Ein Thron aus Knochen und Schatten. Laura Labas. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Laura Labas
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783959912945
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Wahrheit etwas ab und rollte zum Warmwerden mit den Schultern, als wir die Treppen erreicht hatten.

      »Und dann kommt sie ausgerechnet zu dir?« Er schüttelte den Kopf. »Ich dachte, nach Adams Reaktion würdest du einen großen Bogen um seine Tochter machen, aber ich habe dich wieder mal unterschätzt.« Ich sollte das nicht als ein Kompliment nehmen, tat es aber trotzdem.

      »Du hast davon gehört?«

      »Er ist mein Freund.«

      »Du hast Freunde?«

      Seine Mundwinkel zuckten verräterisch.

      Eine Dämonin kam uns entgegen und die Lockerheit, die ich gerade erreicht hatte, schwand augenblicklich.

      »Gareth, hallo«, begrüßte sie zuerst den Dämon. »Alison.«

      »Vitória«, lächelte Gareth beinahe. »Hast du dich wieder gut eingelebt?«

      Sie nickte und ordnete ihr lockiges schwarzes Haar. Wieso war sie derart schön? Das nervte mich ungemein.

      »Ja, Dorian weiß, wie man einen Gast behandelt.«

      »Ich würde mich gerne noch länger mit dir unterhalten, aber die Pflicht ruft.« Er deutete zwar nicht auf mich, doch es war klar, was er meinte. Ich schnaubte leise. Gareth hob eine Augenbraue. »Bis bald!«

      Vitória zog eine Schnute, bevor sie uns passieren ließ.

      »Was ist denn jetzt schon wieder?«, fragte er entnervt. Anstatt den Weg zum Garten einzuschlagen, stiegen wir weiter die Treppen herunter. Ich kommentierte diesen Umstand nicht, da Gareth mir vermutlich ohnehin nicht antworten würde.

      »Du hast mich gerade als Ausrede benutzt.« Das Erstaunen und die Missbilligung über seine Handlung färbten meine Stimme dunkel.

      »Hab ich nicht«, widersprach er augenblicklich.

      »Und ob!« Wir hatten das Foyer erreicht, weshalb ich mich zwang, leiser zu sprechen. Ich wollte nicht, dass uns irgendjemand belauschte, um Gareth nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Nicht, dass es dazu käme, wenn er mir weiterhin vehement widersprach, um mir weiszumachen, ich hätte mir alles nur eingebildet.

      »Aber sicher. Du wolltest dich nicht länger mit ihr unterhalten, also hast du deine Pflicht vorgeschoben. Normalerweise nimmst du keine Rücksicht auf mich.«

      »Auch jetzt nicht.« Er knirschte mit den Zähnen. Bevor wir nach draußen treten konnten, presste er eine Hand gegen die Tür und sah mich von oben herab an. »Du bist meine Pflicht.«

      Ich zuckte mit den Schultern und versuchte von seiner Präsenz unbeeindruckt zu wirken. Mein Mund wurde trocken, als ich realisierte, wie nah er mir war, ohne dass wir trainierten.

      »Wie du meinst.« Sein Atem vermischte sich mit dem meinen. Ich konnte die goldenen Sprenkel in seinen dunkelgrünen Augen sehen. Das Herz schlug mir bis zum Hals und ich war unfähig, mich zu bewegen, bis er endlich seine Hand von der Tür nahm und diese öffnete.

      Die kühle Luft, die uns umwehte, war heilsam und erweckend. Was auch immer gerade geschehen war, es hatte mir für einen kurzen Moment den Verstand vernebelt.

      »Wohin gehen wir?«, fragte ich, als ich meiner Stimme wieder vertraute. Wir schritten die lange Auffahrt hinab in Richtung des gusseisernen Tores. Dahinter lag die Stadt, die das Rathaus wie mehrere schützende Ringe umgab.

      »Wir laufen heute durch die Stadt«, klärte er mich auf und begann sich zu dehnen. Ich hielt inne.

      »In die Stadt? Ist das nicht … nun ja, kontraproduktiv? Will Dorian nicht, dass wir unter dem Radar bleiben? Und wenn wir beide miteinander gesehen werden …« Stirnrunzelnd sah ich die Straße entlang, die von Häusern umsäumt wurde, welche erst nach dem Krieg gebaut worden waren. Ein paar der Gebäude in Ascia hatten schon vorher hier gestanden, doch die meisten waren neu errichtet worden. Sie alle besaßen Wasseranschlüsse, wenn auch nicht immer perfekt funktionierende. Doch Kabel und elektrische Anschlüsse suchte man vergeblich.

