Rivalinnen - Schweden-Krimi. Åsa Nilsonne. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Åsa Nilsonne
Издательство: Bookwire
Серия: Ein Fall für Monika Pedersen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788726445114
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      Gleich links lag eine Wayne’s Bakery, wo es caffè latte und Möhrentorte gab. Rechts befand sich eine traditionellere Variante, eine Kaffeestube mit Weihnachtsdekoration im Fenster, wo Kaffee und Zimtbrötchen oder Bratwurst mit Makkaroni serviert wurden. Monika spürte, wie sie hier im wahrsten Sinne des Wortes zwischen dem Alten und dem Neuen stand, und fragte sich, ob es illoyal war, Wayne’s mit dem Duft von Kaffee und Croissants dem von Tabakrauch und Essensgerüchen erfüllten anderen Lokal vorzuziehen.

      Die Restaurants zogen ihre Aufmerksamkeit auf sich, ebenso wie das Schloss, alles schien plötzlich viel wichtiger als der Gedanke an die Arbeit. Sie fragte sich besorgt, wie sie diesen Tag überstehen sollte ‒ sie spürte, dass sie einfach nicht an das denken wollte, woran sie denken musste. Für den Moment löste Idriss das Problem für sie, indem er hustete, die Sorte Husten, mit der man sein Glück versucht, wenn man vorher vergeblich an eine Tür geklopft hat.

      »173, stimmt das?«

      Monika nickte und riss sich zusammen. Immerhin schien Idriss Taktgefühl zu haben. Einar Jakobeus, der Lottie gefunden hatte, wohnte im ersten Haus auf der rechten Seite. Auch dieses Haus war gut in Schuss, die Fassade war frisch renoviert und die Diele in Marmor gehalten.

      Einar wohnte im fünften Stock und öffnete gleich nach dem ersten Klingeln. Er war ein kleiner Mann von vielleicht vierzig, der dennoch schon alt aussah; ein unauffälliger Mann, der offenbar auf seinen Platz im Leben gestellt und dann vergessen worden war, dachte Monika.

      Sie betraten eine enge Diele, deren Möbel ebenso müde und resigniert aussahen wie ihr Besitzer, die dann aber plötzlich von einem gefleckten Hundebaby aufgemuntert wurde, das zielstrebig angewackelt kam und die Fußmatte beschnupperte. Einar machte ein stolzes Gesicht.

      »Das ist Klara, sie ist zehn Wochen alt, und ich habe sie seit zehn Tagen. Mein erster Hund.«

      Er bückte sich ein wenig ungeschickt, um Klara zu streicheln, worauf sie ihn in die Hand biss. Mit leicht enttäuschter Miene richtete er sich wieder auf.

      »Wir müssen einander noch richtig kennen lernen. Kommen Sie herein!«

      Aus der kleinen Diele gelangten sie in ein Wohnzimmer, das ebenso trist möbliert war, jedoch einen prachtvollen Blick auf den Kanal und auf das Schloss bot, das in dem kalten, sonnigen Tag funkelte wie ein Palast aus Eis und Schnee.

      Monika stellte zuerst sich und dann Idriss vor. Einar nickte zerstreut, während er zu verhindern versuchte, dass Klara ein Sofabein annagte, das schon von schmalen spitzen Bissspuren übersät war. Dass Idriss ein etwas ungewöhnlicher Polizist war, schien ihn nicht weiter zu irritieren.

      Am Ende machte Klara sich über einen der vielen Plastikknochen her, die überall auf dem Boden herumlagen, und Einar widmete sich seinen Gästen.

      »Nehmen Sie Platz.«

      Er hatte auf dem schmutzigen Couchtisch bereits staubige Kaffeetassen und eine Thermoskanne bereitgestellt. Die meisten Menschen, die Monika zu Hause aufsuchte, boten etwas an, Kaffee zumeist, und sie lehnte fast nie ab. Sie wusste, wie viel leichter es ist, ungewohnte Situationen mit einer Kaffeetasse in der Hand zu überstehen, wie beruhigend es auf die Leute wirkte, im eigenen Heim als Gastgeber oder Gastgeberin auftreten zu können, auch dann, wenn die Gäste ungebeten auftauchen.

      Einar öffnete die Thermoskanne und Monika hielt ihm ihre Tasse hin. Sie war schon längst zu dem Schluss gekommen, dass Kaffee Bakterien tötet ‒ sie hatte schon aus so vielen schlecht gespülten Tassen getrunken, war aber niemals krank geworden.

