V. 4. „Werden nicht Alle, die die Missethat vollbringen, erkennen?“ Man muß ein Fragezeichen lesen und „Den Herrn“ aus dem Folgenden heraufbeziehen, daß sich folgender Sinn ergibt: Und Alle sind abgewichen und haben das vollbracht. Werden sie den Herrn nicht erkennen? „Den Herrn haben sie nicht angerufen, die mein Volk wie Brod verzehren.“ Denn sie verzehrten sein Volk, indem sie es überredeten, die Schöpfung anzubeten statt des Schöpfers. Und diese, sagt er, werden Andere zum Bösen verleiten und den Herrn nicht anrufen. Denn in dieser Weise muß man es als zukünftig fassen statt als vergangen.“45
V. 5. „Da zitterten sie vor Furcht, wo keine Furcht war.“ Das Gesetz Moses, will er sagen, wendete Strafe an, die Furcht Christi aber ist heilig, denn sie trieb uns an, wie Söhne den Vater zu fürchten. In jener Zeit, will er sagen, nämlich in der die Erscheinung eintritt, werden sie einer Furcht sich hingeben, wo keine Furcht ist, nämlich nicht wegen der Drohung des Gesetzes, sondern es ist vielmehr die den Freien geziemende Ehrerbietigkeit.
V.6. „Denn der Herr ist bei dem Geschlechte der Gerechten.“ die durch seine Erscheinung gerechtfertigt werden. „Der Rath des Armen wird beschämt.“ Das sagt er zu denen, die im Unglauben verharren und die verfolgen, die an Christus glauben.
V. 7. „Wer wird aus Zion das Heil Israels geben?“ Das enthält eine doppelte Prophezeiung. Denn nicht nur spricht es das Heil aus, das dann den Belagerten zu Theil wird, sondern auch die viel später von dorther kommende heilbringende Erscheinung unsers Heilands. „Frohlocken wird Jakob.“ Er meint die heiligen Patriarchen und Propheten, die sich der Freude hingeben, weil Christus ihre eben angeführten Verheissungen erfüllt hat. Das waren aber die, welche das Heil aller Völker verkündeten.
Ps 14.
Zum Ende, ein Psalm Davids.
Inhalt.
Diesen Psalm singt er, indem er lehrt, was einem Menschen den Besitz jenes seligen Erbtheils verschaffe. Deßhalb beginnt er also.
V. 1. „ Herr, wer wird wohnen in Deinem Zelte?“ Wohnen ist ein zeitliches Verweilen, das nicht auf ein unwandelbares Leben, sondern auf ein vorübergehendes mit der Hoffnung auf Umwandlung zum Bessern hindeute. Denn einem heiligen Manne kommt es zu, dieses Leben vorübergeben zu lassen und einem andern Leben sich zuzuwenden . Deßhalb spricht auch David von sich selbst: „Ich bin ein Ankömmling bei Dir und ein Fremder, wie alle meine Väter.“46 Wer, will er sagen, wird würdig sein, in jenen himmlischen Zelten zu wohnen? „Oder wer wird auf Deinem heiligen Berge wohnen?“ Denn wenn Einer jenes seligen Zeltes gewürdigt wird, wird er die Seligkeit für endlose Zeiten besitzen.
V. 2. „Der einhergeht ohne Makel u.s.w. Er lehrt, wodurch wir dieses selige Ziel erreichen werden, zuerst nämlich, wenn wir auf dem unbefleckten Wege einherschreiten, der Christus ist, hierauf, wenn wir Gerechtem, üben, drittens, wenn wir das Herz zum Haus der Wahrheit machen, viertens, wenn wir eine betrügerische Zunge uns nicht aneignen, fünftens, wenn wir dem Nächsten kein Leid zufügen, sechstens, wenn mir den Nächsten nicht übermüthig schmähen, siebentens nicht auf die Person schauen, achtens den Eid nicht brechen, neuntens, wenn wir nicht wuchern, zehntens, worin die Vollendung alles Guten besteht, wenn wir unbestechlich sind. Wer es hierin zur Fertigkeit gebracht hat, wird die geschenkten Güter ungestört besitzen.
Ps 15.
V. l. Säuleninschrift Davids.
Inhalt.
Die vorliegende Prophetie enthält die Berufung der Heiden und die Vorwürfe des Ungehorsams gegen Israel, auch das Geheimniß der Auferstehung Jesu Christi selbst, des Heilandes unser Aller. Deßhalb glaube ich auch sei der Gesang Säuleninschrift genannt worden, indem ihn der Prophet David gleichsam an einer Säule für die Nachwelt anbrachte. Es werden aber die Worte in ihm wie im Namen Christi gesungen. Denn diese Auffassung hat uns Petrus gelehrt. 47
V. 1. „Bewahre mich, o Herr, denn auf dich habe ich gehofft.“ Indem er gleichsam die gemeinsame Person der Menschheit angenommen hat. richtet er seine Worte an Gott und den Vater, nicht so fast für sich sondern unsertwegen auch für uns, wie Einer von uns, wegen der Heilsordnung. Einen Herrn nennt er also den Vater, weil er in der Gestalt des Knechtes war. Daß er bewahrt werde, fleht er aber wegen der Kirche, die sein Fleisch ist. – denn sein Fleisch ist die Kirche. — und daß diese bewahrt werde, fleht er, mit Recht wird daher auch wohl auf seine Person die Bewahrung bezogen.
