»Ach ja?« Noah lehnte sich noch weiter in seinem Stuhl zurück, langsam und provokant. Er hob beide Augenbrauen, während er seine Hände auf seinen flachen Bauch legte. Ich hatte ihn in Gareths Anwesenheit noch nie so entspannt gesehen.
»Du schiebst die Verantwortung dieser Entscheidung einfach von dir und erwartest, dass wir uns schlussendlich mit den Konsequenzen beschäftigen!«
»Ich dachte, ich hätte mich gerade entschieden …«
»Oberflächlich, ja. Du schlägst es vor und rechnest damit, dass wir dem Vorschlag folgen, und wenn etwas schiefläuft, ziehst du dich aus der Affäre. Wie immer.«
Noahs Lächeln schwand. So wie ich den Schattendämon kannte, haderte er innerlich mit sich selbst, ob er aufspringen sollte, um Gareth an die Gurgel zu gehen. Er blieb jedoch sitzen. »Das ist Blödsinn und …«
»Hört auf!«, zischte ich ungehalten und stützte meine Hände auf den hölzernen Tisch. »Es wird keine schlimmen Konsequenzen geben. Ich werde nicht mit meinen Waffen durchs Haus laufen, um jemanden zu verletzen, verflucht. Ihr solltet lernen, mir zu vertrauen.«
»So wie du uns vertraust?«, höhnte Gareth und richtete seinen wütenden Blick nun auf mich. Vielleicht nicht wütend, aber durchaus missbilligend.
»Ich vertraue dem Wort eures Königs. Das sollte genügen«, erwiderte ich kühl und hielt seinem bohrenden Blick stand.
»Schön«, gab er schließlich nach.
»Schön«, fauchte ich und richtete mich wieder auf. »Können wir zum nächsten Punkt kommen?« Ich hoffte wirklich, dass sie mich nicht bei jedem Vorschlag derart bekämpfen würden wie Gareth gerade.
Niemand antwortete und jeder wich meinem Blick aus.
»Wir müssen das Kämpfen in der Dunkelheit trainieren Wir haben gegen die Kaskaden ziemlich übel ausgesehen. Ihr seid durch die Dunkelheit nicht beeinträchtigt, weshalb euch dieser Gedanke vermutlich noch nicht gekommen ist«, fügte ich an, um Ty nicht weiter zu kränken. »Es wäre von Vorteil, wenn wir lernen, unsere anderen Sinne zu schärfen, um uns nicht mehr allein auf unsere Sehkraft zu verlassen. Ich zähle mich selbst dazu.«
Ty nickte. »Du hast recht. Es würde euch einen entscheidenden Vorteil bringen.«
»Gut. Zudem möchte ich, dass alle ihre Kondition trainieren und nicht nur ich.« Bei diesen Worten sah ich absichtlich Gareth an, der eine Braue hob, als würde er fragen wollen, ob ich versuchte, ihm aus dem Weg zu gehen. »Das Einzeltraining zwischen Gareth und mir bleibt bestehen«, antwortete ich ihm und überraschte ihn dadurch. Die zweite Augenbraue gesellte sich zur ersten. »Während die anderen an ihrer Ausdauer arbeiten, werde ich weiter mit Noah trainieren. Es kann nie schaden, mit verschiedenen Waffen zu üben.«
»Das halte ich auch für eine gute Idee«, brummte Clarke in meine Richtung. »Ist ja schon fast peinlich, wie fertig ihr manchmal nach dem Training seid.«
Ty und Noah lachten, als würden sie sich über unsere Schwäche köstlich amüsieren. Ich ließ ihnen ihren Spaß, solange sie mir nicht im Weg standen.
»Wie lange werden wir hierbleiben?«, fragte ich schließlich, da sich Dorian ziemlich vage in Bezug auf unsere Aufenthaltsdauer geäußert hatte.
»Ein paar Wochen. Danach suchen wir das Ausbildungszentrum unserer Soldaten auf, das von Adam geleitet wird«, antwortete Gareth. »In der Gegend darum haben wir bisher auch die meisten Vessen entdeckt. Es eignet sich perfekt als Ausgangspunkt.«
Vessen – wahnsinnig gewordene Schattendämonen. Allein aus diesem Grund war ich hier.
»Werden wir dort nicht Probleme bekommen, weil uns noch mehr Dämonen sehen?«
»Ihnen vertraue ich um einiges mehr als denjenigen, die sich hier aufhalten. Soldaten gehorchen Befehlen ihrer Vorgesetzten. Der Adel hört nur demjenigen zu, der mit dem meisten Geld vor ihrem gepuderten Gesicht wedelt.«
»Ich stimme Davenport ausnahmsweise einmal zu«, grinste Noah breit und verschränkte die Hände an seinem Hinterkopf.
