Die FROST-Chroniken 1: Krieg und Kröten. Susanne Pavlovic. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Susanne Pavlovic
Издательство: Bookwire
Серия: FROST-Chroniken
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958691346
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als Yuriko am nächsten Tag inmitten der Trümmer seines Hauses stand. Frakis hatte ihn beschworen, zumindest nach Beweisen zu suchen, dass die beiden Angreiferinnen wirklich umgekommen waren. Der Schwertkämpferin war ein halbes Haus auf den Kopf gefallen. Der Verbleib der Kuttenfrau hingegen war nicht ganz geklärt – Yuriko ging davon aus, dass sie eines der Gerippe auf diesem Berg von Knochen war, konnte aber nicht völlig sicher sein. Was er Frakis nicht gesagt hatte. Frakis neigte zum Grübeln und dazu, sich unnötige Sorgen zu machen.

      Yuriko packte einen verkohlten Dachbalken, spannte alle Muskeln an und bewegte das schwere Ding ein Stück zur Seite. Wenn er Glück hatte, fand er das Schwert der Angreiferin. Das ließ sich für ein paar Goldschwäne verkaufen. Knochen, spröde vom Feuer, knirschten unter seinen Stiefeln. Verkohlte Reste seiner Treppe kamen zum Vorschein, noch mehr Knochen, Rippen, Totenschädel. Yuriko fragte sich, woher die alle stammten. Die Siedlungsgeschichte der Stadt reichte zehntausend Jahre zurück, das wusste er von Frakis. Sicher waren in dieser langen Zeit eine Menge Leute gestorben. Hatte die Kuttenfrau die alle von den Toten geholt? Oder hatte sie sie erschaffen?

      Er durfte sich hier nicht zu lange aufhalten. Er musste an die Arkania, das Anschlagsbrett nach zumutbaren Aufträgen kontrollieren. So war das also, wenn man wieder ganz von vorne anfing.

      Er nahm sich ein Brett und stocherte damit zwischen den Knochen herum. Kein Schwert, keine Gürtelschnalle, nur Asche und Ruß und beißender Gestank. Dann gab Padda auf seiner Schulter ein tiefes Quaken von sich. Yuriko sah auf. In den Resten des Türrahmens stand Florine.

      »Hast du Pläne, von denen ich nichts weiß?«

      »Flori! Was machst du denn hier?«

      Er stolperte von seinem Schuttberg und auf sie zu. Auf ihrer ausgestreckten Hand ruhte der Zauberring, den er der Schwertkämpferin vom Finger geglüht hatte. Er war voller Ruß und hatte schon einen schwarzen Abdruck auf Florines Handschuh hinterlassen. Sie lächelte zu ihm auf.

      »Hab ich gerade auf deiner Schwelle gefunden. Gehst du auf Freiersfüßen, Herr Krötenmeister?«

      »Nur für dich, meine Sonne, das weißt du doch. Nein. Ich hatte gestern ungebetenen Besuch, und eine der Beiden hat ihn verloren. Es liegt ein Sprachenzauber darauf.«

      Sie ließ den Ring in seine Hand gleiten, und er steckte ihn ein.

      »Galina hat mir erzählt, was vorgefallen ist«, sagte Florine. »Geht es dir gut?«

      »Blendend, seit ich dich sehe.«

      »Schmeichler. Ich mache mir Sorgen. Da kommen irgendwelche Frauen aus einem fernen Land und wollen dir ans Leben.«

      »Aber ich habe nur Augen für dich, das weißt du doch.«

      Florine presste sich ein Taschentuch gegen ihre Nase. Es war so blütenweiß wie ihr Handschuh. Beides wirkte seltsam fehl am Platz in der schwarz verbrannten Ruine.

      Yuriko räusperte sich.

      »Ich würde dich ja reinbitten, aber seit das Dach runtergekommen ist, macht das nicht mehr viel Unterschied.«

      »Die Trümmer sind auch immer noch ziemlich heiß. Du spürst das vielleicht nicht, aber wir Normalsterbliche halten das schlecht aus.«

      »Warte. Ich habe eine Idee.«

      Ohne sie zu berühren, geleitete er sie aus dem Haus und um die Ruine herum, über verbranntes Gras hinüber zum Teich.

      »Bitte, nimm doch Platz.«

      Er machte eine einladende Geste auf den Steg, und sie ließ sich nieder und zog die zierlichen Füße unter ihre Gewänder. Er setzte sich ihr gegenüber und fühlte sich unbeholfen wie ein Klotz. Padda hüpfte von seiner Schulter und verschwand platschend im Teich.

