V. 13. „Vor seinem Glanze in seinem Angesichte sind die Wolken vorübergegangen.“ Das Licht seiner Ankunft, will er sagen, hat die Prophezeiungen offenbar gemacht. „Hagel und Feuerkohlen.“ Damit deutet er an was nach seiner Auffahrt den Feinden, den geistigen nämlich, begegnet ist. Wie er, als er Israel aus Ägypten befreite, Hagel und Feuer vom Himmel fallen ließ, in gleicher Weise ließ er auch, als er alle Völker von der Knechtschaft der Dämonen befreite, Hagel und Feuerkohlen vom Himmel fallen. Das sind aber wohl die strafenden Mächte, durch die er die geistigen ägyptischen unterdrückte.
V. 16. „Und es erschienen die Wasserquellen.“ Nach der Vernichtung der Feinde erschienen die Wasserquellen nämlich das heilbringende Wort des Evangeliums, das auch die Grundfeste des Erdkreises geworden ist; denn auf ihm sind wir gebaut worden. Oder auch so: Unter Quellen verstehe die heiligen Propheten, die ja die heilbringende Rede aussprudeln. Denn so steht über sie geschrieben: „Ihr werdet Wasser schöpfen mit Freude aus den Quellen des Heiles.“58 Unter den Grundfesten des Erdkreises aber verstehe die Schrift des ganz weisen Moses. In ihr haben wir nämlich zuerst eine Grundlage des Glaubens und der Gotteserkenntniß hinterlegt gefunden, die das Geheimniß Christi, wie die Propheten, in Bildern in sich birgt. „Erschienen“ ist also so viel als „wurden an’s Licht gebracht.“ Oder verstehe unter Quellen und Grundfesten der Erde unter dem Himmel die heiligen Apostel. Denn auch sie sprudeln das heilbringende Wort aus und haben zur Grundlage der Erde unter dem Himmel den Glauben gemacht. Unter Wasserquellen und Grundfesten des Erdkreises wirst Du ferner die heilbringende Taufe verstehen.
V. 16. „Von Deinem Schelten, o Herr!“ Verbinde damit: wurden die genannten Feinde getödtet. Von dem schnaubendem Hauche Deines Zornes.“ Nicht plötzlich straft Gott die Sünder. Denn, sie würden sonst ganz und gar verloren gehen. Er sagt aber die Strafen des Zornes vorher: „Ich werde sie züchtigen im Zorne ihrer Trübsal.“’ 59 Und das bedeutet der schnaubende Hauch seines Zornes.
Daniel Barbarus: V. 17. „Er sandte vom Himmel und faßte mich.“ Er hat in Wahrheit das Menschengeschlecht gerettet, indem er uns vom Himmel die Gabe des heiligen Geistes sandte. Theodotio: Vom Himmel hat er mir Heil gespendet.
„Er nahm mich zu sich aus vielen Gewässern.“ Unter Gewässern versteht er die Versuchungen.
V. 18. „Er wird mich retten von meinen mächtigen Feinden und von denen, die mich hassen.“ Er geht über auf das, was er gethan hat in Bezug auf die Sünde und Reue. Was er aber sagt, geht darauf hinaus. Da der Herr mein Bekenntnis bereits vernommen hat, ist er mir zur Stütze geworden, da ich im Begriffe stand zu stürzen und einen großen Fall zu erleiden, wenn ich nach der Sünde einen vollständigen Abfall mir zu Schulden kommen ließ. Ja er wird mich vollständig retten, indem er mir in der vorhergesagten Zeit seiner Ankunft Verzeihung der Sünde gewährt, und das wird der Herr thun, indem er mir eine Wohlthat spendet. „Weil er mich wollte.“ Denn wenn er mich nicht gewollt hätte, hätte er nicht seinen Propheten zu mir gesendet.60 .
V. 21. „Und der Herr wird mir vergelten.“ Ich bin überzeugt, sagt er, daß er in der Zeit seines gerechten Gerichtes nicht meiner Sünden gedenken und nach meiner Gerechtigkeit mir vergelten wird. Denn wenn er meine übrigen Thaten, die in Gerechtigkeit verrichtet wurden, gleichsam in einer Waagschale mit meiner Sünde abwiegt und sie ihr gegenüber stellt, so wird er sie viel schwerer finden als die von mir vollbrachte Sünde. Es lehren aber die Worte die Möglichkeit, daß der, welcher in Folge einer gewissen Schwäche ausgeglitten ist, sich durch spätere gute Thaten wieder erhole.
Daniel Barbaras. Übrigens schreibt, wer Dieß sprich, sich Nichts zu, und deßhalb beziehen die, welche behaupten, daß dieser Psalm im Namen des Heilandes vorgetragen werde, Dieß auf den Heiland, der in Allem wie wir versucht wurde ohne Sünde. 61 Gerechtigkeit aber nennt er im Allgemeinen die thätige Tugend, Reinheit der Hände aber die thätigen Fähigkeiten und die Handlungen, die „ohne Schmutz sind und vom besten Zustande ausgehen. Übrigens schreibt er die Ursachen seiner guten Werke frei von jeder Ruhmsucht Gott zu. 62 Unter Wegen aber versteht er die Gebote. Freventlich aber handelt an ihm nicht, wer die Lehren und Behauptungen der Wahrheit gut und richtig auffaßt.
