Die FROST-Chroniken 1: Krieg und Kröten. Susanne Pavlovic. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Susanne Pavlovic
Издательство: Bookwire
Серия: FROST-Chroniken
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958691346
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als unten der Lärm begann, begriff Yuriko, dass Paddas Unruhe womöglich nicht allein von der Höhe kam. Es klang, als würde jemand mit einem Panzerhandschuh gegen seine Tür klopfen, und derjenige wollte gar nicht mehr damit aufhören. Die Nachbarin lehnte sich über den Zaun und starrte hinüber zu seinem Haus.

      Auf der anderen Straßenseite gingen auch schon die Fenster auf. Yuriko seufzte schwer, klopfte seine Pfeife aus und krabbelte hinunter bis zur Dachrinne, sich mit einer Hand abstützend, mit der anderen hielt er Padda umfasst. Er bemaß die Entfernung nach unten mit einem Blick, lenkte Arkanum in seine Beine und sprang. Er kam hart auf, federte tief in die Knie, ignorierte heldenhaft das Knirschen seiner Gelenke und kam in die Höhe wie ein Junger.

      »Schönen guten Abend«, sagte er heiter. »Besuch. Das ist aber nett.«

      Arkadis stand in der offenen Tür, weiß wie ein Leintuch. In der Hand hielt sie einen Stein, mit dem sie soeben noch gegen seine arme Tür gehämmert hatte. Ihr gegenüber standen zwei fremde Personen. Die drehten sich nun zu Yuriko, und Arkadis verschwand mit einem Satz im Haus.

      Und wie fremd die waren. Die linke war eigentlich ganz hübsch – groß, schlank, weizenblond – doch dass sie ein Schwert trug, dessen Spitze sie jetzt auf Yuriko richtete, zerstörte den positiven Eindruck. Das Schwert nahm seine Aufmerksamkeit so gefangen, dass er der zweiten Besucherin kaum Aufmerksamkeit schenken konnte. Sie war nicht sichtbar bewaffnet und verbarg die Vorzüge, die sie womöglich zu bieten hatte, unter einer formlosen Kutte.

      Yuriko machte einen Schritt zurück. Die Schwertkämpferin rückte nach.

      »Wir nehmen sie«, sagte sie. »Niemand muss sterben.«

      Sie griff auf einen Sprachverständnis-Zauber zurück, der vermutlich in dem schmalen Silberring verankert war, den sie am Finger trug.

      »Ich hatte nicht vor zu sterben«, sagte Yuriko. »Heute nicht. Und eine so junge, hübsche Dame wie du sollte sich schon gar nicht mit dem Tod beschäftigen. Also steck das Schwert weg und lass uns reden.«

      »Wir nehmen die gefiederte Schlange«, sagte die Blonde. »Du bleibst uns aus dem Weg.«

      »Wie bitte? Hier gibt es keine Schlangen, Mädchen, und schon gar keine gefiederten.«

      Der Griff ihres Schwerts war mit Leder umwickelt. Das war blöd, Leder isolierte zu gut. Yuriko konzentrierte sich auf den Sprachenring – das einzige Stück Metall, das sie auf der Haut trug. Er schlug eine arkane Brücke, überwand den Sprachenzauber – ein sehr merkwürdiges, fremdes Spruchgewebe – und schickte Arkanum über die Brücke. Die Schwertkämpferin schrie und schüttelte ihre Hand. Mit einem Krötensprung brachte Yuriko sich außer Reichweite der Waffe.

      »Ich lasse mich nicht gerne bedrohen«, sagte er laut. »Also steck die Waffe weg, oder wir geraten in eine sehr hitzige Auseinandersetzung. Und die wird nicht gut für dich ausgehen, Kleine.«

      Die Blonde hatte ihr Schwert fallenlassen und riss sich nun den Ring vom Finger. Dann bückte sie sich nach dem Schwert. Yuriko sah sich um. Die Nachbarsfrau hing noch immer staunend über dem Zaun.

      »Halt mal meine Kröte.«

      »Wie bitte?!« Die Nachbarin sah schockiert drein, doch Yuriko drückte ihr ohne weitere Umstände Padda in die Hand.

      »Gut auf ihn aufpassen, ja? Ich hole ihn gleich wieder.«

      Beide Hände frei zu haben, fühlte sich besser an. Yuriko richtete sich zu seiner vollen, beeindruckenden Größe auf.

      »Hast du dich entschieden, Blondchen? Noch können wir die Angelegenheit friedlich regeln.«

      Die Blonde hatte ihr Schwert wieder von sich. Dort, wo sie den Ring getragen hatte, war ihr Finger schwarz verschmort, die Haut warf Blasen. Wenn sie Schmerzen hatte, ließ sie es sich nicht anmerken. Sie war ein halbes Dutzend Schritte von ihm entfernt und kam nun lauernd auf ihn zu. Ihre Schwertspitze zuckte wie der Kopf einer Schlange in Richtung seines Gesichts. Ein Krötensprung brachte Yuriko über sie hinweg und auf die Schwelle seiner Haustür. Eiliger Blick über die Schulter – Arkadis war nirgends zu sehen. Yuriko zog sich einen Feuerball auf die Hand, aus dessen Größe hervorgehen musste, dass mit ihm nicht zu spaßen war. Die Blonde drang auf ihn ein. Ein weiterer Krötensprung brachte ihn außer Reichweite. Er ließ den Feuerball anschwellen und bedrohlich wabern, zögerte aber, ihn zu werfen. Er machte sich bestimmt nicht beliebt in seiner Heimatstadt, wenn er gleich ein ganzes Viertel abbrannte. Er brauchte eine gute Gelegenheit.

