Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 1. Augustinus von Hippo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Augustinus von Hippo
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659868
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Herolds zu sagen: Gehet weg, machet Platz! Nur daß der Herold sagt: Gehet weg, während Johannes sagt: Kommet. Der Herold drängt vom Richter die Leute weg, Johannes ruft sie zum Richter. Oder vielmehr Johannes ruft zu dem Niedrigen, damit der Richter nicht als der Erhabene gefühlt werden muß. „Ich bin die Stimme des Rufenden in der Wüste, bereitet den Weg des Herrn, wie Isaias der Prophet gesagt hat.“ Er sprach nicht: Ich bin Johannes, ich bin Elias, ich bin ein Prophet. Sondern was sagte er? So heiße ich: „Ich bin die Stimme des Rufenden in der Wüste, bereitet dem Herrn den Weg“; ich bin die Weissagung selbst.

       8.

      „Die Abgesandten aber waren Pharisäer“ d. h. Führer der Juden. „Und sie fragten und sprachen zu ihm: Was taufest du also, wenn du nicht Christus bist noch Elias noch ein Prophet?“ Gleichsam eine Verwegenheit erschien es zu taufen; gleichsam fragen wollten sie: In welcher Person (butorität) taufst du? Wir fragen doch, ob du Christus bist; du sagst, du seiest es nicht; wir fragen, ob du vielleicht der Vorläufer desselben bist, da wir wissen, daß vor der Ankunft Christi Elias erscheinen wird; du bestreitest es zu sein; wir fragen, ob du nicht vielleicht ein lange vorher erschienener Herold bist, d. h. ein Prophet und somit diese Gewalt bekommen hast, und du erklärst kein Prophet zu sein. In der Tat, Johannes war kein Prophet, er war mehr als ein Prophet. Der Herr gab ihm das Zeugnis: „Was seid ihr hinausgegangen in die Wüste zu sehen? Ein Rohr, das vom Winde hin- und hergetrieben wird?“ Gewiß, er ist kein Rohr, das vom Winde hin- und hergetrieben wird ― so mußt du in Gedanken ergänzen ―, weil Johannes nicht von der Art war, daß er vom Winde bewegt wurde; denn wer vom Winde bewegt wird, wird von jedem Geiste der Verführung umweht. „Aber was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Einen Menschen in weichlichen Kleidern?“ Denn Johannes trug rauhe Kleider, nämlich ein Gewand aus Kamelhaaren. „Siehe, die weichlich gekleidet sind, sind in den Häusern der Könige.“ Ihr seid also nicht hinausgegangen, einen Menschen in weichlichen Kleidern zu sehen. „Aber was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Einen Propheten? Ja ich sage euch, dieser ist mehr als ein Prophet“108, weil die Propheten lange vorher ihre Weissagungen gemacht haben, Johannes aber auf den Gegenwärtigen hinzeigte.

       9.

      „Was taufst du also, wenn du nicht Christus bist noch Elias noch ein Prophet? Johannes antwortete ihnen und sagte: Ich taufe im Wasser, mitten unter euch aber steht derjenige, den ihr nicht kennt.“ Denn niedrig wie er war, wurde er nicht gesehen, und deshalb wurde eine Leuchte angezündet. Sehet, wie er Platz macht, er, der für etwas anderes gehalten werden könnte. „Er, der nach mir kommt, ist mir vorausgegangen“, d. h., wie wir schon erklärten109, er ist mir vorgesetzt worden. „Dessen Schuhriemen aufzulösen ich nicht würdig bin.“ Wie hat er sich erniedrigt! Und deshalb ist er erhöht worden; denn wer sich erniedrigt, wird erhöht werden110. Daraus soll eure Heiligkeit ersehen: Wenn Johannes sich so sehr erniedrigt hat, daß er sagte: „Ich bin nicht würdig, den Riemen aufzulösen“, wie sollten sich dann jene erniedrigen, die sagen111: Wir taufen; was wir geben ist unser, und was unser ist, ist heilig. Jener sagt: Nicht ich, sondern er; diese sagen: Wir. Johannes ist nicht würdig, den Schuhriemen aufzulösen. Wenn er sich dessen für würdig erklären würde, wie demütig wäre er schon deshalb? Und wenn er sich für würdig halten und so sagen würde: Jener kommt nach mir, der mir vorangegangen ist, dem ich nur die Schuhriemen aufzulösen würdig bin, so hätte er sich sehr verdemütigt. Da er sich aber nicht einmal dazu für würdig erklärt, so war er gewiß voll des Heiligen Geistes, indem er so als Diener den Herrn anerkannte und aus einem Diener ein Freund zu werden verdiente.

       10.

