Die letzte aus dem Hause Wulfenberg. Anny von Panhuys. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anny von Panhuys
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711570241
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strich über ihr Haar, leise und zart.

      „Auf Wiedersehn, Gretel, auf Wiedersehn!“

      Im Herbst kam Hans Westfal gar nicht nach Hause, Weihnachten, als er da war, musste Margarete wegen starker Erkältung das Zimmer hüten, und Ostern machte Hans mit Professor Tauber eine Mittelmeerreise.

      Die Westfals waren wohlhabend genug, sie konnten ihrem Aeltesten, auf den die ganze Familie stolz war, dergleichen gestatten.

      Frau Westfal, eine blonde derbe Frau, mit offenen, hübschen Zügen, erzählte der Prinzessin, was ihr Sohn alles zu sehen bekommen würde.

      Portugal, Spanien, Marokko!

      Sie kicherte verhalten.

      „Wenn unsereins als Kind auf der Schule solche Namen hörte, dann hat’s einem ordentlich vor Andacht geschuckelt, so märchenweit klang das: Und nun fährt mein Junge dahin, wie andere hier in den Harz oder an den Rhein. Mein Alter sagt, ich mache schon ein ganz hochfahrendes Gesicht. Ach, Prinzessin, ich bin doch auch so stolz auf meinen Hans, so stolz, dass ich’s gar nicht beschreiben kann. Er hat ja schon, ehe er noch sein letztes Examen gemacht, eine einträgliche Stellung als Ingenieur bekommen, bei der grossen Frankfurter Firma Mannholz, die auch im Ausland die grössten Brückenbauten und dergleichen übernimmt. Professor Tauber hat mit dem Chef von Mannholz gesprochen, ihn warm empfohlen, und nun soll Hans schon nächstes Frühjahr, wenn er sein letztes Examen hinter sich hat, mit nach Indien. Ich weiss nicht mehr, wie das heisst, wohin er kommt, aber er muss mindestens zwei Jahre dortbleiben. Das ist mir das Schrecklichste, Prinzessin. Bedenken Sie, was das für eine Mutter heisst, zwei Jahre den geliebten Sohn zu entbehren!“ Sie seufzte. „Aber es geht um seine Zukunft. Sein Ehrgeiz will das alles doch, und dann kann ich meine Liebe nur am besten dadurch beweisen, dass ich mich füge, ihm nichts erschwere.“

      Margarete war plötzlich unsäglich traurig zumute.

      Zwei Jahre würde Hans fort sein, draussen in der weiten Welt. Und jetzt war er Ostern auch nicht gekommen, machte eine Mittelmeerreise, nun würde sie ihn erst im Juli sehen. An ihrem Geburtstag aber würden sie beide wieder im Pavillon sitzen.

      Die Frau Schmiedemeister Westfal begleitete Margarete bis vor die Tür, kehrte gedankenvoll ins Haus zurück.

      Sie hatte deutlich beobachtet, wie die blasse Haut der Prinzessin noch blasser geworden war, als sie das von den zwei Jahren erzählt hatte.

      Das blutjunge Ding, das im Schlosse wie ein eingesperrtes Vöglein sass, hing viel zu viel an Hans und er an dem Mädelchen. Man konnte nicht wissen, wohin sich so etwas auswuchs. Beide wurden älter und mit der Fürstin wollte sie nichts mehr zu tun haben, das war die hochmütigste Frau, die es auf Erden gab.

      Hockte in ihrem Bau, der mehr einem Eulennest als einem Schlosse glich, und „regierte“ immer noch, was ihre Vorfahren längst als hoffnungslos aufgegeben.

      Und dann wurde es Sommer.

      Margarete schlüpfte wieder täglich entweder in das grauleinene Kleid, in das rosa oder in das weisse. Die Fürstin hatte festgestellt, diesen Sommer genügten die drei Kleider noch. Sie waren, da Margarete gewachsen war, zwar etwas kürzer geworden, aber man trug ja jetzt sehr kurze Kleider.

      Else von Stein hielt nur um Margaretes willen hier noch aus, die trostlose Einsamkeit legte sich oft wie ein Alpdruck auf ihre Brust. Eine begüterte Tante in Oberösterreich hatte ihr, der Elternlosen, angeboten, zu ihr zu kommen, aber sie hielt aus, die lebensunerfahrene Prinzessin tat ihr leid, sie mochte sie nicht im Stich lassen

      Die Tante aus Oberösterreich schrieb wieder. Sie sei so allein, wolle reisen, aber sich mit keiner bezahlten Gesellschafterin einlassen. Sie sei so ängstlich und möchte keine Fremde um sich.

      Else von Stein las Margarete den Brief vor, liess ihn dann in den Schoss sinken.

      „Ich bleibe bei dir, Gretel. Wer weiss, wer sonst hier an meine Stelle rückt und dir dein Leben erschwert.“

      Die Prinzessin lächelte tapfer.