V. 2. „Ich sprach zum Herrn: Mein Gott bist Du.“ Wieder bringt er auch das in der Gestalt des Knechtes vor. Er zeigt zugleich auch die Gerechtigkeit im Bekenntnis des Glaubens. „Denn meiner Güter bedarfst Du nicht.“ Gut nennt er mit diesen Worten die nach dem Gesetze dargebrachten Opfer. Nun hebt sie jenes Wort des Glaubens auf: „Soll ich denn Fleisch der Stiere essen, und werde ich das Blut der Böcke trinken?“ 48
V. 3. „Den Heiligen, die in seinem Lande sind, hat der Herr wunderbar allen seinen Willen gegen sie erfüllt.“ Heilig nennt er die, die im Geiste geheiligt sind, Land Christi aber die Kirche. „Wunderbar erfüllt“ ist aber so viel als „belehrt.“ „seinen“ bezieht sich auf den Vater, so daß Dieß der ganze Sinn ist: Denen, die im Glauben geheiligt sind, machte er den Willen des Vaters bekannt. Deßhalb wird er auch Engel des großen Rathes genannt.
V. 4. „Gemehrt haben sich ihre Leiden.“ da sie Götzendienst trieben. „Hierauf eilten sie herbei.“ Waren sie auch leidend, will er sagen, da sie zuvor in Sünden lebten, so gehorchten sie doch sogleich, als sie die Predigt hörten. Denn das wollen die Worte sagen: Hierauf eilten sie herbei, nämlich um auf die Predigt zu hören. „Ich will ihre Zusammenkünfte nicht versammeln in Blut.“ Indem ich, sagt er, Versammlungen aus den Völkern versammle, werde ich sie nicht in Blut versammeln, das heißt, ich werde nicht veranstalten, daß sie im Dienste des Gesetzes zu mir kommen, sondern vielmehr in Lobpreisung und im unblutigen Opfer. „Und ich werde ihrer Namen nicht gedenken auf meinen Lippen.“ Nicht mehr, will er sagen, werden sie Götzendiener und Atheisten genannt werden, sondern Berufene und Auserwählte. Vordem, will er sagen, wurden ihnen Bezeichnungen zu Theil, die ihrer Thaten würdig waren, indem man sie Götzendiener, Polytheisten nannte. Jetzt aber werde ich jener Namen nicht mehr gedenken, sondern sie fromm, heilig, berufen und auserwählt nennen.
V. 5. „Der Herr ist der Theil meiner Erbschaft und meines Kelches.“ Er würde in gewöhnlicher Sprache sagen: Mein Vater hat mir zu meinem Erbe und Antheil die Völker gegeben, dem ich auch gehorsam geworden bin bis zum Tode. Denn der Kelch bedeutet den Tod, wie es heißt: „Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber.“ 49
V. 6. „Die Meßschnur ist mir ins Herrliche gefallen. Denn meine Erbschaft ist herrlich für mich.“ Er meint die Fesseln der Liebe, die ihn an die Kirche fesselten, die eben herrlich ist, das heißt, ihm wohlgefällt.
V. 7. „Ich werde den Herrn preisen, der mich verständig gemacht hat.“ Die Erklärung dieser Worte ist in der Apostelgeschichte enthalten.50 „Zudem ermahnten mich hiezu meine Nieren bis in die Nacht.“ Es ist der Sprachgebrauch der von Gott eingegebenen Schrift, die verborgenen, tief liegenden Gedanken Nieren zu nennen. Nicht aber das Unsichtbare.
V.8. „Ich sah den Herrn allzeit vor meinem Angesichte. Denn er ist zu meiner Rechten, damit ich nicht wanke.“ In so weit er als Gott auf-< s 406>gefaßt wird, ist er es, der Alles stützt und aufrecht hält. In so weit er aber Mensch geworden ist, geziemt es sich für ihn wohl zu sagen, daß er den Herrn zur Rechten habe, um nicht zu wanken. Denn überall gestaltet er sich nach dem Maße der Menschheit, und wegen der Heilsordnung schämt er sich dessen nicht, was der Entäusserung zukommt. Sich also, welch hohe Ehre unserer Natur in Christus zu Theil geworden ist, und wie wir vor das Angesicht des Vaters gebracht wurden, die wir wegen der Übertretung in Adam verstoßen waren, und wir ihn zur Abwehr und