Wood dachte sich in Rage.
Allmählich wuchs ihm die Sache über den Kopf. Zu viel für einen einzelnen Agenten der DEA, der eigentlich in Rom auf den Vatikan aufpassen soll und darauf, dass der Rauschgifthandel in Europa unter Kontrolle bleibt und sich keine Mafiagruppen in den lukrativen Handel einschleusen, die die DEA nicht kontrolliert.
Doch am wichtigsten blieben seine Kontakte nach New York. Zu Weisenfeld und den anderen Großdruiden.
Als Jojowa nur wenige Stunden nach dem Treffen mit Jutta wieder am Hochsicherheitsweingut IN VINO VERITAS ankam, müde, ausgelaugt, grüßte auch ihn der Wachposten am Haupteingang freundlich.
Was ist geschehen, dass die mich plötzlich akzeptieren. Ich bin doch ein Eindringling, ein Fremder. Jetzt begrüßt der mich freundlich und wedelt mit der MP. Jojowa, du musst höllisch aufpassen ...
Zu spät.
Kaum war er auf dem Gelände, wurde der Knautschkopf von drei weiteren schwer bewaffneten Uniformierten umzingelt. Sie legten ihm Handschellen an und brachten ihn zum Haus des Verwalters.
»Raus mit der Sprache, Mr. Jojowa Bakate, ehemaliger Chief-Lieutenant der SAP, was wollen Sie hier?! Sie waren der Leiter von Desk D, der Abteilung, die die Doppelagenten Südafrikas betreute. Ausgebildet bei meinem ehemaligen Verein. Ich dachte es mir doch. Sie waren nie sauber, sie sind es nicht und wenn Sie jemals noch unsere Festung verlassen sollten, dann sicher nur in einem Blechsarg!«
Sam Gilmore war richtig sauer. Dass ausgerechnet er auf den kleinen Mann reingefallen war! Der hatte ihn fies ausgetrickst. Das war dem ehemaligen Oberst des GCHQ seit seiner Abdankung nicht passiert und im Dienst schon gar nicht.
»Ich kann Ihnen sagen, Sam, was ich hier wollte. Aber Sie werden es mir ohnehin nicht glauben. Also lassen wir das.«
»Reden Sie, Mann, sonst werfe ich Sie sofort den Hunden vor. Die sind immer hungrig!«
Sam Gilmore musste davon ausgehen, dass ‚die‘ den kleinen hässlichen Ex-Agenten eingeschleust hatten. Die erste große Angriffswelle hatten sie noch abwehren können. Seitdem hatte man fieberhaft aufgerüstet. Den Zaun verbessert, über 100 neue Kameras angebracht, zwei Dutzend Drohnen kontrollierten das Gut. Sie hatten rund einhundert gut bezahlte Söldner eingestellt, die IN VINO VERITAS bewachten.
»Lassen wir die Spielchen, Sam! Sie wollten doch gestern noch, dass ich Sie so anrede, nicht wahr?«
Jojowa gewann wieder die Oberhand, denn er war sich sicher, dass der Verwalter nichts gegen ihn vorbringen konnte. Übrigens hatte er heute früh, bevor er nach Jonkershoek aufbrach, auf die Schnelle einen alten Kumpel aufgesucht, der noch immer bei der SAPS (South African Police Service) tätig war und dem gesagt, was er zu tun habe, falls er sich bis morgen Abend 22:00 nicht wieder bei ihm melden würde.
»Also, was machen Sie hier?«, insistierte Gilmore.
»Ich weiß nicht, weshalb Sie um das nicht gerade kleine Weingut Zäune ziehen, die nicht nur jedem normalen Dieb trotzen, sondern einem professionellen Angriff. Zumindest der ersten Welle. Weshalb Sie zusätzliche Kameras installiert haben, Drohnen das Objekt bewachen und bewaffnete Posten patrouillieren, die mit modernsten Waffen ausgerüstet sind. So wertvoll kann keine Weintraube sein. Erzählen Sie mir keinen Mist. Ich bin von Ihren Leuten ausgebildet worden. Die Ausbildung war gut, sehr gut sogar!«
Sam Gilmore saß seinem Ex-Kollegen gegenüber und schwieg. Was sollte er auch sagen? Ihre Feinde würden nicht einen abgehalfterten, alten Ex-Geheimdienstler einsetzen. Es sei denn, um eben als Küchenschabe auszuspionieren, was es alles auf de Morreros Weingut sonst noch zu essen gibt.