      Er ließ die Schwertkämpferin an sich vorbei, sprang über den Zaun in den Garten der Nachbarin und ein paar Schritte weiter wieder hinaus auf die Straße. Er sah sich um. Die Blonde kam auf ihn zu. Er bewegte sich in die Mitte der Straße, um das Risiko für die Häuser so gering wie möglich zu halten, und holte aus.

      Plötzliche arkane Spannung brachte ihn aus dem Konzept. Seine Haare schlugen Funken. Staub wirbelte neben ihm auf, Asche, Fetzen einer farblosen Substanz, alles zog sich in rasender Geschwindigkeit nach oben und zu einer festen Masse zusammen – die Kuttenfrau. Ein Geruch nach Stein und Moos und Feuchtigkeit ging von ihr aus. Angeekelt machte Yuriko einen Schritt zurück. Sie öffnete den Mund und zeigte seltsam spitze Zähne, dann schnellte ihr Kopf nach vorne und sie spuckte ihm ins Gesicht.

      Yuriko war zu verblüfft, um erschrocken zu sein. Sein Feuerball erlosch. Er wollte sich die Wange abwischen, doch seine Hand blieb auf halber Strecke in der Luft hängen. Eine Körperklammer hinderte seine Bewegungen. Er ließ Arkanum daran entlang fließen, um die Schwachstelle zu suchen, die jede Körperklammer hatte – diese jedoch nicht.

      Der Mund der Kuttenfrau verzog sich zu einem abstoßenden Lächeln. Yurikos Hände hoben sich ganz ohne sein Zutun – es war, als hinge er an Fäden. Panik wallte in ihm auf. Das war keine Körperklammer, das war schlimmer.

      Seine Hände legten sich auf sein Gesicht. Seine Daumen suchten seine Augen und drückten zu. Yuriko warf seinen Willen gegen den der Kuttenfrau, aber er hatte vollständig die Kontrolle über seinen Körper verloren. Seine Daumen bohrten sich in seine Augen, dass ihm die Tränen über die Wangen liefen. Vermutlich war das erst der Anfang. Wenn die Kuttenfrau es wollte, würde er sich in das Schwert der Blonden stürzen. Das konnte doch nicht sein Ende sein – eine entstellte Leiche vor seiner eigenen Haustür. Dafür war er nicht zurückgekommen.

      Er ließ ein unsichtbares arkanes Band hervorschnellen wie eine Krötenzunge, verankerte sich in Padda und wechselte.

      Sofort befiel ihn beklemmende Atemnot. Die Nachbarin hielt den plumpen Krötenkörper viel zu fest umfasst, da half auch die höchst interessante Nähe zu ihren Brüsten nichts. Aber er war wieder Herr seines eigenen Willens. Yuriko strampelte so vergeblich wie Padda zuvor. Immerhin gelang es ihm, den Krötenkopf so weit zu drehen, um Padda ins Blickfeld zu bekommen. Der, plötzlich in den Körper seines Meisters versetzt, war auf allen Vieren und augenscheinlich auf der Flucht zum Teich. Yuriko fing ihn mit der arkanen Krötenzunge ein, ehe er außer Reichweite war, und wechselte zurück.

      Über ihm tauchte die verblüffte Kuttenfrau auf. Er wischte sich ihren Speichel von der Wange, ehe sie den mentalen Zugriff wiederherstellen konnte, dann schnellte er mit aller Kraft aus den Knien in die Höhe.

      Knochen knirschten unter seiner Faust. Die Kuttenfrau wurde von der Wucht seines Schlags von den Füßen gehoben, segelte durch die Luft und landete leblos wie ein Getreidesack auf der Straße. Yuriko wirbelte herum und hielt Ausschau nach der Schwertkämpferin. Die war nirgends zu sehen.

      Nicht gut. Yuriko stürmte durch die offene Tür ins Haus, bremste schlitternd auf den modrigen Fliesen und sah sich um.

      »Arkadis? Arkadis!«

      Der Raum war leer, der Staub auf der Treppe unberührt. Er machte zwei vorsichtige Schritte, beugte sich vor, damit er um die Treppe herum zur Hintertür sehen konnte, und tatsächlich, das leise Knirschen von Lederstiefeln, der Zipfel eines Schattens. Er klaubte ein Stuhlbein aus dem Haufen zerbrochener Möbel, die sein ganzer Besitz waren, und schlich zur Hintertür. Der Dielenboden knarrte unter seinem Gewicht, es gelang ihm nicht, die Füße lautlos zu setzen. Vielleicht war Blondchen ja abgelenkt, und er konnte von hinten –

      War