      „Dies geschah zu Bethania, jenseits des Jordan, wo Johannes taufte. Des andern Tags sah Johannes Jesus zu sich kommen und sprach: Siehe das Lamm Gottes, siehe, das da hinwegnimmt die Sünden der Welt.“ Niemand maße sich an und sage, daß* er* die Sünde der Welt hinwegnehme. Habet acht, gegen welche stolzen Menschen Johannes den Finger erhob. Noch waren die Häretiker nicht geboren und schon wurde auf sie hingewiesen; gegen jene rief er damals vom Flusse aus, gegen die er jetzt vom Evangelium aus ruft. Es kam Jesus, und was sagt jener? „Siehe das Lamm Gottes.“ Wenn der Unschuldige ein Lamm ist, dann wäre auch Johannes ein Lamm. Aber wer ist unschuldig? In wieweit unschuldig? Alle kommen aus jenem Stamme und aus jener Geschlechtsfolge, von der David seufzend klagt: „Siehe, in Ungerechtigkeit bin ich empfangen, und in Sünden hat mich meine Mutter genährt“112. Ein Lamm also ist jener allein, der nicht* so* in die Welt eintrat. Denn er ist nicht in Ungerechtigkeit empfangen, weil er nicht von der sterblichen Natur des Menschen empfangen wurde, noch auch hat den in Sünden seine Mutter im Schoße genährt, den die Jungfrau empfing, die Jungfrau gebar, sie hat ihn im Glauben empfangen und im Glauben aufgenommen. Also „siehe das Lamm Gottes“. Er hat nicht die Abstammung von Adam, nur das Fleisch nahm er von Adam, die Sünde nahm er nicht an. Der nicht aus unserer Masse sie Sünde annahm, der ist es, welcher unsere Sünde hinwegnimmt. „Siehe, das Lamm Gottes, siehe, das da hinwegnimmt die Sünde der Welt.“

       11.

      Ihr wißt, daß gewisse Leute bisweilen sagen: Wir nehmen den Menschen die Sünden ab, die wir heilig sind. Denn wenn der, welcher tauft, nicht heilig ist, wie kann er dann die Sünde des andern tilgen, da er doch selbst voll der Sünde ist? Gegen solche Reden wollen wir* unsere* Worte nicht richten, diesen wollen wir uns auswählen: „Siehe das Lamm Gottes, siehe, das da hinwegnimmt die Sünde der Welt“. Nicht auf Menschen sollen Menschen vertrauen, nicht zu den Bergen soll der Sperling seine Zuflucht nehmen, auf den Herrn setze er sein Vertrauen113; und wenn er die Augen zu den Bergen erhebt, von wo die Hilfe ihm kommen wird, so erkenne er, daß seine Hilfe vom Herrn kommt, der Himmel und Erde gemacht hat114. Von so großer Würde war Johannes, daß er gefragt wird: Bist du Christus? Er antwortet: Nein. Bist du Elias? Er antwortet: Nein. Bist du ein Prophet? Er antwortet: Nein. Warum also taufst du? „Siehe das Lamm Gottes, siehe, das da hinwegnimmt die Sünde der Welt; dieser ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der mir vorangegangen ist, weil er vor mir war.“ „Nach mir kommt er“, weil er später geboren ist; „vorangegangen ist er mir“, weil er mir vorgezogen worden ist; „vor mir war er, weil im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“.

       12.

      „Und ich kannte ihn nicht“, sagte er, „aber damit er Israel kund würde, deshalb bin ich gekommen, taufend im Wasser. Und Johannes zeugte und sprach: Ich sah den Geist vom Himmel herabkommen wie eine Taube und auf ihm bleiben; und ich kannte ihn nicht; aber der mich sandte, im Wasser zu taufen, der sprach zu mir: Auf welchen du den Geist herabkommen siehst und auf ihm bleiben, dieser ist es, welcher im Heiligen Geiste tauft; und ich sah es und gab Zeugnis, daß dieser ist der Sohn Gottes“115. Gebe eure Liebe ein wenig acht: Wann hat Johannes Christus kennen gelernt? Er wurde nämlich gesandt, um im Wasser zu taufen. Es ist gefragt worden: Warum? „Damit er Israel kund würde“, sagte er. Was hat die Taufe des Johannes genützt? Meine Brüder, wenn sie etwas genützt hat, so würde sie jetzt noch fortbestehen und die Menschen mit der Taufe des Johannes getauft werden und so zur Taufe Christi kommen. Aber was sagt er? „Damit er Israel kund würde“, d. h. damit gerade Israel, dem Volke Israel Christus kund würde, kam er zu taufen im Wasser. Es empfing Johannes das Amt der Taufe, um im Wasser der Buße dem Herrn den Weg zu bereiten, da er nicht selbst der Herr war; allein nachdem der Herr erkannt war, war er überflüssig, ihm den Weg zu bereiten, weil er für die ihn Erkennenden selbst der Weg wurde; daher dauerte die Taufe des Johannes nicht lange. Aber wie wurde der Herr gezeigt? Als niedrig, so daß deshalb Johannes die Taufe116 empfing, damit in ihr der Herr selbst getauft würde.

       13.

      Und hatte der Herr nötig, getauft zu werden? Ich antworte schnell auch mit einer Frage: Hatte der Herr nötig, geboren zu werden? Hatte der Herr nötig, gekreuzigt zu werden? Hatte der Herr nötig, zu sterben? Hatte der Herr nötig, begraben zu werden? Wenn er also eine so große Erniedrigung für uns auf sich nahm, sollte er die Taufe nicht auf sich nehmen? Und was nützte es, daß er die Taufe des Dieners empfing? Daß du dich nicht weigertest,