Sitzt der Schuh nicht, ist krumm der Schaft,
Wünscht man dir alles Uebel.
128
Das rath ich, Loddfafnir, vernimm die Lehre,
Wohl dir, wenn du sie merkst.
Wo Noth du findest, deren nimm dich an;
Doch gieb dem Feind nicht Frieden.
129
Das rath ich, Loddfafnir, vernimm die Lehre,
Wohl dir, wenn du sie merkst.
Dich soll Andrer Unglück nicht freuen;
Ihren Vortheil laß dir gefallen.
130
Das rath ich, Loddfafnir, vernimm die Lehre,
Wohl dir, wenn du sie merkst.
Nicht aufschaun sollst du im Schlachtgetöse:
Ebern ähnlich wurden oft Erdenkinder;
So aber zwingt dich kein Zauber.
131
Willst du ein gutes Weib zu deinem Willen bereden
Und Freude bei ihr finden,
So verheiß ihr Holdes und halt es treulich:
Des Guten wird die Maid nicht müde.
132
Sei vorsichtig, doch seis nicht allzusehr,
Am meisten seis beim Meth
Und bei des Andern Weib; auch wahre dich
Zum dritten vor der Diebe List.
133
Mit Schimpf und Hohn verspotte nicht
Den Fremden noch den Fahrenden.
Selten weiß der zu Hause sitzt
Wie edel ist, der einkehrt.
134
Laster und Tugenden liegen den Menschen
In der Brust beieinander.
Kein Mensch ist so gut, daß nichts ihm mangle,
Noch so böse, daß er zu nichts nützt.
135
Haarlosen Redner verhöhne nicht:
Oft ist gut was der Greis spricht.
Aus welker Haut kommt oft weiser Rath;
Hängt ihm die Hülle gleich,
Schrinden ihn auch Schrammen,
Der unter Wichten wankt.
136
Das rath ich, Loddfafnir, vernimm die Lehre,
Wohl dir, wenn du sie merkst.
Den Wandrer fahr nicht an, noch weis ihm die Thür:
Gieb dem Gehrenden gern.
137
Stark wär der Riegel, der sich rücken sollte
Allen aufzuthun.
Gieb einen Scherf; dieß Geschlecht sonst wünscht
Dir alles Unheil an.
138
Dieß rath ich, Loddfafnir, vernimm die Lehre,
Wohl dir, wenn du sie merkst:
Wo Ael getrunken wird, ruf die Erdkraft an:
Erde trinkt und wird nicht trunken.
Feuer hebt Krankheit, Eiche Verhärtung,
Aehre Vergiftung,
Der Hausgeist häuslichen Hader.
Mond mindert Tobsucht,
Hundbiß heilt Hundshaar,
Rune Beredung;
Die Erde nehme Naß auf.
Odhins Runenlied.
139 (1)
Ich weiß, daß ich hing am windigen Baum
Neun lange Nächte,
Vom Sper verwundet, dem Odhin geweiht,
Mir selber ich selbst,
Am Ast des Baums, dem man nicht ansehn kann
Aus welcher Wurzel er sproß.
140 (2)
Sie boten mir nicht Brot noch Meth;
Da neigt' ich mich nieder
Aus Runen sinnend, lernte sie seufzend:
Endlich fiel ich zur Erde.
141 (3)
Hauptlieder neun lernt ich von dem weisen Sohn
Bölthorns, des Vaters Bestlas,
Und trank einen Trunk des theuern Meths
Aus Odhrörir geschöpft. 57
142 (4)
Zu gedeihen begann ich und begann zu denken,
Wuchs und fühlte mich wohl.
Wort aus dem Wort verlieh mir das Wort,
Werk aus dem Werk verlieh mir das Werk.
143 (5)
Runen wirst du finden und Rathstäbe,
Sehr starke Stäbe,
Sehr mächtige Stäbe.
Erzredner ersann sie, Götter schufen sie,
Sie ritzte der hehrste der Herscher.
144 (6)
Odhin den Asen, den Alfen Dain,
Dwalin den Zwergen,
Alswidr aber den Riesen; einige schnitt ich selbst.
145 (7)
Weist du zu ritzen? weist du zu errathen?
Weist du zu finden? weist zu erforschen?
Weist du zu bitten? weist Opfer zu bieten?
Weist du wie man senden, weist wie man tilgen soll?
146 (8)
Beßer nicht gebetet als zu viel geboten:
Die Gabe will stäts Vergeltung.
Beßer nichts gesendet als zu viel getilgt;
So ritzt' es Thundr zur Richtschnur den Völkern.
Dahin entwich er, von wannen er ausging.
147 (9)
Lieder kenn ich, die kann die Königin nicht
Und keines Menschen Kind.
Hülfe verheißt mir eins, denn helfen mag es
In Streiten und Zwisten und in allen Sorgen.
148 (10)
Ein andres weiß ich, des Alle bedürfen,
Die heilkundig heißen.
149 (11)
Ein drittes weiß ich, des ich bedarf
Meine Feinde zu feßeln.
Die Spitze stumpf ich dem Widersacher;
Mich verwunden nicht Waffen noch Listen.
150 (12)
Ein viertes weiß ich, wenn der Feind mir schlägt
In Bande die Bogen der Glieder,
So bald ich es singe so bin ich ledig,
Von den Füßen fällt mir die Feßel,