Der die Träume hört. Selim Özdogan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Selim Özdogan
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960542032
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mal zusammen vor dem Rechner gesessen.

      Er schüttelte den Kopf.

      – Ich weiß von nichts.

      – WalterCojonesWhite, sagte ich.

      Er konnte seine Überraschung nicht überspielen.

      Ich erinnerte mich daran, wie es früher gewesen war, wenn solche Jungs Gras kaufen wollten. Sie taten immer cool, aber man konnte ihnen ansehen, dass sie die Hosen gestrichen voll hatten.

      – Kommt dir also bekannt vor.

      Er schaute auf sein Knie, nicht auf das, das auf und ab wippte, sondern auf das andere.

      – Schau, ich bin nicht die Polizei. Ich möchte nichts von dir, außer ein paar Informationen.

      Kurz sah er hoch.

      – Ihr wart neugierig. Irgendwann habt ihr angefangen zu kiffen. Vielleicht weil Fynn etwas im Internet bestellt hat, vielleicht weil er in der Schule oder auf der Straße etwas gekauft hat. Viele Menschen kiffen, das ist nichts Besonderes mehr.

      Er sagte nichts.

      – Ihr habt gekifft, das kannst du ruhig zugeben. Ich erzähle nichts weiter. Alles hier bleibt unter uns.

      Er schwieg weiterhin.

      Ich zögerte, vielleicht war es noch zu früh. Vielleicht auch nicht.

      – Jeder zweite kifft heutzutage, sagte ich. Auch unter den Erwachsenen, ich kiffe auch, schau …

      Ich holte das Gras aus meiner Hosentasche.

      Feinstes Critical Mass, nur Blüten, kein Kleinkram, ich habs im Internet gekauft, bei Dream Market, bei einem Händler, dem ich vertraue.

      Das ist ein Trick, oder?

      Was für ein Trick?

      Sie sind verdeckter Ermittler oder so.

      Wenn ich ein verdeckter Ermittler wäre, dann dürfte ich dir bestimmt kein Gras schenken, aber das ist genau das, was ich jetzt tue. Hier.

      Ich hielt ihm das Tütchen hin, er bewegte sich nicht, löste seinen Blick aber auch nicht von dem Gras.

      – Du kannst mir vertrauen. Und ich vertraue dir. Wenn du jemandem davon erzählst, bin ich geliefert. Dann bin ich den Job los und habe Probleme. Dein Vater würde mich sofort verklagen.

      Das schien ihn zu überzeugen, zögerlich nahm er das Tütchen.

      Er kiffte ohnehin. Und er würde mich nicht verraten. Er ließ das Gras in einer Dose in einer abschließbaren Schreibtischschublade verschwinden.

      – Also? Willst du mir ein bisschen was erzählen?

      – Sie sind wirklich kein verdeckter Ermittler oder so?

      – Du hast zu viele amerikanische Serien gesehen. Verdeckte Ermittler dürfen so etwas nicht, nicht in Deutschland. Google es, wenn du möchtest, ich warte.

      Er schüttelte den Kopf.

      – Also, ihr habt irgendwann angefangen zu kiffen.

      – Ja.

      – Wann?

      – So ungefähr vor zwei Jahren. Fynn hatte es auf dem Schulhof gekauft. Von so einem Iraner. Aber dann hat er irgendwann Dream Market entdeckt, wo er dann billiger bestellen konnte.

      Ich verkniff mir das Lächeln. Natürlich hatte es auf dem Schulhof für Fynn einen Bonzenzuschlag gegeben.

      – Und dann kam Fynn mit diesen anderen Sachen. Ecstasy, Mephedron, Alprazolam, um runterzukommen. Ich habe nur mitgemacht, ehrlich.

      – Aber du fandest es schon geil. Ecstasy, du glaubst deine Schädeldecke hebt ab, dein Mund wird ganz trocken und du kannst die ganze Welt lieben. Und verstehen.

