»Ach Jungs, ich suche einen Job. Und da ich gerade sah, dass hier Wein verladen wurde, habe ich gedacht, ich kann mal anfragen. Meine Frau ist seit Jahren schwer krank, sie hat Drüsenkrebs und ich kriege doch nirgends mehr einen Job. Außer vielleicht hier auf dem Weingut. Ich kann alles machen, einfach alles!«, bettelte Jojowa die Uniformierten an.
Er hatte Glück. Der Anführer der Aufpasser war gnädig mit ihm.
»Na gut. Lass dein rostiges Teil hier stehen und komm mal mit. Vielleicht lässt sich was für dich machen.«
Er fasste den kleinen runzligen Graukopf hart am Arm und brachte ihn in das Gebäude, in dem die Verwaltung zu sein schien.
»Chef, der braucht ‘nen Job. Seine Frau ist krank. Haben wir was für den?«, fragte der Muskelprotz einen Weißen, den der clevere Detektiv sofort als ehemaligen Geheimdienstler identifizierte. Diese Typen waren ihm geläufig. Hatte er doch selbst mal bei einem solchen Verein für die Briten gearbeitet.
Sam Gilmore musterte ihn genauso, wie auch Jojowa das von seinen Ausbildern beim britischen GCHQ vor vielen, vielen Jahren gelernt hatte ...
»Wer sind Sie, wie kommen Sie auf das Gelände und was wollen Sie von uns?!«
»Das Tor war offen. Ich bin mit meinem Roller reingefahren. Meine Frau ist schwer krank und ich dachte, ich kann hier einen Job finden. Und wenn es nur für ein paar Stunden täglich ist.«
Sam Gilmore überlegte.
»Was können Sie denn, Mann?«
»Ich habe schon so gut wie alles in meinem Leben gemacht. Egal. Ich bin nicht wählerisch und wenn ich ein paar Rand dazuverdienen kann ...«
»Okay. Können Sie gleich hierbleiben?«
»Natürlich, Chef! Sie wissen gar nicht, wie dankbar ich Ihnen bin!«
»Weinfässer können Sie nicht schleppen, aber wie wäre es in der Küche? Wir haben Gäste und könnten da Hilfe gebrauchen, einverstanden?«
»Natürlich, Chef! Danke, danke!«
»Sagen Sie Sam zu mir.«
»Ich bin Jojowa. Nochmals danke!«
»Lassen Sie den Roller hier stehen. Ich nehme Sie mit zum Haupthaus. Sie werden gecheckt, Meister. Haben Sie Papiere bei sich?«
»Aber natürlich, Chef, eh, Sam!«
»Und noch was: Über das, was Sie hier sehen und hören, kein Wort zu niemandem. Dafür werden Sie auch gut bezahlt werden. Hier probt ein Star inkognito! Ist das klar?«
»Ich habe nur meine kranke Frau, Sie können sich darauf verlassen, Sam!«
Geschafft.
Nach einer Leibesvisitation, neuen (Küchen)-Klamotten, die man ihm gab, dem Einbehalt seiner Papiere, die Sam Gilmore sofort über einen Bekannten im Polizeipräsidium von Stellenbosch prüfen ließ, geleitete ihn der Verwalter des Gutes in die Küche zu seinen neuen Kollegen.
Gemüse vorbereiten, abwaschen, schälen, Botengänge innerhalb des riesigen Hauses. Arbeit ohne Ende aber gutes Essen, das auf jeden Fall. Der Koch und seine drei Frauen, die ihm beim Zubereiten halfen, waren sehr freundlich zu Jojowa.
»Bring das mal gleich in die Halle. Die brauchen immer Snacks ohne Ende«, wurde Jojowa angewiesen und schon hatte er ein riesiges Tablett mit leckerem Fingerfood auf den Händen.
»Wohin? Wenn du mir das auch noch sagst ...?«
»Nach rechts, wenn du rauskommst. Dann siehst du schon die blaue Halle. Da probt die Band. Das ist für die Musiker.«
Jojowa schleppte das Tablett mit Freuden die rund zweihundert Meter zu der Halle. Erst als er direkt davorstand, hörte er leise Musik.
Das ist es also. Hier probt irgendein Superstar ganz im Geheimen für eine Tournee. Das muss es sein. Perfekt schallisoliert. Deshalb der Aufwand. Ist doch wohl aber übertrieben, selbst wenn Michael Jackson wieder auferstanden wäre, oder?, ging es ihm durch den Kopf, als er versuchte, mit dem Tablett in der Hand durch die Schallschleusen zu kommen.