»Du machst Witze«, grummelte ich. Bevor jemand etwas hinzufügen konnte, wurden wir von der Ankunft der anderen Novizen unterbrochen, die beinahe in Reih und Glied die Treppe herunterschritten. Sie wirkten ernst.
»Lasst uns mit dem Training beginnen«, verkündete Ty. »Wir müssen uns, solange wir hier sind, mit dem Garten als Trainingsort für das Waffentraining zufriedengeben, aber wir haben Ascia überzeugt, uns einen Raum zur Verfügung zu stellen.« Er ging zusammen mit Clarke wieder die Treppen hoch.
Ich zögerte einen Moment, dann ließ ich Noah allein mit Gareth zurück und betete, dass er keinen Streit vom Zaun brechen würde. Noah war zwar ein überdurchschnittlich guter Kämpfer, aber ich war mir nicht sicher, ob er eine Chance gegen Gareth hatte, der seinerseits ein überdurchschnittlich geschickter Königsdämon war. Und das, obwohl er sich nicht mal während eines Kampfes wandelte, um damit seine gesamte Kraft auszuschöpfen. Hinter dieses Geheimnis war ich noch immer nicht gekommen, wenn es denn ein Geheimnis gab. Vielleicht hatte er es auch nur unter seiner Würde gefunden, sich im Kampf gegen einfache Kaskaden zu wandeln.
Kapitel Fünf
Der Raum, den man für uns freigeräumt hatte, war fast so groß wie die Turnhalle im Camp, mit dem Unterschied, dass die Fenster schmaler waren und der Boden aus hellem Tanzparkett bestand. Außerdem mussten wir mit weniger Matten zurechtkommen und besonders viele Trainingsgeräte gab es auch nicht.
Ich half Ophelia dabei, eine der Matten in die Mitte zu ziehen, bevor wir uns an die nächsten beiden machten. Sie wirkte genauso nachdenklich und ernst wie die anderen auch.
»Was ist los?«, hakte ich schließlich in einem unbeobachteten Moment nach. Ty und Clarke diskutierten darüber, mit welcher Übung wir beginnen sollten.
»Nichts«, antwortete die Jägerin augenblicklich und für meinen Geschmack etwas zu ausweichend.
»Phi«, drängte ich sie und richtete mich auf. Die letzte Matte war an ihrem Platz.
»Es ist nur … Uns ist bewusst geworden, wie viel auf dem Spiel steht«, murmelte sie und begann sich dann neben mir zu dehnen. Ich ahmte ihre Bewegungen nach.
»Ihr habt Bird einen Besuch abgestattet?« Das war das Einzige, was mir einfiel, das diese Veränderung herbeigeführt haben könnte.
Sie nickte. »Und plötzlich war da wieder die Erinnerung an Clay … Bisher ist der ganze Auftrag einfach sehr abstrakt gewesen.« Ich war überrascht über ihre Ehrlichkeit und ihr Vertrauen, ließ es mir aber nicht anmerken. Ich wollte nicht, dass sie aufhörte zu reden und sich wieder hinter ihrer Mauer versteckte. »Wir wollen nicht sterben.«
»Natürlich nicht«, bestätigte ich nickend und hob meinen linken Arm, um die Hand zwischen meine Schulterblätter zu legen.
»Weißt du, als du in Ketten zu uns geführt wurdest, habe ich deinen Protest nicht verstanden. Dorian bietet uns diese einmalige Möglichkeit, etwas Positives aus unserem Leben zu machen. In dieser schattenreichen Welt etwas zu gewinnen. Und du, du lehntest es so vehement ab.« Sie stockte und blickte sich unsicher um. Niemand beachtete uns, da sich Hadley gerade einen Scherz mit Ian erlaubt hatte und sie beide von unseren Trainern gerügt wurden. Anscheinend hatte ihre Ernsthaftigkeit nicht so lange angehalten wie Ophelias. Oder sie waren besser darin, sie zu vertuschen.
»Aber jetzt ist mir klar, dass du recht hattest. Wir sollten nicht glücklich über diese Möglichkeit sein, nur weil sie die einzige ist, die wir bekommen haben. Die wir je bekommen werden.«
»Was willst du damit sagen?«
Sie lachte über meinen schockierten Tonfall. »Keine Sorge. Ich werde euch … uns nicht boykottieren. Ich habe ein Versprechen