Daniel Barbarus.
V. 22. „Ich habe nicht freventlich gehandelt an meinem Gotte.“ Der, Gerechten nämlich, die ihm bereitwillig gehorchen, ertheilt er eine Belohnung. Der aber handelt nicht freventlich, der die wahren Lehren annimmt.
Dan.Barb. V.23. „Denn alle seine Gerichte hatte ich vor meinen Augen.“ Wer ein Mensch nach Gott ist und beständig die Furcht Gottes vor Augen hat. bandelt vor Gott mit Zutrauen und Freiheit. Untersucht man die Gerichte Gottes, so sind sie unerforschlich und ein tiefer Abgrund, weil sie wegen ihrer Dunkelheit nicht begriffen werden können. Unmöglich kann jedoch, wer die Gerichte Gottes vor Augen hat, über die Vorsehung Gottes und darüber ungehalten sein, daß durch das Gericht Gottes Alles geordnet werde. Denn schon aus dem bloßen Namen Gericht 63 läßt sich erkennen, daß das Gericht gerecht sei. Denn es verleiht das Recht. Oder er meint die Gerechtigkeit, da alle Gerichte, die der Gerechtigkeit nicht entsprechen, mit dem Beisatz bezeichnet werden, daß man sie nicht Gerichte, sondern verkehrte Gerichte nennt. Deßhalb heißt es: „Es ergehe ein verkehrtes Gericht.“ 64 „Und seine Gerechtigkeit stieß ich nicht weg von mir.“ Ich klammere mich, will er sagen, an die Gerechtigkeit Gottes an. Denn von ihr entfernt sich, wer sie nicht umfaßt. Gerechtigkeit wird aber hier genannt, was durch die Sache der Gerechtigkeit und das Gesetz der Billigkeit geheiligt ist, wie z. B, in der Stelle: „Wenn Du einen hebräischen Knecht kaufest u.s.w.“ 65 Denn zuvor hatte er gesagt: „Das sind die Gerichte, die Du ihnen vorlegen wirst.“ 66 Da er aber mit dem Gerichte zugleich die Gerechtigkeit nennt, so kann diese Gerechtigkeit die geläuterten und erprobten Worte Gottes bezeichnen. Da diese Worte wie ein Richterspruch ausgesprochen werden und weder widerlegt werden können noch einem Verderbniß zugänglich sind, so werden sie Gerichte genannt. Auch die wohl erwogenen und geprüften Gedanken der Gerechten können, da sie einem Gleichgewicht ähnlich sind, mit Recht Gerichte genannt werden.
Daniel Barbarus. .“Und seine Rechtfertigung entfernte sich von mir.“ 67 Unter Rechtfertigung versteht er die Gebote, und es entfernen sich die von ihnen, die sie nicht erfüllen. .
V. 26. „Mit dem Heiligen wirst Du heilig sein.“ Mit Recht hast Du mich Deiner Wohlthat gewürdigt. Denn da Du gerecht bist, verstehst Du mit dem Heiligen geheiligt zu werden. Denn wenn ich in der Sünde verharrt wäre und einen völligen Sturz erlitten hätte, so weiß ich, daß Du selbst als der große Richter über meine Sünde Deinen entsprechenden Richterspruch gefällt hättest. Da ich aber Deine Wege bewahrt habe, so hast Du deßhalb, der Du mit dem Heiligen heilig und mit dem Unschuldigen unschuldig bist, nicht gemäß dem in einer gewissen Zeit von mir erlittenen Sturze mich behandelt, sondern wirst dem späteren Leben gemäß und meinem gerechten Leben entsprechend in Deinem Gerichte mir die Vergeltung gewähren.
V. 28. „Denn das demüthige Volk wirst Du retten.“ Er weist auf den Chor der Apostel hin. „Und die Augen der Hochmüthigen wirst Du erniedrigen.“ Das bezieht sich auf die Pharisäer und Schriftgelehrten.
V. 29. „Denn Du wirst meine Leuchte erleuchten, o Herr!“ Er meint den Geist. „Du, o Gott, wirst meine Finsterniß erleuchten.“ Meine Unwissenheit, will er sagen, wirst Du zerstreuen.
V. 30. „Denn in Dir werde ich von der Versuchung befreit werden, und in meinem Gotte werde ich die Mauer überschreiten.“ Weil meine Feinde, will er sagen, mich umringt haben, um mich einzuschliessen.
V. 31. „Mein Gott, unbefleckt ist sein Weg.“ Hier meint und tadelt er die Undankbarkeit, Bosheit, den ungehorsamen Geist und die Härte der unverständigen, undankbaren und hartherzigen Juden, da sie unsern Heiland Christus tadelten, daß er gegen das göttliche Gesetz sich verfehle. Denn sie schmähten über seine Reden und verleumdeten sie, als wären sie gotteslästerisch, indem sie zu einander der sagten: „Er lästert Gott; denn wer kann Sünden vergeben?“ 68 Mit bösem Gewissen und verkehrter Folgerung hegten sie gegen den Herrn und Gott aller Dinge diese Gedanken und machten sie diese Folgerung.
V. 33. „Gott umgürtete mich mit