Er verzog keine Miene. „Ich habe gefragt, wo die Toilette ist.“
„Was? Das ist doch gelogen.“
„Nein, wirklich. Toire bedeutet Toilette.“
Ich verpasste ihm einen leichten Klaps auf den Arm. „Du Arschloch!“
Jun lachte leise. „Tut mir leid.“
Ich erhob mich und schob ein Bein über Jun, um auf seinen Schoß zu klettern. Die Arme schob ich über seine Schultern und hielt mich an der Rückenlehne des Sofas fest. Er ließ die Fernbedienung auf die Couch fallen, um seine Hände an meine Hüften zu legen, als ich meine Finger in seine stylishe Frisur schob und sanft zufasste. Es gefiel mir, wenn ein Mann so lange Haare hatte, dass man sie mit den Fingern packen konnte. Und Juns leisem Keuchen nach zu urteilen, gefiel es ihm, wenn man es bei ihm tat. Ich zog leicht, nur um es auszuprobieren, und sein Mund öffnete sich.
Das betrachtete ich als Einladung.
Doch bevor ich reagieren konnte, hatte Jun den Saum meines T-Shirts gepackt und den Stoff nach oben geschoben. Auf meiner nackten Haut fühlten sich seine Hände wie Feuer an. Er schob das T-Shirt bis zu meinen Brustwarzen hoch, wo er mit den Fingerspitzen über die Piercings strich.
Aus dem Stöhnen, das ich von mir gab, hörte man jeden Tag der zwei Jahre heraus, die ich als Single verbracht hatte. „Gott“, sagte ich, wobei ich das Wort mit nicht existierenden Silben in die Länge zog.
Jun schnippte noch einmal gegen jedes Piercing. „Die gefallen mir“, flüsterte er.
Gut. Dann waren sie jeden Cent wert gewesen.
Danach tat er nicht mehr viel, streichelte mir lediglich mit den Handflächen über die Seiten. Bei unseren täglichen Telefongesprächen hatte Jun leicht angedeutet, wenn auch nicht deutlich ausgesprochen, dass er im Bett nicht unbedingt der Initiator war. Ich hatte mich beim Thema Händchenhalten und Beziehung direkt verhalten, weil ich davon ausgegangen war, dass er dann handeln würde. Offenbar lief es wirklich darauf hinaus, dass er nur niemals den ersten Schritt tat.
Und das Ganze führte mich zu einer Vermutung. Genau wie ich war er wahrscheinlich etwas nervös, was unser erstes Mal anging, aber nicht so sehr, dass er erst große Hemmungen abbauen musste oder Ähnliches. Er hatte kein Problem damit, zu flirten, zu necken und mir seine Zuneigung zu zeigen. Mittlerweile war ich allerdings ziemlich sicher, dass es ihn anmachte, wenn man ihm im Bett Befehle gab. Wer dabei welche Rolle übernahm, war ihm nicht wichtig. Er wollte nur Anweisungen. Vielleicht lag es daran, dass er im Beruf immer das Sagen hatte und es deshalb entspannend fand, wenn zu Hause jemand anders die Führung übernahm.
Für mich war das Neuland, aber tja, ich war sehr gern bereit, meinen Horizont zu erweitern. Der Gedanke, einem erfolgreichen FBI-Agenten zu sagen, wo es langging, war ohnehin recht verlockend.
„Jun?“
„Hm?“
„Leck meine Nippel.“
Seine Augen weiteten sich hinter den Brillengläsern leicht und ich hörte ein winziges Keuchen. Oh ja. Das war so was von dem, was er wollte. Jun legte die Hände wieder auf meine Hüften und beugte sich vor. Seine rosa Zunge kam zwischen seinen Lippen hervor und da war sie, feucht und warm an meinen Piercings. Er küsste, leckte und benutzte seine Zunge, um mit dem Metall zu spielen. Ich umklammerte mit beiden Händen seinen Hinterkopf, damit er sich nicht entfernte, woraufhin er stöhnte und seine Hände senkte, sie auf meinen Rücken schob.
„Fass meinen Arsch an“, befahl ich, auch wenn mein Tonfall nicht mehr ganz so gebieterisch klang, denn was er da mit seiner Zunge anstellte, würde mich in ungefähr zehn Sekunden zum Explodieren bringen.
Jun gehorchte, legte seine Hände auf meinen Hintern, massierte ihn durch die Jeans.
Ja, ich freundete mich mit dieser Sache verdammt schnell an.
