"Was ist Ihnen also die Geschichte wert?" fragte Frau Bumble ruhig.
"Vielleicht nichts, vielleicht zwanzig Pfund", sagte Herr Monks. "Lassen Sie hören."
"Legen Sie noch fünf Pfund zu, geben Sie mir fünfundzwanzig Goldstücke und Sie sollen alles erfahren, was ich weiß. Eher nicht!"
"Fünfundzwanzig Pfund?" rief Monks zurückprallend aus.
"Ich habe so offen und deutlich wie nur möglich gesprochen. Es ist nicht einmal viel"
"Nicht viel für ein lumpiges Geheimnis, das vielleicht keinen Pfennig wert und schon zwölf Jahre alt ist!"
"Solche Dinge halten sich und steigen wie gute Weine mit der Zeit oft um das Doppelte ihres Wertes", sagte Frau Bumble mit gutgespieltem Gleichmut.
"Wie aber, wenn ich das Geld für nichts ausgebe", sagte Monks bedenklich.
"Sie können es mir leicht wieder abnehmen", entgegnete Frau Bumble. "Ich bin nur ein Weib, allein und ohne Schutz hier."
"Weder allein, Schatz, noch unbeschützt", sagte nun Herr Bumble, dabei zitterte seine Stimme vor Furcht. "Ich bin auch noch hier, Liebling. Aber", fuhr er zähneklappernd fort, "außerdem ist Herr Monks zu sehr Ehrenmann, als,daß er eine Gewalttat gegen Gemeindebeamte begehen würde! Herr Monks weiß zwar, daß ich kein junger Mann bin und nicht mehr in der Vollkraft der Jahre stehe, aber er hat sicher auch gehört, daß ich ein energischer Beamter bin mit ungeheurer Stärke, sobald es notwendig ist. Man braucht mir nur einen Anlaß zum Einschreiten zu geben."
"Du bist ein Idiot und tätest besser, deinen Mund zu halten", war Frau Bumbles Antwort.
"Da haben Sie recht, wenn er nicht leiser reden kann", sagte Monks wütend. "Das ist also Ihr Mann?"
"Er, mein Mann?!" kicherte Frau Bumble ausweichend.
"Ich dachte es mir gleich, als Sie beide hereinkamen", meinte Monks, als er den zornigen Blick gewahrte, den die Dame ihrem Ehegemahl zuwarf. "Desto besser; es macht mir gar nichts aus, mit zwei Menschen zu verhandeln, wenn ich nur sehe, daß sie gleichen guten Willens sind. Es ist mir ernst – sehen Sie her."
Er holte einen Geldbeutel aus der Tasche und entnahm ihm fünfundzwanzig Goldstücke, die er Frau Bumble hinreichte.
"Nehmen Sie das Geld, und wenn das verdammte Gewitter vorüber ist, das jetzt gerade über dem Hause losbricht, erzählen Sie die Geschichte."
Sobald das Unwetter sich gelegt hatte, hob Monks seinen Kopf von dem Tische auf und hörte aufmerksam Frau Bumble zu. Die Köpfe der drei Personen berührten sich beinahe, da die beiden Männer in ihrer Neugierde sich über den kleinen Tisch beugten, und die Frau, um ihr Flüstern vernehmlich zu machen, das gleiche tat.
"Als dieses Weib, die man die alte Sally nannte, starb", erzählte Frau Bumble, "war ich mit ihr allein."
"Also sonst war niemand dabei?" fragte Monks im Flüsterton. "Keine Kranke oder Verrückte in einem anderen Bette. Niemand, der etwas hören oder verstehen konnte?"
"Keine Menschenseele! Wir waren ganz allein. Niemand außer mir war bei ihr, als der Tod über sie kam."
"Gut, weiter."
"Sie sprach von einem jungen Weibe", fuhr Frau Bumble fort, "die vor einer Reihe von Jahren ein Kind zur Welt brachte – nicht nur im selben Zimmer, sondern sogar im gleichen Bette, auf dem die Alte jetzt mit dem Tode rang."
"Wirklich?" sagte Monks, an den Lippen nagend. "Donnerwetter! Wie doch die Dinge zuletzt kommen können."
"Das Kind war dasselbe, das Sie ihm gestern abend nannten", erzählte die Matrone weiter und machte eine nachlässige Kopfbewegung zu ihrem Manne hin. "Und die alte Sally bestahl das junge Weib."
"Als sie noch lebte?" fragte Monks.
