PATROKLUS
Paris und ich, wir küssen stets für ihn.
MENELAUS
Erlaubt mir, meinen Kuß will ich nicht missen.
CRESSIDA
So sagt: empfangt Ihr oder gebt im Küssen?
[MENELAUS
Ich nehm und geb im Kusse. ]
PATROKLUS
Er nimmt und gibt im Kusse.
CRESSIDA
Dann vergönnt:
Ihr nehmt Euch bessern, als Ihr geben könnt;
Drum keinen Kuß.
MENELAUS
Ich zahl Euch Aufgeld, geb Euch drei für einen.
CRESSIDA
Von einem halben Manne nehm ich keinen.
MENELAUS
Ein halber? Und wo wär die andre Hälfte?
CRESSIDA
Die hat Prinz Paris längst sich eingefangen,
Als er mit Eurer Frau davongegangen.
MENELAUS
Ihr schnippt mir an die Stirn.
CRESSIDA
O nein, fürwahr!
ULYSSES
Wie bracht Eur Händchen seinem Horn Gefahr?
Darf ich um einen Kuß Euch bitten, Schöne?
CRESSIDA
Ihr dürft!
ULYSSES
Gern hätt ich einen!
CRESSIDA
Nun, so bittet!
ULYSSES
Um Venus werde mir ein Kuß von dir,
Wenn Helena als Jungfrau lebt, und hier!
CRESSIDA
Sobald die Schuld verfallen, zahl ich sie.
ULYSSES
Dann hat es gute Zeit, Ihr küßt mich nie.
DIOMEDES
Fräulein, ein Wort: ich bring Euch Euerm Vater.
Geht mit Cressida ab.
NESTOR
Sie hat behenden Witz.
ULYSSES
Pfui über sie!
An ihr spricht alles, Auge, Wang und Lippe,
Ja selbst ihr Fuß; der Geist der Lüsternheit
Blickt vor aus jedem Glied und Schritt und Tritt.
O diese stets Bereiten, Zungenglatten,
Die Willkomm schielen, eh man sie noch grüßt,
Und weit aufklappen ihres Herzens Buch
Für jeden Lesers Kitzel! Merkt sie euch
Als niedre Beute der Gelegenheit
Und Töchter schnöder Lust.
Trompetenstoß.
ALLE
Trojas Trompete!
AGAMEMNON
Seht, es naht der Zug!
Es treten auf Hektor, bewaffnet, Äneas, Troilus , Paris, Helenus und Trojaner mit Gefolge.
ÄNEAS
Heil, Griechenfürsten! Was wird dem zuteil,
Der obsiegt? Oder habt Ihr nicht den Vorsatz,
Daß ein Sieger sei? Sollen die Ritter
Aus aller Kraft sich bis aufs äußerste
Bekämpfen? Oder wird der Streit geschieden
Durch irgendein Gebot und Kampfgericht?
So fragt Euch Hektor.
AGAMEMNON
Was ist Hektors Wunsch?
ÄNEAS
Ihm gilt es gleich, er fügt sich der Bestimmung.
ACHILLES
Ganz Hektorn ähnlich, doch sehr zuversichtlich,
Ein wenig stolz, und überaus mißachtend
Den Gegner.
ÄNEAS
Wenn Achilles nicht, mein Fürst,
Wer seid Ihr?
ACHILLES
Wenn Achilles nicht, dann nichts.
ÄNEAS
Achilles also. Doch was auch, vernehmt:
In beiden Äußersten von groß und klein
Sind Mut und Stolz in Hektor unerreicht;
Der eine fast so endlos wie das All,
Der andre leer wie nichts. Erwägt ihn recht,
Und was Euch stolz scheint, ist nur Höflichkeit:
Held Ajax ist von Hektors Blute halb,
Zuliebe dem bleibt Hektor halb zu Hause;
Halb Herz, halb Hand, halb Hektor naht er, wo er
Den Bastardhelden sucht, halb Griech, halb Troer.
ACHILLES
Ein Scheingefecht also! Ha, ich versteh Euch!
Diomedes tritt auf.
AGAMEMNON
Hier kommt Fürst Diomed. Auf, edler Ritter,
Stellt Euch zu unserm Ajax; so wie Ihr
Und Lord Äneas ordnen dies Gefecht,
So sei es: ob ein Anlauf, ob ein Gang
Auf Tod und Leben; weil die zwei verwandt,
Ist halb der Kampf erloschen, eh entbrannt.
Ajax und Hektor steigen in den Ring.
ULYSSES
Sie stehn sich gegenüber.
AGAMEMNON
Wer ist der Troer, der so finster schaut?
ULYSSES
Des Priam jüngster Sohn, ein echter Ritter;
Kaum reif, schon unvergleichbar; fest von Wort,
Beredt in Tat und tatlos in der Rede;
Nicht bald gereizt, doch dann nicht bald besänftigt;
Sein Herz wie Hand gleich offen, beide frei:
So gibt er, was er hat, spricht, was er denkt;
Doch gibt er nur, lenkt Urteil seine Güte.
Nie adelt er durch Wort unwürdges Denken;
Mannhaft wie Hektor, doch gefährlicher;
Denn Hektor, selbst in Zornes Glut, bleibt immer
Noch schonungsvoll; doch dieser, kampfentflammt,
Ist rachedurstiger als die Eifersucht.
Man nennt ihn Troilus und baut auf ihn
Die zweite Hoffnung, stark, wie Hektor selbst;
So spricht Äneas, der den Jüngling kennt
Ganz durch und durch und in Geheimgespräch
Im großen Ilion mir ihn so geschildert.
Trompeten. Hektor und Ajax kämpfen.
AGAMEMNON