Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 1. Augustinus von Hippo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Augustinus von Hippo
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659868
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der sich allen geschlechtlichen Umgangs enthält, der Welt Lebewohl sagt, auf alles Besitztum verzichtet und es an die Armen verteilt, und er ist ein Katechumenus, vielleicht in der Heilslehre mehr als viele andere Gläubige unterrichtet. Für diesen steht zu befürchten, er möchte betreffs der heiligen Taufe, durch welche die Sünden nachgelassen werden, bei sich selbst sagen: Was kann ich noch mehr empfangen? Siehe, ich bin besser als dieser und jener Gläubige, wobei er an Gläubige denkt, die entweder verheiratet sind oder vielleicht unwissend oder noch ihre Güter im Besitz haben, die er selbst schon an die Armen verteilt hat, und sich für besser haltend als den, der bereits getauft ist, dürfte er sich weigern, zur Taufe zu kommen, indem er sagt: Ich soll das empfangen, was dieser und jener schon hat. Und er stellt sich wohl jene vor, die er verachtet, und es erscheint ihm, gleichsam unwürdig, das zu empfangen, was die Geringeren empfangen haben, weil er sich bereits besser vorkommt, und doch sind alle Sünden noch auf ihm, und wenn er nicht zur heilsamen Taufe kommt, wo die Sünden gelöst werden, so kann er trotz all seiner Vorzüge nicht in das Himmelreich eingehen. Aber damit der Herr jenen Hochstehenden zu seiner Taufe einlade, auf daß ihm die Sünden vergeben würden, kam er selbst zur Taufe seines Dieners, und obwohl er selbst nicht hatte, was ihm vergeben werden oder was an ihm abgewaschen werden sollte, so empfing er doch vom Diener die Taufe und redete den übermütigen und stolzen Sohn, der sich vielleicht weigert, mit den Unwissenden das zu empfangen, was ihm das Heil bringen kann, gleichsam mit den Worten an: Wie sehr machst du dich breit? Wie sehr erhebst du dich? Wie groß sind denn deine Vorzüge? Wie groß deine Gnade? Kann sie größer sein als die meinige? Wenn ich nun zum Diener kam, kannst du dich weigern, zum Herrn zu kommen? Wenn ich die Taufe des Dieners empfing, kannst du dich weigern, vom Herrn getauft zu werden?

       14.

      Denn damit ihr wisset, meine Brüder, daß der Herr nicht gezwungen wegen irgend eines Sündenbandes zu Johannes kam, so hat, wie die anderen Evangelisten berichten, als bei ihm der Herr zum Empfang der Taufe erschien, eben dieser Johannes gesagt: „Du kommst zu mir? Ich muß von dir getauft werden“. Und was entgegnete er ihm? „Laß es nur, es soll alle Gerechtigkeit erfüllt werden“117. Was heißt das: „Es soll alle Gerechtigkeit erfüllt werden“? Ich bin gekommen zu sterben für die Menschen, soll ich nicht getauft werden für die Menschen? Was heißt: „Es soll alle Gerechtigkeit erfüllt werden“? Es soll das Maß der Verdemütigung voll werden. Wie also? Sollte der nicht die Taufe empfangen von dem guten Diener, der das Leiden auf sich nahm von den bösen Dienern? Gebet also acht: Nach der Taufe des Herrn sollte wohl, wenn Johannes deshalb taufte, damit in seiner Taufe der Herr seine Demut offenbarte, sonst niemand mehr mit der Taufe des Johannes getauft werden? Viele sind nun aber (vorher) mit der Taufe des Johannes getauft worden; es wurde der Herr mit der Taufe des Johannes getauft, und die Taufe des Johannes hörte auf; gleich darauf wurde Johannes in den Kerker geworfen, und in der Folge ward niemand mehr mit jener Taufe getauft. Wenn also deshalb auch Johannes kam und taufte, damit die Demut des Herrn uns gezeigt würde, auf daß, weil dieser die Taufe vom Diener annahm, wir uns nicht weigern sollten, sie vom Herrn zu empfangen; sollte darum Johannes nur den Herrn taufen? Aber wenn Johannes nur den Herrn getauft hätte, so würde es nicht an solchen fehlen, die da meinen, die Taufe des Johannes sei heiliger gewesen als die Taufe Christi, als ob nämlich nur Christus verdient hätte, mit der Taufe des Johannes getauft zu werden, dagegen mit der Taufe Christi das Menschengeschlecht. Eure Liebe merke auf. Mit der Taufe Christi sind wir getauft worden, und nicht bloß wir, sondern auch der ganze Erdkreis, und es wird so getauft werden bis zum Ende. Wer von uns kann nun nach irgend einer Richtung hin mit Christus verglichen werden, dessen Schuhriemen aufzulösen Johannes sich für unwürdig erklärte? Wenn also Christus, der so erhabene Gottmensch, allein mit der Taufe des Johannes getauft worden wäre, was würden dann wohl die Menschen sagen? „Was für eine Taufe hatte doch Johannes! Eine hervorragende Taufe hatte er, ein unaussprechliches Sakrament; siehe, Christus allein verdiente mit der Taufe des Johannes getauft zu werden.“ Und so würde die Taufe des Dieners größer erscheinen als die Taufe des Herrn. Es sind aber auch andere mit der Taufe des Johannes getauft worden, damit nicht die Taufe des Johannes besser erschiene als die Taufe Christi; getauft wurde aber auch der Herr, damit, da der Herr die Taufe des Dieners empfängt, andere Diener sich nicht weigern sollten, die Taufe des Herrn zu empfangen. Dazu also war Johannes gesandt.