"Nein, als sie gestorben war", antwortete Frau Bumble, und ein Schauder überflog sie. "Sie stahl der Toten (sie war noch nicht kalt) das, was diese mit ihren letzten Atemzügen gebeten hatte, für das Kind in Verwahrung nehmen zu wollen."
"Sie verkaufte es?" rief Monks gespannt. "Nicht wahr, sie verkaufte es. – Wo? – wann? – an wen? – wie lange ist es schon her?"
"Als sie mir dies mit letzter Kraftanstrengung gebeichtet hatte, fiel sie zurück und starb."
"Weiter hat sie nichts gesagt?" rief Monks mit einer Stimme, die sich um so wütender anhörte, je mehr er sie zu dämpfen versuchte. "Das ist eine Lüge. Ich lasse mir nichts weißmachen. Sie sagte mehr. Ich erwürge euch beide, wenn ich nicht herauskriege, was es war."
"Sie sagte weiter kein Wort", fuhr die Matrone ruhig fort, "aber sie faßte krampfhaft mit der einen Hand mein Kleid, und als ich nach ihrem Hinscheiden die Hand losmachen wollte, fand ich darin ein Stückchen schmutzigen Papiers."
"Was enthielt es?" fragte Monks schnell, sich wieder vorbeugend.
"Nichts, es war ein Pfandschein."
"Über was?"
"Darauf werde ich noch zu sprechen kommen. Ich vermute, sie hat den Schmuck eine Zeitlang aufgehoben in der Hoffnung, ihn einst besser verwerten zu können, ihn aber dann doch verpfändet. Sie hat dem Pfandleiher jedes Jahr die Zinsen bezahlt, um es sofort wieder einlösen zu können, wenn es ihr notwendig erschien. Sie starb mit dem Pfandschein in der Hand, wie ich bereits erzählte. Das Pfand wäre nach einigen Tagen verfallen, und ich löste es ein, da ich glaubte, dereinst nochmal daraus Nutzen ziehen zu können."
"Wo ist es jetzt?" fragte Monks rasch.
"Hier", rief Frau Bumble und warf hastig ein kleines, ledernes Beutelchen auf den Tisch, als ob sie froh sei, es loszuwerden. Monks griff mit zitternden Händen danach und öffnete es. Es enthielt einen einfachen goldenen Trauring und ein Medaillon, in dem sich zwei Haarlocken befanden.
"Innen ist der Name Agnes eingegraben", ergänzte Frau Bumble ihre Erzählung. "Für den Zunamen hat man Raum gelassen, und dann folgt ein Datum, welches in das Jahr vor der Geburt des Kindes fällt. Das habe ich herausgefunden!"
"Und das ist alles?" fragte Monks, nachdem er den Inhalt des Beutelchens festgestellt hatte.
"Ja, alles", antwortete die Matrone.
Herr Bumble holte tief Atem, als freue er sich, daß die Geschichte zu Ende sei, ohne daß von einer Zurückgabe der fünfundzwanzig Pfund gesprochen wurde.
"Ich weiß von der Sache nichts weiter, als was ich mutmaßen kann", sagte Frau Bumble nach kurzem Schweigen zu Monks. "Und will auch nicht mehr davon wissen, das ist sicherer. – Aber darf ich zwei Fragen an Sie richten?"
"Das können Sie", versetzte Monks, überrascht. "Ob ich sie aber beantworten werde, ist eine andere Frage."
"Macht zusammen drei Fragen", meinte Bumble und wollte damit einen Witz machen.
"War es das, was Sie von mir zu hören erwarteten?" fragte Frau Bumble.
"Ja", antwortete Monks. "Und die andere Frage?"
"Was gedenken Sie zu tun? Kann es gegen mich gebraucht werden, kann ich Schaden dadurch haben?"
"Nie, weder gegen Sie noch gegen mich", sagte Monks. "Schaut her, aber tut keinen Schritt vorwärts, sonst ist euer Leben keinen Pfifferling wert!"
Mit diesen Worten schob er plötzlich den Tisch beiseite und öffnete vor Herrn Bumbles Füßen eine Falltür, so daß dieser eiligst ein paar Schritte zurücktrat.
"Gucken Sie da hinunter", sagte Monks und ließ die Laterne hinab. "Sie brauchen keine Angst zu haben. Wenn ich die Absicht gehabt hätte, Sie verschwinden zu lassen, so hätte ich es vorhin gekonnt, als Sie über der Falle saßen."
So ermutigt, näherte sich Frau Bumble dem Rande,