aller Fürsten Freude fühlt ich nichtig,
Sollt ich ihrer länger ledig leben.
97
»Am Abend sollst du, Odhin, kommen,
Wenn du die Maid gewinnen willst.
Nicht ziemt es sich, daß mehr als Zwei
Von solcher Sünde wißen.«
98
Ich wandte mich weg Erwiedrung hoffend,
Ob noch der Neigung ungewiss;
Jedennoch dacht ich, ich dürft erringen
Ihre Gunst und Liebesglück.
99
So kehrt ich wieder: da war zum Kampf
Strenge Schutzwehr auferweckt,
Mit brennenden Lichtern, mit lodernden Scheitern
Mir der Weg verwehrt zur Lust
100
Am folgenden Morgen fand ich mich wieder ein,
Da schlief im Saal das Gesind;
Ein Hündlein sah ich statt der herlichen Maid
An das Bett gebunden.
101
Manche schöne Maid, wers merken will,
Ist dem Freier falsch gesinnt.