Ich neigte Juns Kopf nach hinten, indem ich sanft an seinen Haaren zog. Schwer atmend sah er zu mir auf.
Scheiße.
Ich beugte mich vor, um ihn zu küssen, diese talentierte Zunge in meinem Mund zu erleben, seine kratzigen Stoppeln auf meiner glatten Haut zu spüren …
Mein Handy klingelte auf dem Couchtisch, durchbrach unerwünscht die nur von den zwischen uns flüsternden Atemzügen erfüllte Stille. Jun lehnte sich auf dem Sofa zurück. Er nahm die Hände von meinem Hinterteil und sah zu mir auf, nicht verärgert oder gereizt, sondern … als hätte er alle Zeit und Geduld der Welt.
„Merk dir, wo wir waren“, sagte ich, als ich von seinem Schoß kletterte, mein T-Shirt zurechtzupfte und zum Tisch stolperte. Ich hörte ihn leise lachen, während ich mir das Handy schnappte und den Anruf annahm. „Hallo?“
„Mr Grant?“
„Der bin ich.“
„Hier ist Joe Hernandez vom Sicherheitsdienst Island-Security.“
„Oh nein“, sagte ich seufzend.
„Leider doch.“
Ich warf über meine Schulter hinweg einen Blick auf Jun. „Das muss doch ein Scherz sein“, murmelte ich. „Welcher Sensor wurde diesmal ausgelöst?“
„Der im ersten Stock“, antwortete Joe. „Ich weiß, dass es spät ist. Ich kann einen Streifenwagen hinschicken, wenn es Ihnen lieber wäre.“
„Nein, nein“, antwortete ich und richtete mich auf. „Die Polizei hasst es, umsonst rauszukommen. Ich sehe es mir an.“
„Verstanden. Rufen Sie uns an, falls Sie weitere Unterstützung benötigen.“
Ich verabschiedete mich, legte auf und sah Jun an. „Hasst du mich, wenn ich dir sage, dass der Spaß noch etwas warten muss?“
Er stand auf. „Was ist passiert?“
„Einer der Bewegungsmelder im Smith-Haus wurde ausgelöst.“
„ES BESTEHT wirklich kein Grund zur Sorge“, versicherte ich Jun zum ungefähr hundertsten Mal, als ich das Tor des Grundstücks aufschloss.
Jun hatte darauf bestanden, mich zu begleiten – vermutlich weil die Sache für ihn verdächtig oder gefährlich klang. Tatsächlich spielten der Sicherheitsdienst und ich dieses Spielchen schon seit langer Zeit. Kurz nachdem ich Verwalter des Hauses geworden war, hatte ich die alten Bewegungsmelder entfernen lassen, da sie ständig falschen Alarm ausgelöst hatten und die Firma Island-Security übernehmen lassen. Und siehe da – ihre Anlagen hatten dieselben Probleme. Die Sensoren meldeten in unregelmäßigen Abständen Bewegungen im Haus. Manchmal blieb monatelang alles ruhig, dann wieder gab es jede Woche einen Alarm. Einmal, im letzten Oktober, war es dreimal in einer Nacht passiert. Das war verdammt lästig gewesen.
Die Polizei war bei jedem Alarm gerufen worden, was dazu geführt hatte, dass es auf der Insel zu einem Running Gag geworden war. Jeder wusste, dass es sich um falschen Alarm handelte. Als ich die Verwaltung übernommen hatte, hatte ich auch die Verantwortung dafür übernommen, zu jeder Tages- und Nachtzeit dafür zu sorgen, dass das Anwesen sicher war. Seit sich herausgestellt hatte, dass die neuen Systeme so fehleranfällig waren wie die alten, hatte ich es bereits einige Male bereut, so sehr auf dieser Pflicht bestanden zu haben.
Aber hey, so war das Leben eben. Man musste es leichtnehmen.
Eine Sache, auf die ich jedoch gern verzichtet hätte, waren die Gerüchte, die sich dadurch verbreiteten. Bei jedem technischen Schluckauf wedelten die Conchs – die Einheimischen der Inseln – mit dem Zeigefinger und sagten: „Siehst du, ich habe ja gesagt, dass es da spukt!“
Das tat es nicht. Vielleicht gab es Probleme mit den elektrischen Leitungen. Oder …
Ich betrat die Veranda, fischte meinen Schlüssel aus der Tasche und öffnete die äußere Tür. „Das passiert dauernd.“
„Für solche Dinge ist die Polizei zuständig, Aubrey“, sagte Jun nachdrücklich.