Ein Thron aus Knochen und Schatten. Laura Labas. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Laura Labas
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783959912945
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der ihnen den Grundriss des Hauses erklärte.

      Ich umfasste meine Tasche fester, als Gareth auf mich zukam. Er überragte mich um mehr als einen Kopf und wirkte in seiner schwarzen Reitbekleidung düster und gefährlich. Auf seiner unteren Gesichtshälfte hatte sich ein dunkler Bartschatten gebildet, der ihn noch attraktiver machte. In meinem Bauch kribbelte es und ich wünschte mir, Ophelia wäre an meiner Seite, damit ich mich über ihr Verhalten Gareth gegenüber lustig machen könnte. Immerhin würde ich dann nicht über mein eigenes nachdenken müssen.

      »Dorian möchte mit uns sprechen«, verkündete er mit seiner akzentbehafteten Stimme, ehe er auf die Treppen deutete.

      »Uns?«, fragte ich, mich nach meinem Team umschauend, doch sie waren bereits verschwunden.

      »Noah, dich und mich«, klärte er mich auf und setzte sich in Bewegung. Selbst ohne Ketten wusste er, dass ich ihm folgen würde. Was blieb mir auch anderes übrig? Ich hatte mit Dorian Ascia einen Pakt geschlossen, den es einzuhalten galt. Zudem brachte es nichts, davonzulaufen, da Dorian Gareth befehlen konnte, mich ausfindig zu machen. Dadurch, dass Gareth mir in regelmäßigen Abständen sein Blut eingeflößt hatte, um meine Trainingsverletzungen zu heilen, hatte sich mein Körper an ihn gebunden. Es erlaubte Gareth, mich immer und überall zu finden. Ob ich das wollte oder nicht, tat dabei nichts zur Sache.

      Gareth führte mich in den dritten Stock, wo sich Dorians Spielzimmer befand. Ich wusste nicht, ob er hier auch ein Arbeitszimmer besaß, das dem in unserem Camp ähnelte, da er mich immer nur hier getroffen hatte. Vielleicht wollte er mich auch nirgendwo anders wissen?

      Noah und Dorian befanden sich bereits dort, als wir eintraten, und schienen tief in einer Unterhaltung versunken. Beide wirkten keineswegs so, als wären sie die gleiche Strecke wie ich gereist. Ich fühlte mich klebrig, erschöpft und mir schmerzten vom Sitzen sämtliche Gelenke, aber die drei Männer sahen aus, als hätten sie sich gerade frisch herausgeputzt. Jeder war auf seine Weise attraktiv, wobei Dorian knapp fünfzehn Jahre älter aussah als die beiden Dämonen unter seinem Befehl. Ihnen allen war dieser südliche Teint zu eigen, der es mir oft erleichtert hatte zu entscheiden, ob ich es mit einem Dämon oder einem Menschen zu tun hatte. Natürlich durfte man sich genauso wenig darauf verlassen wie auf den Akzent, den Noah als Einziger nicht aufwies. Er gehörte der ersten Generation Dämonen an, die hier auf der Erde geboren worden war. Wie er mir anvertraut hatte, war das kein Vorteil, da sein Vater sich sicher gewesen war, er würde menschliches Blut in sich haben. Es endete darin, dass Noah seinen Bruder durch die Hände seines eigenen Vaters verlor, ohne dass Dorian ihn hatte beschützen können. Mir tat es noch immer im Herzen weh und das, obwohl er ein Schattendämon war. Ich wusste nicht, wie es dazu gekommen war, aber ich sah Noah als meinen Freund an. Umso schmerzhafter war die Ungerechtigkeit, die ihm widerfahren war, schließlich war die Angst seines Vaters vollkommen unbegründet gewesen. Und wenn man einmal genauer darüber nachdachte … Schattendämonen besaßen ohnehin einen menschlichen Vorfahren. Wenn ich mich recht an die Legende erinnerte, so hatte die Dämonenhexe Morrigan zusammen mit Aeshma Königsdämonen gezeugt und als dieser ihrer überdrüssig geworden war, ließ sie sich von einem Menschen trösten. Aus ihrer Verbindung entstanden dann Schattendämonen …

      »Gut, dass ihr da seid«, unterbrach Dorian sich selbst in seiner Unterhaltung und wartete, bis Gareth die Tür hinter uns geschlossen hatte.

      Meine Augen wanderten zu dem riesigen Billardtisch in der Mitte des Raumes. Die Kugeln waren verschwunden. Dorian trat einen Schritt näher und verlangte dadurch erneut meine Aufmerksamkeit. Er wusste ganz genau, wie er sich gebärden musste, um verschiedene Reaktionen bei seinem Gegenüber auszulösen. Er nahm seine Rolle als Anführer und Puppenspieler sehr ernst.

      »Nun, da wir wieder hier sind, wird sich einiges ändern müssen«, begann er, schien aber ausschließlich mit mir zu reden.