Jojowa bemerkte Sam Gilmores für Sekundenbruchteile aufblitzende Unsicherheit. Er war ja selbst ein alter Fuchs und versuchte es mit der Wahrheit:
»Ich bin von einer Klientin beauftragt worden ihren Liebhaber zu finden. Eine reine Lovestory also. Nicht mehr und nicht weniger. Es fing ganz harmlos an mit einer Skizze. Ein junger Typ wurde gesucht. Die wurde in der Szene, downtown, rumgereicht. Wir wurden fündig. Ein Mitglied der Band sagte nichts. Das ist die Wahrheit. Aber seine Augen verrieten ihn. Der arme Kerl kann nichts dafür, dass er den von mir Gesuchten verriet. Er ist Musiker und kein ausgebildeter G-Man. Um die Story abzukürzen: Gestern brachte ich der Rockband Essen. Im Auftrag Ihres Küchenchefs. Der, den ich im Auftrag der Lady suchte, saß am Schlagzeug. Definitiv.«
Schweigen auf beiden Seiten.
»Nun fangen Sie was damit an oder auch nicht. Das ist mir egal. Ich kann Ihnen nur sagen, und das ist ernst gemeint, wenn ich mich bis morgen Abend um 22:00 bei meinem Kontaktmann in Kapstadt nicht gemeldet habe, können Sie Ihren Saftladen hier dichtmachen. Darauf mein britisch-afrikanisches Agenten-Ehrenwort. Was das wert ist, können Sie am besten einschätzen. Der Laden hier wird ausgeräuchert, so schnell können Sie gar nicht bis zehn zählen!«
In der grauen Zentrale des alten Mannes sprühten nur so die Funken; Synapsen waren in Bewegung und verknüpften sich neu.
Gilmore sagte noch immer nichts. Was der Alte sagte, klang plausibel. Aber ist es nicht immer so, dass Agenten gute Legenden und Storys parat haben, wenn sie mal gefasst werden sollten? Er musste diesen Jojowa Bakate überwachen und härter anfassen. Zu viel stand auf dem Spiel. Der Angriff auf das Weingut seines Schwagers, um an Stella und Co. zu kommen, war zu massiv und zu exakt militärisch geführt worden, als dass er sich einen Fehler erlauben konnte.
Ich muss dringend Alberto, Franco, Jonathan Burger und Winnfried von Löske zu Rate ziehen. Wir sind schließlich keine Mörder. Aber wenn der Eindringling zu denen gehört, die meine Familie, unsere Freunde und Gäste töten wollen, dann muss der Mann aus dem Weg geräumt werden. Ich kann den nirgends mehr hingehen lassen.
»Nehmt ihn mit. Nach unten. Und: nicht eine Sekunde aus den Augen lassen. Erneute Leibesvisitation, gründlich bitte. Gebt ihm Wasser und etwas zu essen und legt ihm zusätzlich die Fußfesseln an. Gebt ihm Küchenklamotten. Darin fühlt er sich wohl. Seine Sachen legt in mein Büro«, wies Gilmore die Uniformierten an. Seine Leute. Er war sich zu 200 Prozent sicher, dass er ihnen vertrauen konnte.
Sam Gilmore verließ den Raum, ging direkt ins Haupthaus zu Alberto de Morrero.
»Bitte, rufe sofort Franco, Winnfried und Jonathan zusammen. Wir müssen reden.«
VI
Jutta und Masimba warteten auf Jojowa. Er kam nicht zum verabredeten Zeitpunkt in die kleine Bar, in der Masimba arbeitete.
»Chef, Jojowa ist doch immer zuverlässig, oder? Er hat vorgestern den zweiten Teil seines Honorars von Jutta erhalten und ist seitdem verschwunden. Das ist mir nicht geheuer ...«
»Stimmt. Jojowa ist der zuverlässigste Mann, den ich in Kapstadt kenne. Ich habe noch eine andere Nummer von ihm und werde ihn gleich mal anrufen«, sagte der Barbesitzer, ein freundlicher Engländer, den es vor vielen Jahren nach Kapstadt verschlagen hatte, als sich seine damalige Frau von ihm trennte und er einfach nur Abstand gewinnen wollte.
Masimba hielt die Hand Juttas. In einer Mischung aus Annäherung an die schöne Deutsche und Mitgefühl. Er konnte beobachten, wie sie von Stunde zu Stunde unruhiger wurde.
Er wusste so gut wie gar nichts über die Malerin.
»Jutta. Bitte rede mit mir. Dich bedrückt doch sehr viel mehr. Es ist nicht nur die Suche nach deinem Freund, oder?«
Der