Autochthone Minderheiten und Migrant*innen. Sarah Oberbichler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sarah Oberbichler
Издательство: Bookwire
Серия: Innsbrucker Forschungen zur Zeitgeschichte
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9783706561075
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das weitere Vorgehen sind wiederum computergestützte Verfahren notwendig. Denn die manuell gesetzten Kodes müssen nun strukturiert, organisiert und für die weitere Interpretation zugänglich gemacht werden. Das Query Tool des Analyseprogramms ATLAS.ti enthält Funktionen, die Kodes miteinander verknüpfen, sie aber auch gegenseitig ausschließen können. Abbildung 1 zeigt zum Beispiel ein Netzwerk von Textstellen, die dem Argumentationsmuster der Notwendigkeit (Notwendigkeits-Topos) zugeordnet wurden, zum Subkorpus Moscheebau gehören (Moschee COOCCUR Notwendigkeits-Topos) und Teil von Zeitungsartikeln sind, die der Form nach ein Leserbrief oder ein journalistischer Beitrag sind. Derartige Visualisierungen helfen, den Überblick zu behalten. Ebenfalls erlauben sie einen schnellen Rückgriff auf den Originaltext, um die Textstellen im Kontext analysieren zu können.

Illustration

       Abbildung 1: Computergestützte Strukturierung der Kodes im ATLAS.ti Programm

       Schritt 6: Quellenkritische Betrachtung der Textstellen

      Spätestens mit dem sechsten Schritt ist das hermeneutische Sinnverstehen und das genaue Lesen des Wissenschaftlers und der Wissenschaftlerin unentbehrlich und der Technik eindeutig Grenzen gesetzt. Nun werden die einzelnen Textausschnitte (annotierten Textstellen) quellenkritisch betrachtet, interpretiert und – was für Diskursanalysen essentiell ist – in den kulturellen, historischen, politischen Kontext eingeordnet. Denn die Bedeutung der Sprache entsteht nicht durch den Gebrauch, sondern erst in Verbindung mit dem relevanten Kontext.

       Schritt 7: Synthese

      Der letzte Schritt umfasst das Verschriftlichen, sprich die Zusammenführung der einzelnen Erkenntnisse zu einem stimmigen und stringenten Text. Auch im letzten Schritt erscheint es sinnvoll, die durch die maschinellen Analysen erhaltenen quantitativen Daten mit den Ergebnissen der qualitativen Auswertung zu verknüpfen. Das bedeutet, dass Visualisierungen der quantitativen Ergebnisse mit den Interpretationen in Beziehung gesetzt werden. Auch hier kommt es zu einem ständigen Wechsel zwischen den Ergebnissen, die durch das Lesen aus der Ferne sowie durch das genaue Lesen gewonnen werden. Das bedeutet, ebenfalls beim Verschriftlichen der Forschungsergebnisse macht eine Kombination von Mikround Makroanalyse Sinn und vergrößert zudem die Repräsentativität der Analyse.

      Nachfolgende Tabelle gibt alle Argumentationsmuster wieder, die im Teil 2 dieser Arbeit beschrieben werden:

Schlussregel in kurzen StichwortenAusformulierte Schlussregel
AnpassungAnpassung an die MehrheitsgesellschaftWenn Migrant*innen sich an die Kultur bzw. Werte und Regeln der Aufnahmegesellschaft anpassen, sind sie „gute“ Ausländer*innen und haben auch dementsprechend Unterstützung verdient.
BelastungMigrant*innen/Flüchtlinge als BelastungWeil das Land mit einem Problem stark belastet ist, sollten Handlungen ausgeführt werden, die diese Belastung verringern.
Christliche WerteWir müssen christliche Werte lebenWeil Maßnahmen oder Handlungen mit den Grundsätzen des Christentums vereinbar bzw. nicht vereinbar sind, müssen diese Maßnahmen oder Handlungen ausgeführt bzw. unterlassen werden.
DiskriminierungMigrant*innen werden diskriminiertWeil Migrant*innen diskriminiert werden, bedarf es Maßnahmen, die diese Diskriminierung unterbinden.
EchtheitNur echte Flüchtlinge aufnehmenWeil nur „echte“ Flüchtlinge aufgenommen und untergebracht werden sollen, müssten Maßnahmen ergriffen werden, die die Einreise „unechter“ Flüchtlinge verhindern bzw. die alleinige Aufnahme „echter“ Flüchtlinge fördern.
FolgenFolgen für die Sprachgruppen in SüdtirolWeil aufgrund der zunehmenden Einwanderung bestimmte Handlungen (nicht) ausgeführt werden, kommt es zu einer Annäherung oder Abgrenzung zwischen den bodenständigen Sprachgruppen.
GefahrMigrant*innen/Flüchtlinge als GefahroderGefahr (für die eigene Sprachgruppe) / für den sozialen FriedenWeil eine (politische) Handlung bzw. Entscheidung bestimmte gefährliche Folgen hat, sollte sie nicht ausgeführt werden bzw. ist sie abzulehnen.
GegenseitigkeitIntegration als gegenseitiger ProzessoderVorwurf einer fehlenden GegenseitigkeitWeil Integration nur durch gemeinsamen Einsatz von Migrationsgesellschaft und Aufnahmegesellschaft möglich ist, sollte diese Gegenseitigkeit gefördert werden.Weil Christ*innen in muslimischen Ländern ihre Religion nicht frei ausüben dürfen, sollte dies den Muslim*innen in christlichen Ländern ebenfalls versagt bleiben.
GemeinsamWir müssen gemeinsam handelnWeil eine Person/ein Land/eine Gruppe nicht alleine die Herausforderung stem-men kann, braucht es die Zusammenarbeit aller.
GeschichteAuch wir waren einmal Migrant*innen/FlüchtlingeWeil auch wir einmal Flüchtlinge/Migrant*innen waren und auf Hilfe angewiesen waren, sollten wir Flüchtlinge/Migrant*innen unterstützen.
GroßzügigkeitNicht zu großzügig seinWeil Großzügigkeit gegenüber Migrant*innen die Zuwanderung verstärkt, sind Handlungen zu unterlassen, die Südtirol zu „attraktiv“ für Zuwanderung machen.
HilfeWir müssen den Flüchtlingen helfenWeil eine Notsituation eingetreten ist, sollten Maßnahmen ergriffen werden, die Hilfe verschaffen.
HumanitätHumanitärere Behandlung der Migrant*innen/FlüchtlingeWeil Handlungen aus humanitären Gründen (nicht) geboten sind, sind diese Handlungen zu befürworten bzw. abzulehnen.
ImageMoscheen zerstören die (Kultur-)LandschaftWenn eine politische Handlung ausgeführt wird bzw. unterbleibt, schädigt dies dem Image des Landes. Daher ist die Handlung (nicht) abzulehnen bzw. (nicht) auszuführen.
KennenlernenWir müssen uns kennenlernenWenn Einheimische und Zuwanderer sich besser kennenlernen, können die mit Zuwanderung und Integration verbundenen Probleme und Konflikte gelöst werden.
KostenMigrant*innen kosten (nicht) zu vielWeil etwas viel bzw. wenig Geld kostet, sollten Handlungen ausgeführt werden, die die Kosten verringern bzw. brauchen keine Handlungen ausgeführt werden, die die Kosten verringern.
KriminalitätDie Siedlung als Hort der KriminalitätWeil Menschen kriminelle Handlungen begehen bzw. nicht begehen, sollten Maßnahmen ergriffen werden bzw. brauchen keine Maßnahmen ergriffen werden, die zur Unterlassung solcher Handlungen führen.
LandessprachkenntnisseIntegration durch LandessprachkenntnisseWeil Kenntnisse der Landessprache Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration sind, sollen Migrant*innen die Sprache erlernen.
MachbarkeitIntegration ist (nicht) machbarWeil die Förderung der Integration (nicht) durchführbar bzw. (nicht) umsetzbar ist, sollte diese Förderung vertreten bzw. aufgegeben werden.
NotwendigkeitMoschee als NotwendigkeitWeil die Bereitstellung von Strukturen für die islamische Gemeinschaft notwendig werden wird, sollen Maßnahmen dahingehend ausgeführt werden.
NutzenMigrant*innen als wirtschaftlicher NutzenWeil eine Handlung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten einen bzw. keinen Nutzen erbringt, sollte sie ausgeführt bzw. nicht ausgeführt werden.
NutzlosigkeitDas überarbeitete Wohnbauförderungsgesetz ist nutzlosWeil bestimmte Maßnahmen/Handlungen nutzlos sind, sollten diese nicht ausgeführt/unterlassen werden.
PartizipationIntegration durch (soziale/politische) PartizipationWeil die politische Teilnahme und die Möglichkeit der Mitsprache für eine mögliche Integration (nicht) förderlich sind, sollten diese (nicht) ermöglicht werden.
PflichtWir müssen unserer Pflicht nachkommenWeil eine Handlung bzw. die Unterlassung einer Handlung der (moralischen, ethischen, religiösen oder gesetzlichen) Pflicht entspricht, soll diese Handlung ausgeführt bzw. unterlassen werden.
Politischer IslamMoschee als politischer OrtWeil

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