      „Du bist sehr lieb, Else, aber du solltest das Angebot deiner Tante annehmen. Vielleicht wartet bei ihr irgendwie das Glück auf dich. Hier findet das Glück ja nicht her, wir wohnen zu weit abseits von allen wichtigen Landstrassen und Eisenbahnlinien.“

      „Ach, die Tante soll wenigstens noch ein Jahr warten, dann bist du siebzehn und eine junge Dame, brauchst keine Dresseuse mehr.“

      Margarete sah die Aeltere an, um ihren roten Muno zuckte es leicht.

      „Else, geh nur hier fort, denn es ist schade um dich, du versauerst hier in dieser Luft. Niemand besucht uns, nur Sonntags zu Tisch manchmal der uralte Dorfpfarrer. Ich will dich nicht halten, ich darf das nicht.“ Ihre Stimme bebte. „Und doch, wenn ich dir auch zurede, so kann ich mir doch gar nicht vorstellen, dass du eines Tages nicht mehr hier bist. Du bist von der ersten Stunde an so lieb und warmherzig zu mir gewesen.“

      Die Fürstin Alexandra kam selten in das Zimmer ihrer Enkelin, heute aber wollte sie ihr einen Auftrag erteilen.

      Sie stand gerade vor der Tür von Margaretes Zimmer und hörte drinnen das klare weiche Organ Fräulein von Steins.

      Sie dachte nicht daran, zu lauschen, und dann zog sie die schon ausgestreckte Hand doch von der Klinke zurück, denn was sie zufällig vernahm, liess sie stutzen.

      Die Stimme Else von Steins sagte eben: „Wenn du noch ein paar Jahre älter sein wirst, musst du einmal versuchen, hier aus der Einöde herauszukommen, musst mit eigenen Augen gucken, wie ganz anders alles in der Welt aussieht und zugeht, als es deine Grossmama sich selbst und dir einredet. Es geht republikanisch zu in der Welt und mit einem Titel allein kann man heutzutage nicht mehr viel erreichen —“

      In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, auf der Schwelle, vor den beiden bestürzt sich erhebenden Mädchen, stand Fürstin Alexandra.

      Ein scharfer Blick unter den halbgeschlossenen Lidern traf die Gesellschafterin.

      „Ich bin durch Zufall, oder vielleicht richtiger ausgedrückt, durch Fügung Ohrenzeugin Ihres letzten Satzes geworden, Fräulein von Stein. Ich muss Ihnen zuerst mein Erstaunen ausdrücken, dass Sie es wagen, eine Prinzessin Wulffenberg mit dem spiessbürgerlich verballhornten Vornamen ‚Gretel‘ und dem intimen ‚Du‘ anzusprechen. Wenn Ihnen meine Enkelin dazu das Recht gegeben haben sollte, was ich voraussetze, durften Sie doch nicht so dreist sein, von dem Recht Gebrauch zu machen. Ein Fräulein von Stein müsste wissen, was sich gehört. Ich nahm das auch an, sonst hätte ich nie daran gedacht, Ihnen die Vertrauensstellung bei der Prinzessin zu geben. Aber nicht nur die Dreistigkeit erregt mich. Viel mehr noch Ihr freier Ton. Sie predigen ja förmlich Umsturz! Anscheinend sind Sie vollkommen damit einverstanden, dass es jetzt republikanisch zugeht in der Welt. Meine Enkelin braucht diese republikanische Welt aber nicht kennen zu lernen. Der Name Wulffenberg wird sie in Kreise führen, in deren Lexikon das Wort ‚Republik‘ überhaupt nicht steht. Ich weiss, es gibt leider auch unter dem Adel umstürzlerische Elemente und dazu zählen anscheinend auch Sie. Solche Elemente aber gehören nicht in die Nähe der Fürstin Wulffenberg und ihrer Enkelin, und deshalb muss ich Sie ersuchen, Fräulein von Stein, noch heute das Schloss zu verlassen.“

      Margaretes meist blasse Wangen waren von dunkler Röte überflammt.

      „Grossmama, verzeihe, aber die Schuld trifft mich allein. Ich erlaubte Fräulein von Stein nicht nur, mich ‚Du‘ zu nennen, sondern ich bat sie sogar darum ganz flehentlich. Es klingt so lieb und warmherzig, wenn sie ‚Gretel‘ zu mir sagt. Im übrigen ist sie schon seit langem von ihrer Tante, Baronin Pürkner, aufgefordert worden, zu ihr zu kommen und nur aus reiner Freundschaft für mich ist sie geblieben. Else ist die Güte selbst.“

      Die Fürstin machte eine unwillige Handbewegung.

      „Bist du Fräulein von Steins Verteidiger? Ich stehe jedenfalls auf dem Standpunkt, dass sie das in sie gesetzte Vertrauen gröblich missbraucht und sich ungehörig benommen hat.“

      Sie wandte ihr eiskaltes Gesicht Else von Stein zu.

      „Ich