Herr Bumble hatte Frau Corney geheiratet und war Armenhausvater geworden. Ein anderer Gemeindediener war zur Macht gelangt, und der Dreispitz, die Uniform und der Stock waren auf ihn übergegangen.
"Morgen werden's zwei Monate!" seufzte Herr Bumble. Es scheint ein Menschenalter zu sein."
Er wollte vielleicht damit sagen, daß das Glück eines ganzen Lebens sich in den kurzen Zeitraum von acht Wochen zusammengedrängt hätte – aber die Seufzer! Es lag so viel darin.
"Ich verkaufte mich", fuhr er, seine Gedanken weiterd spinnend, fort, "für sechs Teelöffel, eine Zuckerzange, einen Milchtopf, etliche alte Möbel und zwanzig Pfund in bar. Ach, ich habe mich viel zu billig fortgegeben"
"Billig?" kreischte eine grelle Stimme in Herrn Bumbles Ohr. "Du bist noch umsonst zu teuer, und Gott im Himmel weiß, daß ich dich teuer genug bezahlt habe."
Herr Bumble drehte sich um und sah seine Ehehälfte streng an. Diese hatte seine Seufzer nur unvollständig verstanden und ihre Bemerkungen auf gut Glück hingeworfen.
"Frau Bumble!" sagte der Ehegemahl vorwurfsvoll.
"Nun?" schrie die Dame.
"Bitte, sieh mich an!" ("Wenn sie einen solchen Blick aushalten kann, so ist sie zu allem fähig. Er hat meines Wissens bei den Armen nie seine Wirkung verfehlt, und sollte er hier versagen, so ist's mit meiner Macht aus.")
Ob nun ein strenger Blick hinreichend ist, Armenhäusler, die freilich der spärlichen Nahrung wegen keine besonders kräftigen Nerven haben, in Schrecken zu versetzen, oder ob die vormalige Frau Corney sogar gegen Adlerblicke gefeit war – wir wissen es nicht. Tatsache aber war, daß die Dame sich keineswegs durch Herrn Bumbles finsteren Blick und Stirnrunzeln einschüchtern ließ. Sie nahm ihn mit Verachtung auf und lachte nur geringschätzig.
Als Herrn Bumble diese unerwarteten Lachtöne ans Ohr schlugen, machte er zuerst ein ungläubiges, dann aber ein bestürztes Gesicht. Er versank darauf wieder in sein trostloses Brüten, aus dem er aber bald durch die Stimme seiner holden Gattin geweckt wurde.
"Willst du den ganzen Tag dasitzen und schnarchen?" fragte Frau Bumble.
"Solange, wie es mir beliebt", entgegnete Herr Bumble, "und obgleich ich nicht schnarchte, werde ich es aber doch tun, auch gähnen, niesen, lachen oder weinen, gerade, wie es mir paßt. Denn ich habe das Recht dazu."
"Das Recht?" höhnte sie mit unaussprechlicher Verachtung.
"Jawohl Frau Bumble. Der Mann hat die Kommandogewalt."
"Und was wäre denn, beim Himmel, das Recht der Frau?" schrie die Hinterbliebene des seligen Herrn Corney.
"Sie muß gehorchen", donnerte Herr Bumble. "Das hätte dich dein unglückseliger seliger Mann schon lehren sollen, dann wäre er vielleicht noch am Leben. Ach, wie sehr wünschte ich, daß er es wäre."
Frau Bumble sah jetzt, daß der entscheidende Augenblick gekommen war. Es galt jetzt die Herrschaft an sich zu reißen oder endgültig darauf zu verzichten. Bei der Anspielung auf ihren ersten Gatten sank sie auf einen Stuhl und erklärte Herrn Bumble für ein hartherziges Scheusal, dabei brach sie in einen Strom von Tränen aus.
Doch Tränen waren nicht der Weg, auf dem Herrn Bumble beizukommen war. Sein Herz war wasserdicht. Wie die waschbaren Filzhüte, die durch Regen immer besser werden, wurden seine Nerven durch Tränen kräftiger. Diese schienen ihm ein Zeugnis der Schwäche zu sein und somit eine Unterwerfung unter seine Oberherrlichkeit. Er blickte daher mit großer Zufriedenheit auf sein holdes Ehegespons und ermunterte sie, aus Leibeskräften zu weinen, da es nach Ansicht der Ärzte eine ganz gesunde und körperlich wohltätige Übung sei.
"Es lüftet die Lungen, wäscht das Gesicht rein, stärkt die Augen und beruhigt das Gemüt, also weine nur", sagte Herr Bumble trocken.
Nachdem Herr Bumble diesen Witz angebracht hatte, nahm er seinen Hut und setzte ihn verwegen aufs Ohr, wie ein Mann, der die Überzeugung hat, seine Herrschaft auf geeignete Weise behauptet zu haben. Die Hände in den Taschen ging er triumphierend auf die Tür zu.
