Die Stadt am Meer - Nonni's neue Erlebnisse. Jón Svensson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jón Svensson
Издательство: Bookwire
Серия: Nonni
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711445693
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und her und schaute durch all die kleinen Fensterchen hinaus, an denen wir vorbeikamen.

      So geschah es, dass ich bald sehr müde wurde. Ich ging daher zum Kapitän hin, der sich stets an den kürzeren Weg in der Mitte bei der grossen Säule hielt, nahm ihn zutraulich beim Arm und stützte mich ein wenig auf ihn.

      „Das kommt von deinem Herumspringen“, warnte er. „Schliess den Mund und atme durch die Nase.“

      Dann fasste er mich bei der Hand, und wir schritten beide zusammen ruhig und langsam an der Säule entlang vorwärts.

      Als wir nach einer Weile wieder durch eines der Turmfensterchen hinausschauten, waren alle Dächer und Schornsteine schon tief unter uns.

      Ich wurde nun immer gespannter und vergass fast ganz meine Müdigkeit. Ich stellte mir bereits im stillen vor, dass ich jetzt bald hoch oben auf der grossen Plattform stehen werde, wo man, von der Strasse aus gesehen, so klein wie Puppen und Zwerge scheint.

      Indes gingen wir fort und fort um die steinerne Säule herum, immer höher hinauf, bis wir endlich zu einem vorläufigen Abschluss unserer langen, mühsamen Wanderung gelangten. Wir kamen an eine ganz enge Wendeltreppe mit steinernen Stufen, die zum obersten Teil des Runden Turmes hinaufführte.

      Da sagte ich: „Hier könnte man aber doch nicht mehr mit einem Wagen fahren, Herr Kapitän!“

      „Nein, hier hört der Fahrweg auf, Nonni. Wir sind jetzt aber auch ganz nah an der Plattform.“

      Meine Spannung stieg aufs höchste.

      Wir gingen die wenigen Stufen hinauf bis zu einer kleinen Tür, welche die enge Treppe abschloss.

      Herr Foss machte die Tür auf, und wir traten hinaus — ins Freie.

      Ich stand zum erstenmal in meinem Leben hoch oben auf dem berühmten Turm!

      Rings um den Rand der geräumigen runden Plattform lief ein starkes Geländer aus Schmiedeeisen. An ihm standen die vielen Menschen, die mir unten auf der Strasse so klein erschienen waren, und schauten sich die Stadt und die Umgegend an.

      Herr Foss und ich gingen auch zu dem Eisengeländer hin.

      Ich hielt mich mit beiden Händen daran fest und blickte hinaus in die Ferne.

      Ein Ausruf des Entzückens entrang sich meiner Brust.

      Welch ein märchenhaftes Bild!

      Ich glaubte mich auf einer hohen Bergkuppe zu befinden, von wo aus man weit über Länder und Meere sehen kann.

      Wie in einem einzigen Riesengemälde sah ich hier grosse Wälder und weitausgedehnte Ebenen mit Städtchen und Dörfern und Häusern und Höfen, ungeheure glitzernde Wasserflächen mit Hunderten von Schiffen und Booten, und ganz drüben am Horizont, weit jenseits des Sundes, eben noch sichtbar, die bläulichen Berge und Höhenzüge von Schweden.

      Es war ein Bild, so überwältigend gross und verschiedenartig, dass ich es unmöglich in der kurzen Zeit verstehen und festhalten konnte.

      Tief unter uns, nach allen Seiten sich ausbreitend, sahen wir ein förmliches Meer von Häusern und Türmen und Kirchen und Palästen, von Strassen und Alleen, Gärten und Seen, von grossen und kleinen Plätzen — ein überaus merkwürdiger, fast verwirrender Anblick!

      Da war alles voll Leben und Bewegung.

      Die Strassen und Plätze nahmen sich von hier oben wie Furchen und Versenkungen in dem seltsamen Gelände aus.

      Drinnen in diesen Furchen und Versenkungen sah man ein Gewühl und ein Gewimmel von lauter kleinen lebendigen Wesen, die alle wie in einer gleitenden, dahinfliessenden Bewegung zu sein schienen, einem Strome gleich, der sich nach den verschiedensten Richtungen in eine Menge von Bächen und Flüsschen verzweigt.

      Die kleinen lebendigen Wesen sahen aus wie ein zahlloses Volk von geschäftig kriechenden und krabbelnden Ameisen. Sie gingen und bewegten sich hin und her, und liefen und eilten ohne Rast und ohne Ruh.

      Und was war dies alles?

