Denn Ehre wandelt in so engem Hohlweg,
Daß einer Platz nur hat; drum bleib im Gleise! Denn tausend Söhne hat die Ruhmbegier, Und einer drängt den andern; gibst du Raum, Lenkst du zur Seit und weichst vom gradsten Weg, Gleich eingetretner Flut stürzt alles vor Und läßt dich weit zurück, Oder du fällst, ein edles Roß, im Vorkampf Und liegst als Damm für den verworfnen Troß, Zerstampft und überrannt. Was diese jetzt tun, Wird Größres, das du tatest, überragen; Denn Zeit ist wie ein Wirt nach heutger Mode, Der lau dem Gast die Hand drückt, wenn er scheidet. Doch ausgestreckten Arms, als wollt er fliegen, Umschlingt den, welcher eintritt. Stets lächelt Willkomm, Lebewohl geht seufzend. Nie hoffe Wert für das, was war, als Lohn; Denn Schönheit, Witz, Geburt, Verdienst im Kriege, Kraft der Sehnen, Geist, Freundschaft, Wohltat, alle sind sie Knechte Der neidischen, verleumdungssüchtgen Zeit. Natur macht hierin alle Menschen gleich: Einstimmig preist man neugebornen Tand, Ward er auch aus vergangnem nur geformt, Und schätzt den Staub, ein wenig übergoldet, Weit mehr als Gold, ein wenig überstäubt. Die Gegenwart rühmt Gegenwärtges nur; Drum staune nicht, o hochberühmter Held, Daß alle Griechen jetzt auf Ajax schaun, Denn die Bewegung fesselt mehr den Blick Als Ruhendes. Sonst jauchzte alles dir, Und tät es noch, und würd es wieder tun, Wenn du dich lebend selber nicht begrübst Und deinen Ruhm einhegtest in dein Zelt, Du, dessen glorreich Tun noch jüngst im Kampf Neid und Parteiung selbst den Göttern schuf Und Mars einschreiten ließ.
ACHILLES
Für mein Verhalten
War starker Grund.
ULYSSES
Doch wider dein Verhalten
Sind heldenhafter noch die Gründ und mächtger.
Es ist bekannt, Achill, Ihr seid verliebt
In eine Tochter Priams.
ACHILLES
Ha! Bekannt?
ULYSSES
Ist das ein Wunder?
Die Weisheit einer klug wachsamen Staatskunst
Kennt jedes Korn beinah von Plutus' Gold,
Ergründet unerforschte Tiefen, sitzt
Zu Rat mit dem Gedanken, ja, wie Götter
Fast schaut sie die Gedanken schleierlos
In ihrer stummen Wiege.
Ein tief Geheimnis wohnt – dem die Geschichte
Stets fremd geblieben – in des Staates Seele,
Des Wirksamkeit so göttlicher Natur,
Daß Sprache nicht noch Feder sie kann deuten.
All der Verkehr, den Ihr mit Troja pflogt,
Ist völlig so bekannt uns, Fürst, wie Euch,
Und besser ziemte wohl sichs für Achill,
Hektorn bezwingen als Polyxena!
Denn zürnen muß daheim der junge Pyrrhus,
Wenn durch die Inseln Famas Tuba schallt
Und unsre griechschen Mädchen hüpfend singen:
Des Hektor Schwester konnt Achill besiegen,
Doch Hektor selbst mußt Ajax unterliegen. –
Lebt wohl, ich sprach als Freund. Der Tor kann gleiten
Nun übers Eis, weil Ihrs nicht bracht beizeiten.
Ulysses geht ab.
PATROKLUS
Wie oft ermahnt ich Euch zu gleichem Zweck!
Ein Weib, das unverschämt und männlich ward,
Ist nicht so widrig als ein weibscher Mann,
Wenns Taten gilt. Ich werde drum gescholten!
Man glaubt, mein schwacher Eifer für den Krieg
Und Eure Gunst zu mir lähmt Euern Arm.
Drum, Liebster, auf! Des zarten Weichlings Amor
Lieblich Umarmen streift von Euerm Nacken,
Und wie Tautropfen von des Löwen Mähne
Sei er zu luftgem Nichts zerschüttelt.
ACHILLES
Soll
Ajax mit Hektorn kämpfen?
PATROKLUS
Ja, und vielleicht viel Ehr an ihm gewinnen.
ACHILLES
Ich seh es wohl, mein Ruhm steht auf dem Spiel;
Mein Ruf ist schwer verwundet.
PATROKLUS
O dann wahrt Euch!
Denn selbstgeschlagne Wunden heilen schwer!
In Ohnmacht unterlassen das Notwendge,
Heißt eine Vollmacht zeichnen der Gefahr;
Und heimlich faßt Gefahr uns wie ein Fieber,
Selbst wenn wir müßig in der Sonne sitzen.
ACHILLES
Geh, ruf mir den Thersites, holder Freund;
Den Narrn send ich zum Ajax und ersuch ihn,
Die Troerfürsten zu mir einzuladen,
Uns friedlich nach dem Kampfe hier zu sehn.
Mich treibt ein kranker Wunsch, ein Fraungelüst,
Im Hauskleid hier zu sehn den großen Hektor,
Mit ihm zu reden, sein Gesicht zu schaun
Nach Herzenslust.
Thersites tritt auf. Da sieh, ersparte Müh! [Thersites tritt auf. ]
THERSITES
Ein Wunder!
ACHILLES
Was?
THERSITES
Ajax geht das Feld auf und ab und sucht nach sich selbst.
ACHILLES
Wieso?
THERSITES
Morgen soll er seinen Zweikampf mit Hektor bestehn und ist so prophetisch stolz auf ein heroenmäßiges Abprügeln, daß er, ohne ein Wort zu reden, rast.
ACHILLES
Wie das?
THERSITES
Ei nun, er stolziert auf und ab wie ein Pfau, ein Schritt und dann ein Halt, murmelt, wie eine Wirtin, die keine Rechentafel hat als ihren Kopf, um die Zeche richtig zu machen, beißt sich in die Lippe mit einem staatsklugen Blick, als wollt er sagen: In diesem Haupt wäre Witz, wenn er nur heraus könnte; und es ist auch vielleicht welcher da, aber er liegt so kalt in ihm wie Feuer im Kiesel, das nicht zum Vorschein kommt, eh er geschlagen wird. Der Mann ist auf ewig geliefert, denn wenn ihm Hektor nicht im Kampf den Hals bricht, so bricht er ihn sich selbst durch seinen Dünkel. Mich kennt er nicht mehr; ich sagte ihm: Guten Morgen, Ajax, und er antwortete: Großen Dank, Agamemnon! Was meint Ihr von einem Menschen, der mich für den Feldherrn ansieht? Er ist ein wahrer Landfisch geworden, sprachlos, ein Ungeheuer. Hoi der Henker die öffentliche Meinung! Es kann sie einer auf beiden Seiten tragen, wie ein ledernes Warns.
ACHILLES
Du sollst mein Gesandter an ihn sein, Thersites.
THERSITES
Wer, ich? Ei, er gibt niemand Antwort; Antworten sind seine Sache nicht; reden schickt sich für Bettler; er trägt die Zunge im Arm. Ich will ihn Euch vorstellen; laßt nun Patroklus Fragen an mich richten, Ihr sollt ein Schauspiel vom Ajax sehn.
ACHILLES
Red ihn an, Patroklus. Sag ihm, ich lasse den tapfern Ajax in Demut ersuchen,