      Ich ließ meine Tasche fallen, aber er reagierte weder auf mein unabsichtlich despektierliches Verhalten noch auf den Laut, als sie schwer auf dem Boden auftraf. Ich für meinen Teil verzog das Gesicht. Mindestens zwei meiner Rippen waren nach wie vor angebrochen oder geprellt. In meinem Gesicht gab es mehrere blaue und gelbe Flecke, die mich nur bedingt störten. Nach unserem kurzen Gespräch im Camp hatte Gareth keinerlei Anstalten mehr gemacht, mich zu heilen.

      »Ich erwarte von dir, dass du mehr Verantwortung übernimmst. Du bist die Anführerin, weshalb du mit deinen Trainern gemeinsam einen Plan entwickeln wirst. Der Kampf gegen die Kaskaden hat uns unsere Defizite schmerzhaft vor Augen geführt. Es liegt nun in deiner Verantwortung, sie besser auf solche und andere Begegnungen vorzubereiten. Außerdem steht noch nicht fest, wie lange ihr in Ascia bleibt, doch soweit es mich betrifft, ist dies für sehr lange Zeit unser letztes Gespräch.«

      Mein Gesicht schien meine Verwirrung preiszugeben, da sich ein leichtes Lächeln auf Dorians Gesicht abzeichnete. Er wirkte plötzlich sehr väterlich. Das angegraute Haar trug noch dazu bei, auch wenn er in seiner Kleidung eher wie ein Geschäftsmann aussah.

      »Ich muss eine Verbindung zu dir zumindest bis zu einem gewissen Grad verleugnen können. Deshalb wirst du die Befehle ausschließlich von Gareth und Noah erhalten. Hast du noch Fragen?«

      »Nein.«

      »Also bist du einverstanden?«

      Meine Mundwinkel zuckten. »Solange du mir gibst, was ich verlange, gehöre ich dir. Allerdings …« Ich blickte von Gareth zu Noah, da ich mir nicht sicher war, ob sie die Details meiner Abmachung mit Ascia kannten. »Wann wird es so weit sein? Wie lange werde ich mein Leben für dich riskieren müssen, bis ich bekomme, was ich will?«

      Die Miene des Königs war regungslos, als würde er während seines Schweigens eine Lüge vorbereiten.

      »Die Zeit wird kommen.«

      »Nein!«, unterbrach ich ihn sofort. »Ich möchte einen Beweis haben. Eine Art … Zugeständnis, dass du dich an unsere Abmachung hältst.«

      Entweder blitzte es in seinen Augen oder ich bildete es mir ein, aber schließlich rang er sich ein Nicken ab. »In vier Monaten werde ich dir einen Namen nennen.«

      Die Antwort bestätigte meine lang gehegte Vermutung, dass er bereits wusste, wer hinter der Ermordung meiner Familie steckte, doch er vertraute mir nicht. Er wollte nicht riskieren, dass ich ihn und die Mission verließ, sobald ich einen Anhaltspunkt besaß, wer die Verantwortlichen waren. Mit dieser Einschätzung lag er gar nicht mal falsch … Auch wenn ich meine Situation zu schätzen gelernt und die Ausbildung, die mir hier geboten wurde, angenommen hatte, vergaß ich nie, dass ich mich unter Feinden befand.

      »Sonst noch etwas?«

      Ich schüttelte den Kopf.

      Ascia schien zufrieden mit meiner Antwort zu sein, da er mich mit einem Nicken entließ.

      Ich bückte mich steif, hob meine Tasche auf und schlenderte ruhiger, als ich mich fühlte, aus dem Raum. Gareth zog die Tür zu und blieb bei Dorian und Noah.

      Nach nur ein paar zurückgelegten Metern hielt ich mit pochendem Herzen inne. Es war vorbei. Ich konnte mir nicht länger vormachen, dass ich dem Königsdämon allein aus einer schwierigen Situation heraushalf. Nein. Es war ernst. Ich würde fallen, wenn Billings je Wind von mir und meinem Team bekäme, und Ascia würde nichts tun, um das zu verhindern. Ich hoffte bloß, dass ich nicht starb, bevor ich meine Rache bekam. Also, wieso nahm ich dieses Risiko auf mich? Ich konnte oder wollte die Frage nicht beantworten.

      Eine Hand auf meine linke Seite legend hielt ich inne. Gareth hatte vor so langer Zeit recht gehabt. Ich würde mit meinen Verletzungen nicht anständig trainieren können, insbesondere da ich nun auch die Verantwortung für das Training der anderen trug. Ich würde nicht zulassen, dass sie genauso endeten wie Clay, der nicht vorbereitet gewesen war. Wir dürften vielleicht Königsdämonen unterlegen sein, aber weder Menschen, selbst wenn sie Kaskaden waren, noch Schattendämonen.

      Es wäre ohnehin müßig, mich weiterhin gegen Gareths Blut zur Wehr zu setzen, da es mich bereits als seines beansprucht hatte. Eine Faust ballend fasste ich einen Entschluss und blieb weiterhin stehen.

      Und dennoch … es war in meinem Leben bereits so viel geschehen,