      »Menschen wissen nicht, wer oder was ich bin. Und andere Dämonen haben keine Ahnung, wer du bist«, führte er ruhig und effizient an. Natürlich hatte er sich bereits Gedanken darüber gemacht. »Solange wir nicht zu lange an einer Stelle ausharren, an der sich Dämonen befinden, sollte es in Ordnung gehen. Tagsüber befinden sich die meisten ohnehin in ihren Häusern.«

      Er hatte natürlich recht, trotzdem verwirrte es mich, dass er ein solches Risiko einging. Ich dehnte meine Beine.

      »Wieso laufen wir nicht im Garten?«

      »Willst du das denn?«

      Wollte ich mir die Chance entgehen lassen, Zeit in der Stadt zu verbringen? Weg von meinem neuen Alltag? Was, wenn mich Arias oder Evan sahen?

      Doch es war das Risiko wert. Es war eine nette Geste von Gareth, unser Training auf das Gebiet außerhalb des Anwesens auszuweiten.

      »Nein, ist schon okay so«, antwortete ich und zwang mich zu einem dankbaren Lächeln. Er wich meinem Blick entschieden aus.

      »Wieso hast du nicht vorgeschlagen, dass die anderen Jäger mit uns laufen?«, fragte er plötzlich. »Es wäre praktisch gewesen.«

      »Für dich oder für mich?«

      »Für alle.« Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie enttäuscht ich über die Antwort war. Was hatte ich auch erwartet?

      »Sie sind weniger widerstandsfähig als ich und brauchen ihren Schlaf«, log ich. Die Wahrheit war, dass ich gelernt hatte, mein Einzeltraining mit Gareth zu genießen, da ich durchaus die Verbesserung meiner Ausdauer und meiner Technik gemerkt hatte. Zudem trainierte Gareth auf eine ähnliche Weise wie ich, auch wenn ich es niemals zugeben würde. Er war oft schweigsam, aber immer ernst und zielorientiert. Das mochte ich an ihm.

      Gareth sagte nichts mehr und wir dehnten uns noch ein paar Minuten, dann setzte er das Tempo und wir joggten durch die Stadt.

      Es war später Nachmittag, weshalb in den Straßen nicht mehr so viel los war. Der Markt hatte für die Menschen mittlerweile geschlossen und würde nach einer kurzen Pause auf die Bedürfnisse der Dämonen ausgerichtet werden. Das bedeutete teurere Kleidung, Stoffe und exotische Nahrung.

      Menschen, die nicht auf dem Markt arbeiteten, aßen derweil in ihren Wohnungen zu Abend, verbrachten Zeit miteinander und ruhten sich von einem anstrengenden Tag auf ihren Arbeitsstellen aus.

      Viele, die hier lebten, schufteten in den Kläranlagen, den Plantagen, die sich außerhalb der Stadtmauer befanden, oder im Einzelhandel. Dorian sorgte dafür, dass niemand hungerte und dass für jeden gesorgt war. Selbst für Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht arbeiten konnten.

      Gareth und ich liefen meist in den Außenbezirken, umkreisten das Zentrum und nutzten kleine, enge Gassen, in denen wir von den wenigsten Leuten bemerkt wurden. Uns wurden neugierige Blick zugeworfen, aber sobald man erkannte, dass es sich lediglich um Jogger handelte, war das Interesse meist schon wieder verflogen. Es war zwar nicht üblich, um diese Uhrzeit Jogger zu sehen, doch es war auch nichts Unerhörtes. Normalerweise hatten die Menschen einfach weder Zeit noch Muße, sich während des Tages so etwas wie Training zu widmen. Und da die Sonne schien, dachten sie nicht einmal daran, dass einer von uns ein Dämon sein könnte.

      Es gefiel mir mehr, als ich mir oder Gareth eingestehen würde. Ich hatte Ascia vermisst, obwohl ich die Stadt noch immer nicht als mein Zuhause ansah, aber sie kam dem Begriff doch auf eine Weise am nächsten.

      Nachdem wir fast zwei Stunden lang die Stadt durchquert hatten, erreichten wir erneut das Rathaus. Anstatt jedoch ins Gebäude zu gehen, schlug Gareth den Weg ein, der hinter den Garten führte. In der hohen grauen Mauer war ein schmiedeeisernes Tor eingelassen, durch das er schritt, nachdem er es mit einem kleinen Schlüssel aufgeschlossen hatte. Zögerlich folgte ich ihm. Bisher hatte ich mich in dem rückläufigen Teil des Gartens noch nie aufgehalten.

      »Durstig?« Er reichte mir schnell atmend eine von zwei Trinkflaschen, die er oder ein Bediensteter hier vorher deponiert hatte.

      Der