      Es war die Grossstadt Kopenhagen in ihrer ganzen Ausdehnung. Es waren die vielen Menschen, die vielen Pferde und Wagen, die den Strassenverkehr der grossen Stadt bildeten, und die von hier oben so spassig klein und winzig aussahen.

      Ich war eine Zeitlang ganz versunken im Anblick dieses seltsamen Schauspiels.

      Da wandte sich Herr Foss zu mir und sagte:

      „Nun, mein lieber Freund, wie gefällt dir Kopenhagen von hier aus?“

      „So habe ich noch keine Stadt gesehen, Herr Kapitän“, erwiderte ich. „Gehören denn diese unzähligen Häuser, die man da sieht, alle zu Kopenhagen?“

      „Gewiss, Nonni. Du musst denken, der Runde Turm steht ungefähr mitten in der Stadt, und drum kann man von hier auch die ganze Stadt sehen.“

      „Also ist das alles eine einzige Stadt, Herr Kapitän! — alles, was man da sieht!“

      „Ja, das gehört alles zu Kopenhagen. Du weisst ja, dass Kopenhagen die grösste Stadt des ganzen Nordens ist. Es ist sozusagen die Hauptstadt der drei skandinavischen Länder Dänemark, Schweden und Norwegen. Stockholm ist nur ein wenig mehr als halb so gross, und Kristiania ist noch kleiner als Stockholm. Hier um den Runden Turm wohnen viel mehr Menschen als auf der ganzen Insel Island, obwohl Island fast dreimal grösser ist als Dänemark.“

      „Das hat meine Mutter mir auch gesagt, Herr Kapitän. Und dann hat sie noch gesagt, der grosse Bischof Absalon sei der Gründer von Kopenhagen gewesen.“

      „Ja, das ist richtig, Nonni. — Nun pass mal auf: Siehst du das grosse Schloss dort drüben?“

      Der Kapitän deutete mit der Hand auf einen Riesenbau ganz in der Nähe. Ich folgte ihm mit den Augen.

      „Dieses Schloss ist der weitaus grösste Bau in Kopenhagen“, fuhr er fort. „Es heisst Kristiansborg. Dort wohnt der König. Gerade dort war es vor vielen hundert Jahren, da hat Bischof Absalon eine befestigte Burg gegen die Wenden gebaut. Die Wenden waren damals die gefährlichsten Feinde Dänemarks. Und diese Burg ist dann der erste Anfang von Kopenhagen geworden.“

      „Ist die Burg Absalons jetzt auch noch da, Herr Kapitän?“

      „Nein, man sieht nur noch einige kleine Reste von ihr.“

      Lange betrachtete ich das mächtige Schloss und stellte mir vor, wie prachtvoll es darin sein müsse, denn Herr Foss hatte ja gesagt, in dem Schloss wohne der König von Dänemark. Es sah aus wie ein Berg von Granit, der aus lauter grauen Hausteinen aufgeführt war. Das machte einen gewaltigen Eindruck.

      Ich sagte zum Kapitän, zu diesem königlichen Schloss wolle ich bald einmal hingehen und es in nächster Nähe besichtigen.

      „Ja, tu das nur, Nonni“, erwiderte er. — „Aber jetzt will ich dir etwas anderes zeigen, wovon wir schon unten gesprochen haben: Du sollst jetzt die Börse mit dem Drachenturm sehen.“

      „O ja, Herr Kapitän! Wo liegt die Börse?“

      Herr Foss sagte: „Schau wieder auf das Schloss hin. — So. — Und jetzt ein wenig nach links, dann musst du die Börse finden.“

      Ich tat, wie der Kapitän mir angab, und es dauerte nicht lange, da rief ich aus:

      „Jetzt habe ich sie, Herr Kapitän! — Und jetzt sehe ich auch die Drachen und ihre zusammengewundenen Schwänze! — O, ist aber das seltsam! — Und so schön und so prächtig wie es ist! Da strahlt! ja alles in Gold und Grün! — Wie hat man doch einen solchen Turm bauen können!“

      „Ja, das hat eben nur der prachtliebende König Christian IV. so machen können, Nonni; die Börse ist einer der schönsten und feinsten Bauten von ganz Dänemark.“

      Ich hatte noch nie etwas so Merkwürdiges gesehen wie diesen Drachenturm, und ich konnte gar nicht fertig werden, ihn zu bewundern. Nie hätte ich gedacht, dass man imstande sei, einen ganzen grossen Turm aus lauter Drachenschwänzen aufzubauen, und dass er noch dazu so zierlich aussehen