      Er wusste immer noch nicht wie er mich einschätzen sollte, doch langsam hatte ich ihn.

      – Woher kennen Sie seinen Nick?, fragte er.

      – Sein Vater hat mir seinen Rechner und sein Smartphone gegeben.

      – Auf dem Laptop ist ein Passwort.

      – Ja. Aber die Festplatte ist nicht verschlüsselt. So ein Passwort lässt sich leicht umgehen.

      – Ja?

      – Eine Sache von zwei Minuten.

      Er überlegte.

      – Aber dann wissen Sie ja immer noch nicht seinen Nick.

      – Richtig. Aber wusstest du, dass Fynn eine Liste mit seinen Nicks und Passwörtern hatte? Fein säuberlich als Worddokument mit dem Namen Eingänge in einem Unterordner des Bilderordners versteckt. Meins hieß der Ordner. Ich habe mich mit seinen Daten bei Dream eingeloggt.

      Ich machte eine Pause, doch Niklas zeigte keine Reaktion.

      – Warst du dabei, als er das Mephedron bestellt hat?

      – Ja.

      – Wie lange ist das her?

      – Ich weiß nicht mehr.

      – So ungefähr?

      – Zwei Monate.

      Ich nickte. Als ich auf die Bestellhistorie geklickt hatte, hatte ich mich schon gefreut, dass es so einfach war. Doch da waren nur zwei Bestellungen Gras zu sehen gewesen, aber kein Mephedron. Was hatte ich geflucht. Und mich gefragt, ob sie es vielleicht doch woanders gekauft hatten. Oder mit einem anderen Account. Doch jetzt wurde die Sache klarer, Bestellungen, die länger als vierzig Tage zurücklagen, wurden automatisch vom System gelöscht.

      – Ihr habt bestellt und dann das Mephedron zwei Monate lang liegen lassen?

      Er nickte.

      – Warum?

      – Es hat sich keine Gelegenheit ergeben.

      – Warum?

      – Klausuren, keine sturmfreie Bude. So Dinge halt.

      – War es euer erstes Mal Mephedron?

      – Nein.

      – Niklas, schau mich bitte an. Fynn war dein Freund, oder?

      – Ja.

      – Dein bester Freund?

      – Ja.

      – Möchtest du mir ihm zu Ehren die Wahrheit sagen? Damit wir möglichst viel erfahren? Niemand bestellt Mephedron und lässt es dann zwei Monate lang liegen, weil er keine Gelegenheit hat.

      Zwei Monate, das war so viel Zeit, wenn man jung war.

      Sein Knie wippte schneller.

      – Meine Freundin will nicht, dass ich es nehme, und wir haben es dann immer wieder aufgeschoben, weil ich nicht wollte, dass sie es mitkriegt.

      – Und Fynn hat gewartet?

      Er senkte den Kopf und schloss die Augen.

      – Wie ein richtiger Freund, sagte ich. Mein Beileid.

      Er war mir nicht sympathisch, aber ich konnte seinen Schmerz fühlen. Vielleicht redete ich mir das nur ein und er erinnerte mich an meinen eigenen.

      Ich dachte daran, wie die Polizei mich nach Hause gebracht hatte, weil ich beim Klauen erwischt worden war. Kamber hatte Sevgi gegenüber behauptet, er wäre es gewesen, der geklaut hätte, aber ich hätte im Laden die Schuld auf mich genommen. Sie hatte ihm geglaubt und mir nicht. Sie hatte Kamber gesagt, er solle sich ein Beispiel an mir nehmen, und ich hatte Tränen in den Augen gehabt. Vor Wut. Vor Rührung. Ich wusste noch, wie Kamber mir zugelächelt hatte, als sie gerade nicht hinguckte. Wie lange hatte es gewirkt, als könnte er alles auf seine Schultern laden. Damals hatte er beim Basketball noch im Alleingang Spiele entschieden und 25-Punkte-Rückstände aufgeholt.

      Niklas schaute mich an, weil ich nichts sagte.

      Ich zögerte.