      »Wenn ich könnte, würde ich dir Tee anbieten, und Likör, und Marzipan. Und mein Herz. Aber wie du siehst, kann ich nicht. Ich bin wahrscheinlich der ärmste Mann der ganzen Stadt.«

      »Dein Herz ist nicht verbrannt in diesem Haus.«

      »Nein, aber …«

      Sie griff nach seiner Hand. Die Worte erstarben auf seinen Lippen. Sie hielt seine Hand umfasst, mit zarten, leichten Fingern, der Ruß von seiner Haut rieb auf das feine Leder ihrer Handschuhe ab, es schien sie nicht zu stören.

      »Ich bin gekommen, um deine Einladung anzunehmen. Ich möchte sehr gerne mit dir ausgehen. Wenn du allerdings dafür gerade keinen Sinn hast, nach allem, was war, bin ich dir nicht böse.«

      »Keinen Sinn? Ich ließe mich von den Toten zurückholen, um mit dir auszugehen!«

      Sie warf einen unbehaglichen Blick zum Haus, und ohne nachzudenken, fasste er ihr Kinn und drehte ihr Gesicht zum Teich.

      »Verzeih mir. Dumme Bemerkung.«

      Seine Finger hinterließen einen Schatten aus Ruß auf ihrer weißen Haut.

      Er überlegte, das Missgeschick mit dem Ärmel zu beseitigen, aber der war mindestens so schmutzig wie seine Hände, und dann vergaß er ohnehin alles, weil sie lächelte.

      »Ich nehme das als Zustimmung«, sagte sie. »Wir könnten am Tag der Götter durch den Stadtgarten spazieren und danach irgendwo einkehren. Ich möchte so gerne wieder einmal auswärts essen. Und mach dir keine Sorgen um das Geld. Ich bin keine ganz arme Frau.«

      »Aber das ziemt sich doch nicht«, sagte er niedergeschlagen. »Ich kann mir bestimmt etwas von Frakis leihen.«

      »Hör auf, die Leute anzupumpen«, sagte sie. »Und hör auf, dir Gedanken zu machen, was sich ziemt und was nicht. Das ist doch sowieso nicht deine Art.«

      »Ich will einfach alles richtig machen, verstehst du. Der Mann sein, den du dir wünschst.«

      »Dazu musst du mich doch nur weiterhin so ansehen.«

      Vorsichtig strich sie ihm eine Haarsträhne hinters Ohr. Er wagte nicht zu atmen.

      »Ich habe dich vermisst«, sagte sie. »Und ich kam mir schrecklich selbstsüchtig dabei vor. Dich zu vermissen, obwohl meine Nähe dich leiden ließ. Und das schlechte Gewissen, dass du womöglich wegen mir alles hingeworfen hast.«

      »Ich wollte nicht so lange wegbleiben. Aber als ich einmal unterwegs war, wollte ich so schnell nicht zurück. Der Abstand tat mir gut. Und als ich dann wollte, konnte ich nicht mehr. Die Welt ist wirklich ganz erstaunlich groß.«

      Vorsichtig umschloss er ihre Hände mit den seinen. Die Sehnsucht, ihre Haut zu spüren, wurde übermächtig, und er begann, an den Fingerspitzen ihres Handschuhs zu zupfen, halb darauf vorbereitet, dass sie ihn zur Ordnung rufen oder sich ihm entziehen würde, doch sie tat nichts dergleichen.

      »Vielleicht habe ich einen Fehler gemacht«, sagte sie leise. »Vielleicht hätte ich mich damals schon für dich entscheiden sollen.«

      »Danilo hatte Geld und Umgangsformen und eine gute Familie. Er lag dir zu Füßen. Ich war ein riesiger, peinlicher Trottel mit einem erfundenen Namen und einer schlecht bezahlten Hilfslehrerstellung. Er war eindeutig die bessere Wahl.«

      »Damals schien es so.«

      Der Handschuh löste sich von ihren Fingern, ein bisschen widerstrebend, was Yuriko gut verstehen konnte. Er spürte ihre warme, weiche Haut an seiner und verging beinahe in der Berührung.

      »Du musst denken, ich nähere mich dir aus Verzweiflung«, sagte sie, ohne ihn anzusehen. »Nur um wieder an einen Mann zu kommen. Aber dem ist nicht so. Ich konnte damals wirklich nicht. Ich war nicht stark genug für dich.«

      »Und ich war nicht gut genug für dich. Bin ich heute immer noch nicht.«

      »Ach, sei still, du riesiger Trottel.«

      Ihre Finger auf seinen Lippen. Sein gesamtes Fühlen zog sich um diesen einen Punkt zusammen. Er lehnte sich ein wenig in die Berührung, dann war der Moment vergangen, und sie hielt ihm die Hand hin, damit er ihr hoch half. Er kam der unausgesprochenen Bitte nach und sah zu, wie sie sich den Handschuh überstreifte.

      »Ich