So großes Leid vermag kein Trost zu mindern.
Troilus kommt.
PANDARUS
Hier, hier, hier kommt er. Ach die lieben Täubchen!
CRESSIDA
O Troilus! Troilus!
PANDARUS
Welch ein Schauspiel! Das arme Paar! Laßt mich euch auch umarmen! – O Herz – wie's im alten Liede steht –
O Herz, o volles Herz,
Was seufzest du und brichst nicht?
Und er antwortet hernach:
Weil du nicht lindern kannst den Schmerz,
Drum wendst du dich und sprichst nicht.
Nie gabs einen so wahren Reim. Man muß nichts wegwerfen, denn wir könnens alle erleben, solchen Vers nötig zu haben; wir sehn es, wir sehn es. Nun, meine Lämmchen?
TROILUS
Ich liebe dich mit solcher seltnen Reinheit,
Daß selge Götter, meiner Liebe zürnend,
Die heißer, als Gebet von kalten Lippen
Der Gottheit dargebracht, dich mir entreißen!
CRESSIDA
Sind Götter neidisch?
PANDARUS
Ja, ja! da sieht mans deutlich!
CRESSIDA
Und ist es wahr? Muß ich von Troja scheiden?
TROILUS
Verhaßte Wahrheit!
CRESSIDA
Auch von Troilus?
TROILUS
Von Troja wie von Troilus!
CRESSIDA
Unmöglich!
TROILUS
Und augenblicks, so daß des Schicksals Hohn
Das Lebewohl zurückweist, jede Muße
Grausam versagt, arglistig unsern Lippen
Alle Vereinung wehrt, gewaltsam hemmt
Der Lieb Umarmung und den Schwur erstickt
Im Kreißen und Geburtsschmerz unsres Atems.
Wir beide, die wir uns mit tausend Seufzern
Gewonnen, müssen ärmlich uns verkaufen
Für eines einzgen abgebrochnen Hauch.
Der rohe Augenblick, mit Diebes Hast,
Zwängt ein den reichen Raub fast unbesehn.
So viel Lebwohl als Stern am Himmel, jedes
Mit eignem Kuß und Abschiedswort besiegelt,
Rafft täppisch er zusammen in ein Wort, Und speist uns ab mit einem dürftgen Kuß, Verbittert mit dem Salz verhaltner Tränen.
ÄNEAS
draußen. Prinz, ist das Fräulein nun bereit?
TROILUS
Sie rufen dich! So ruft der Todesengel
Sein »Komm!« dem Mann, der plotzlich sterben soll. –
Heißt jene warten, sie wird gleich erscheinen.
PANDARUS
Wo sind meine Tränen? Regnet, damit dieser Sturm sich lege, sonst reißt es mein Herz mit allen Wurzeln aus.
Pandarus geht.
CRESSIDA
So muß ich zu den Griechen?
TROILUS
's ist kein Mittel!
CRESSIDA
Ein trauernd Mädchen bei den lustgen Griechen?
Wann werden wir uns wiedersehn?
TROILUS
Hör mich, Geliebte, bleibe du nur treu –
CRESSIDA
Ich treu? Wie das? Welch schmählicher Verdacht!
TROILUS
Nein, laß uns freundlich schlichten diesen Streit,
Er scheidet gleich von uns.
Ich sage nicht aus Argwohn: »Sei mir treu«,
Denn selbst dem Tod werf ich den Handschuh hin,
Daß ohne Fleck und Makel sei dein Herz;
Dies »Sei mir treu« war nur, um einzuleiten
Die folgende Beteurung: Sei mir treu,
Und bald seh ich dich wieder!
CRESSIDA
O dann, mein Prinz, wagt Ihr Euch in Gefahren
Zahllos und furchtbar. Doch ich bleib Euch treu!
TROILUS
Dann lockt Gefahr mich. Tragt die Ärmelkrause.
CRESSIDA
Und Ihr den Handschuh. Wann seh ich Euch wieder?
TROILUS
Erkaufen werd ich mir die griechschen Wachen
Und dann dich nachts besuchen. Doch sei treu!
CRESSIDA
O Himmel! Wieder dies: Sei treu!
TROILUS
Hör an,
Geliebteste, weshalb ich dirs gesagt:
Die griechschen Jünglinge sind reich begabt;
Ihr Lieben schmücken sie mit Körperschönheit,
Und Kunst und List vollenden ihren Reiz.
Wie Neuheit rühren mag und Wohlgestalt,
Ach, läßt mich eine fromme Eifersucht
– Ich bitt dich, nenn es tugendhafte Sünde –
Zu sehr befürchten.
CRESSIDA
Oh, Ihr liebt mich nimmer!
TROILUS
Dann mag ich sterben als ein Bösewicht!
Nicht deine Treu und Liebe macht mich zweifeln
So sehr, als was ich bin. Ich kann nicht dichten,
Nicht springen wie ein Tänzer, zierlich plaudern,
Noch feine Spiele spielen; lauter Gaben,
Worin die Griechen meisterlich gewandt.
Allein ich weiß, in jeder dieser Zierden
Lauert ein listger, stummberedter Teufel,
Der schlau versucht. O laß dich nicht versuchen!
CRESSIDA
Glaubst du, ich werd es?
TROILUS
Nein!
Doch oft geschieht uns, was wir nicht gewollt,
Und oftmals sind wir unsre eignen Teufel,
Wenn wir des Willens Schwäche selbst versuchen,
Zu sicher unsrer wandelbaren Kraft.
ÄNEAS
draußen. Nun, werter Prinz –
TROILUS
Noch einen Kuß zum Abschied!
PARIS
draußen. Auf, Bruder Troilus!
TROILUS