       15.

      Aber kannte er Christus, oder kannte er ihn nicht? Wenn er ihn nicht kannte, warum sprach er, als Christus zum Flusse kam: „Ich muß von dir getauft werden“? d. h., ich weiß, wer du bist. Wenn er ihn also schon kannte, dann lernte er ihn gewiß damals kennen, als er die Taube herabsteigen sah. Es ist zweifellos, daß die Taube auf den Herrn nicht eher herabstieg, als er aus dem Taufwasser emporstieg. Der Herr stieg, nachdem er getauft war, aus dem Wasser, die Himmel taten sich auf, und er sah über ihm die Taube. Wenn also die Taube nach der Taufe herabstieg, und Johannes, noch bevor der Herr getauft wurde, zu diesem sagte: „Du kommst zu mir? Ich muß von dir getauft werden“, so kannte er schon vorher den, zu dem er sagte: „Du kommst zu mir? Ich muß von dir getauft werden“. Wie also konnte er sagen: „Und ich kannte ihn nicht; aber der mich sandte, im Wasser zu taufen, der sprach zu mir: Auf welchen du den Geist herabkommen siehst wie eine Taube und auf ihm bleiben, der ist es, welcher tauft im Heiligen Geiste“? Es ist dies keine kleine Frage, meine Brüder. Wenn ihr die Frage erkannt habt, habt ihr nicht wenig erkannt; es bleibt nur übrig, daß der Herr ihre Lösung gebe. Doch dies sage ich, wenn ihr die Frage erkannt habt, so ist es nicht wenig. Siehe, Johannes der Täufer, am Flusse weilend, steht vor euren Augen; siehe, da kommt der Herr, um getauft zu werden, da er noch nicht getauft ist. Hier die Stimme des Johannes: „Du kommst zu mir. Ich muß von dir getauft werden“. Siehe, er erkennt bereits den Herrn, von dem er getauft werden will. Getauft steigt der Herr aus dem Wasser, die Himmel öffnen sich, der Geist steigt herab, jetzt erkennt ihn Johannes. Wenn er ihn jetzt erkennt, wie konnte er dann vorher sagen: „Ich muß von dir getauft werden“. Wenn er ihn aber nicht (erst) jetzt erkennt, weil er ihn schon kannte, was ist es dann, daß er sagte: „Ich kannte ihn nicht; aber der mich sandte, im Wasser zu taufen, der sprach zu mir: Über welchen du den Geist herabsteigen siehst und auf ihm bleiben wie eine Taube, der ist es, welcher tauft im Heiligen Geiste“.

       16.

      Brüder, wenn diese Frage heute noch gelöst werden soll, so wird es euch ohne Zweifel beschweren, weil schon viel gesagt wurde. Ihr möget aber wissen: diese Frage ist von der Art, daß sie allein schon der Partei des Donatus den Todesstoß gibt. Ich sage dies deshalb eurer Liebe, um euch gespannt zu machen, wie ich es zu tun pflege; zugleich auch, damit ihr für uns und für euch betet, auf daß sowohl uns der Herr verleihe, Würdiges zu reden, als auch ihr Würdiges zu fassen verdienet. Indessen lasset mich heute die Sache verschieben; aber dies will ich vorerst kurz bemerken, bis die Lösung selbst erfolgt: Fraget friedlich, ohne Streit, ohne Hader, ohne Zänkereien, ohne Feindschaft; forschet bei euch selbst und fraget andere, saget: Diese Frage hat uns heute unser Bischof vorgelegt, um sie ein anderes Mal mit der Gnade Gottes zu lösen. Doch mag sie gelöst werden oder nicht, glaubet nur, daß ich etwas vorgelegt habe, was mich bewegt; denn ich bin wirklich sehr bewegt. Johannes sagt: „Ich muß von dir getauft werden“, gleich als kenne er Christus bereits. Denn wenn er den nicht kannte, von dem er getauft werden wollte, dann sagte er ohne Grund : „Ich muß von dir getauft werden“. Er kannte ihn also. Wenn er ihn kannte, was ist es dann, daß er sagt: „Ich kannte ihn nicht; aber der mich sandte, im Wasser zu taufen, der sprach zu mir: Über welchen du den Geist herabsteigen siehst und auf ihm bleiben wie eine Taube, der ist es, welcher tauft im Heiligen Geiste“. Was sollen wir sagen? Daß wir nicht wissen, wann die Taube gekommen sei? Damit sie sich nicht dahinter verstecken118, sind die anderen Evangelisten zu lesen, die das deutlicher dargelegt haben; und wir finden ganz klar, daß die Taube erst dann herabstieg, als der Herr aus dem Wasser emporstieg. Denn über dem Getauften öffneten sich die Himmel und über dem Getauften sah er den Geist herabsteigen119. Wenn er ihn erst nach der Taufe erkannt hat, wie kann er dann zu ihm, als er zur Taufe kam, sagen: „Ich muß von dir getauft werden“? Diese Frage überdenkt indes bei euch, diese erwäget bei euch, diese untersuchet bei euch. Gebe der Herr unser Gott, daß er sie, bevor ihr die Lösung von mir vernehmet, einem von euch vorher offenbare. Doch, Brüder, das sollt ihr wissen, daß