      Idriss ließ sich in einen weichen Sessel sinken, der eine Staubwolke abgab, als er sich setzte. Klara fand das interessant, lief zu ihm und ließ sich zu seinen Füßen auf den Rücken fallen. Monika hatte fast damit gerechnet, dass er Angst vor Hunden hätte, doch er streichelte mit seinen Fingerknöcheln Klaras weichen runden Bauch. Klara schaute eine Weile forschend zu ihm hoch, dann schlug sie plötzlich ihre nadelspitzen Zähnchen in seine Hand. Idriss zog die Hand nicht zurück, sondern beugte sich über sie, runzelte drohend die Stirn und knurrte mit tiefer Stimme:

      »Noooo. Bad Dog, off.«

      Klara ließ sofort seine Hand los und kehrte ihm wieder den Bauch zu.

      Einar schien beeindruckt zu sein.

      »Wie haben Sie das gemacht? Was haben Sie zu ihr gesagt?«

      Idriss lachte zum ersten Mal an diesem Tag.

      »Was man sagt, spielt keine Rolle, es kommt darauf an, wie man es sagt. Man muss sich böse anhören, das verstehen alle Hunde.«

      Einar schien von dieser Lösung nicht gerade angetan.

      »Ich will aber nicht böse auf sie sein, sie ist doch noch so klein. Trotzdem achtet sie überhaupt nicht darauf, was ich ihr sage.«

      »Sie sollen sich böse anhören«, sagte Idriss freundlich, »nicht böse sein.«

      Einar dachte eine Weile darüber nach, dann nickte er nachdenklich. Auf diesen Gedanken schien er noch nicht gekommen zu sein.

      Monika ärgerte sich schon wieder. Sie waren nicht hier, um Einar gute Ratschläge über Hundeerziehung zu erteilen, sondern um sich ein Bild von den nächtlichen Ereignissen zu machen. Andererseits aber schärfte sie jungen Kollegen immer wieder ein, wie wichtig es war, einen guten Kontakt zu den Zeugen zu bekommen, ehe man sie befragte, und Idriss war das zweifelsohne gelungen. Das überraschte sie. Und es ärgerte sie, dass es sie überraschte.

      Was für ein Elend!

      Sie übernahm wieder das Kommando.

      »Also, Herr Jakobeus, Sie sind ein wichtiger Zeuge für uns, und wir möchten Sie bitten, uns genau zu erzählen, was heute Morgen passiert ist.«

      Einar setzte sich ein wenig auf, als mache die Aufmerksamkeit der beiden Gäste ihn in seinen eigenen Augen ein wenig größer.

      »Klara hat mich gegen fünf geweckt, sie musste raus, und deshalb habe ich mir einen Trainingsanzug über meinen Schlafanzug gezogen.« Er sprach jetzt mit einer Stimme, die er wohl für diese Gelegenheit als angemessen erachtete, die ihn jedoch wie eine Parodie auf einen Nachrichtensprecher klingen ließ. »Ich wusste nicht, dass es so kalt geworden war, wir bekamen beide fast einen Schock, als wir nach draußen kamen, den ersten, aber nicht den letzten. Es war natürlich noch dunkel, aber die Straßenlaternen hier sind jetzt wirklich ziemlich hell. Ich gehe immer mit ihr auf den Hof hinter der Nummer 175, die Nachbarn wollen nicht, dass Hunde das auf unserem Hof machen, der andere gilt irgendwie eher wie ein Ort für die Allgemeinheit.«

      Er legte eine besorgte Pause ein, so als fürchte er Monikas und Idriss’ Kommentar zu der Frage, wo sein Hund nachts pissen durfte.

      »Ich habe sie ‒ Klara, meine ich ‒ um die Ecke auf den Hof getragen. Sie war verwirrt von der Kälte, glaube ich, und stand einfach nur zitternd neben mir. Sie hat ja noch kein dickes Fell, das muss doch so sein, als wäre sie nackt unterwegs.«

      Noch eine Pause. Monika zählte in Gedanken bis zehn, ihr war klar, dass Einar aller Wahrscheinlichkeit zu der Sorte Zeugen gehörte, die in ihrem eigenen Tempo erzählen mussten, und dass alles noch viel länger dauern würde, wenn sie ihn bedrängte. Zugleich war sie zu müde und genervt, um seine Umständlichkeit ertragen zu können. Er sollte so schnell wie möglich alles erzählen, doch das tat er nicht. Sie war bis sieben gekommen, als er weitersprach:

      »Dann bin ich ein Stück weitergegangen, die Treppe hinauf, und da lag sie dann.«

      »Würden Sie uns bitte genau beschreiben, was Sie gesehen haben?«

      »Ich habe nur mitten auf der oberen Treppe etwas Dunkles gesehen. Zuerst wusste ich nicht, was es sein könnte, aber dann habe ich gesehen, dass es ein Mensch war, der mit den Füßen nach oben lag, so als sei er vornüber gekippt.«

      Er erschauderte ein wenig theatralisch und zugleich ein wenig wollüstig und verstummte.

      Monika hielt es nicht mehr aus und versuchte, das Tempo zu steigern.

      »Und was haben Sie dann gemacht?«

      Er