Aber dieses Experiment auf nassem Wege hatte Frau Bumble nur angestellt, weil sie es weniger anstrengend hielt als einen Boxkampf. Sie war aber auch bereit, diesen zu wagen, was Herr Bumble bald spüren sollte.
Die erste Probe davon bestand in einem hohlen Tone, dessen unmittelbare Folge war, daß sein Hut nach der entgegengesetzten Ecke des Zimmers flog. Dieses einleitende Verfahren gab sein Haupt jedem Angriff preis, und während die erfahrene Dame die Kehle ihres teuren Ehegatten umkrallte, ließ sie einen Hagel kräftiger Faustschläge auf seinen Kopf niederhageln. Dann brachte sie ein wenig Abwechslung in die Sache und zerkratzte Herrn Bumble erst mal tüchtig das Gesicht, und dann riß sie ihm ordentliche Büschel Haare aus. Nachdem sie sein Vergehen nun genügend gestraft zu haben glaubte, warf sie ihn über einen Stuhl, der nicht bequemer dafür hätte stehen können und forderte ihn höhnisch auf, noch einmal von seinem Recht zu sprechen, wenn er den Mut dazu hätte.
"Jetzt steh auf", sagte Frau Bumble im Befehlstone, "und mach, daß du mir aus den Augen kommst, wenn du nicht willst, daß ich etwas ganz Desperates tue!"
Herr Bumble erhob sich mit kläglicher Miene und überlegte, was dieses Desperate wohl sein möge. Dann hob er seinen Hut auf und sah nach der Tür.
"Willst du gehen?" fragte Frau Bumble drohend.
"Gewiß, mein Schatz, ich gehe schon", erwiderte er, seine Schritte beschleunigend. "Es war nicht meine Absicht, dich – ich gehe schon, meine Liebe – du bist aber auch gar zu heftig, daß ich wirklich –"
In diesem Augenblick trat Frau Bumble eilig vor, um den Teppich wieder zurechtzurücken, der sich während der letzten Viertelstunde etwas verschoben hatte. Herr Bumble benutzte das, um hastig aus dem Zimmer zu stürzen, ohne daran zu denken, seinen Satz zu vollenden, und ließ die frühere Frau Corney im unbestrittenen Besitz des Schlachtfeldes.
Herr Bumble war überrumpelt worden und hatte eine entscheidende Niederlage erlitten. Aber das Maß seiner Erniedrigung war noch nicht voll. Nachdem er einen Gang durch das ganze Haus gemacht und zum erstenmal darüber nachgedacht hatte, daß die Armengesetze doch wirklich zu hart wären, und daß Männer, die ihren Frauen fortliefen und die Erhaltung derselben der Gemeinde überließen, von Rechts wegen nicht bestraft, sondern vielmehr als verdienstvolle Märtyrer belohnt werden sollten – kam er in eine Waschküche, wo die weiblichen Armen beschäftigt zu werden pflegten, das Leinenzeug der Anstalt zu reinigen, und aus dem ihm lautes Geplauder entgegenschallte.
"Hm", sagte Bumble, seine ganze Würde zusammennehmend, "zum wenigsten sollen diese Weiber auch künftig mich anerkennen. – Hallo, zum Donnerwetter! Was soll dieser Radau, verwünschte Hexen?"
Mit diesen Worten öffnete Herr Bumble die Tür und trat mit hochfahrender, finsterer Miene ein; sie verwandelte sich aber sehr bald in eine demütige, als seine Augen seine bessere Ehehälfte entdeckten.
"Schatz", sagte Herr Bumble, "ich wußte nicht, daß du hier wärest."
"Wußtest nicht, daß ich hier wäre?" äffte ihm sein Weib nach. "Was hast du hier zu suchen?"
"Es kam mir vor, man schwatzte zu viel, als daß die Arbeit gehörig getan werden könnte, Schatz", erwiderte er, zerstreut nach ein paar alten Weibern am Waschfaß blickend, die sich nicht wenig über das demütigende Benehmen des Armenhausvaters wunderten.
"Du glaubst, man schwatze zu viel?" fragte Frau Bumble. "Was geht denn dich das an?"
"Ja, lieber Schatz –" stotterte er demutsvoll.
"Ich will wissen, was es dich angeht!"
"Es ist allerdings richtig, daß du hier zu befehlen hast, liebe Frau, aber ich glaubte, du seiest gerade nicht anwesend!"
"Ich will dir mal was sagen, Bumble, wir brauchen deine Aufsicht nicht. Du steckst deine Nase immer in Dinge, die dich nichts angehen und machst dich lächerlich. Scher dich 'raus!"
Bumble