Drei Türen.
Geschafft. Höllenlärm.
Schlimmer noch als in dem Club letzte Nacht. Eine riesige Band bei der Probe. Die Musik war nicht sein Ding. Aber Job ist Job. Er brachte die Snacks direkt zur Bühne. Fotografierte alle mit den Augen. Zane erkannte er als Einzigen. Nur zwei Weiße in der Band. Einer von denen muss es sein. Der Keyboarder unterbrach:
»Franco, können wir ab Takt 16 noch mal anfangen. Da ist bei den Bläsern was schief. Ich glaube, es ging von der Posaune aus.«
Auftrag erfüllt, Lady. Ich habe ihn! Franco. Sommersprossiger Krauskopf. Quirlig, klein und mit Augen, die man nicht vergisst. Der Drummer der Band. Ich habe ihn! Glück. Masimba, du hast Glück! Der Gitarrist hat dich in seiner Arroganz letzte Nacht im Club übersehen.
Jojowa stellte das Tablett auf die Bühnenkante.
»Guten Appetit, Jungs!«
Und schon war er wieder verschwunden. Der kleine alte Mann mit den Hasenzähnen und der eigenwilligen Perücke ...
Sein Arbeitstag war noch lang. Die Bewohner des Weinguts waren gefräßig. Tausend Wünsche mussten erfüllt werden. Und so viele Kinder dort ... Es war bereits stockdunkel, als er mit seinem Roller endlich ziemlich müde auf dem Heimweg durch die Berge nach Kapstadt fuhr.
Sam war sich in diesem Moment bewusstgeworden, dass er einen Riesenfehler gemacht hatte. Er stellte einfach einen wildfremden alten Mann ein! Der hatte ihn an seinen verstorbenen Vater erinnert. Gilmore, du bist zu einem unaufmerksamen Weichei mutiert! Solch Fehler darf dir nie wieder unterlaufen ...!
Weisenfeld wurde abwechselnd blass und dann wieder hochrot. So rot wie das Schild, dass der einstige Kaufmann in Frankfurt vor seiner Wechselstube hatte, um sein Geschäft anzupreisen. Gerade hatte er die Nachricht von Jutta Spengler, der ekligen, attraktiven deutschen Nutte, die er auf Franco Mignello angesetzt hatte, abgehört. Dass sie ihn so hintergeht, damit hätte Weisenfeld nicht gerechnet. Er war der festen Überzeugung gewesen, dass die Gehirnwäsche ausreichend gewesen wäre. Sie hatte in den letzten Jahren immer bestens funktioniert. Nicht einer der auf diese Weise behandelten und umgedrehten, ihm hörigen Personen, hatte sich jemals noch widersetzt. Er griff, völlig außer sich, zum Hörer.
»Sie ist in Kapstadt. Finden, beobachten und auslöschen, nachdem sie Sie zu Mignello geführt hat. Alle beide auslöschen! Sie weiß, wo er sich aufhält. Der Auftrag hat Vorrang.
Vor allem!
Haben Sie mich verstanden? Stellen Sie sich, wenn nötig, eine Armee zusammen! Ich erwarte in exakt achtundvierzig Stunden Meldung über den Vollzug des Auftrages!«
Wutentbrannt legte Weisenfeld auf. Vom eleganten Büro seiner Kanzlei, das er von seinem ehemaligen und von ihm entsorgten Partner Delgado übernommen hatte, schaute er direkt auf das Waldorf Astoria. Dort spiegelte sich gerade die Sonne wider, die ihn blendete. Er verfluchte die Sonne, das Waldorf Astoria, alles!
Die Vernichtung in Indien lief prächtig an. Warum versagte er im Detail? Ja, es war eine Privatfehde. Aber es war auch mehr als das. Der Italiener. Eine Gefahr. Nicht zu unterschätzen. Bisher hatte der sich geschickt zur Wehr gesetzt, hatte ihn, den großen Weisenfeld, mehrfach ausgetrickst, daran gehindert, die Henderson zu pulverisieren.
Jetzt diese Spengler.
Wie konnte sich eine Schlampe, eine deutsche Arierhure, seinen Befehlen dermaßen widersetzen? Es war ein Spiel. Sein perverses Spiel. Es ist immer eine persönliche Sache. Und es geht um Macht und Sexualität.
Immer geht es nur darum.
Weisenfeld war besessen von Macht. Deshalb verging er sich auch an Kindern und Babys. Macht. Armselige Macht. Jetzt brauchte Weisenfeld wieder Material. Er