Ein Thron aus Knochen und Schatten. Laura Labas. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Laura Labas
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783959912945
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Der Königsdämon

      Gareth spürte, dass ihn König Ascia genau beobachtete, als er sich vorbeugte, um sein Glas neu aufzufüllen. Der ockerfarbene Whisky war Dorians Favorit und er sorgte dafür, dass ständig ein gewisser Vorrat in seiner Nähe war, ganz egal, wo er sich befand. Einer der wenigen Luxusartikel, auf die sein König beharrte. Auf alles andere konnte er, wie es schien, verzichten, nur nicht auf diesen teuren, gehaltvollen Alkohol.

      »Du wirkst verändert«, durchbrach Dorian schließlich die brennende Stille, die sich eingestellt hatte, kurz nachdem Gareth Dorians Privatzimmer betreten hatte. Hier empfing der König allein seine engsten Freunde sowie seine Familie.

      Gareth schnaubte. Was sollte er auch sonst erwidern? Die Wahrheit war, dass er Dorian nicht mehr länger vertraute. Nun, zumindest nicht mehr gänzlich. Er war noch immer nicht darüber hinweggekommen, dass Dorian ihm verschwiegen hatte, wie hoch die Wahrscheinlichkeit tatsächlich gewesen war, dass er Alison durch sein Blut an sich binden würde.

      Für einen Moment wirkte Ascia so, als würde er das Thema weiter verfolgen wollen, stattdessen ließ er es aber auf sich beruhen. Gareth kippte den Inhalt seines Glases vor Erleichterung in einem Zug herunter. Er wollte gewiss nicht über seine Gefühle reden, die er selbst ja schon als Schwäche sah. Es reichte, wenn er Kenntnis über seine eigenen Unzulänglichkeiten hatte. Er musste sie nicht noch der einzigen Person zeigen, von der er sich Anerkennung erhoffte, die er bisher immer bekommen hatte. Zumindest bis Alison hier aufgetaucht war und alles durcheinandergewirbelt hatte.

      »Dieser Whisky …«, sinnierte Dorian und betrachtete die sich bewegende Flüssigkeit in seinem niedrigen, breiten Glas. »Ich kann mich nicht daran erinnern, ob es in Duster einen von ähnlicher Qualität gegeben hat.«

      »Ich kann dir da leider auch nicht behilflich sein«, sprach Gareth etwas aus, das beiden bewusst war. Er war als kleiner Junge auf die Erde gekommen und konnte sich kaum noch an seine Heimat erinnern. Es reichte, dass er sich hier nie zu Hause gefühlt hatte.

      »Hast du in letzter Zeit etwas von deiner Familie gehört?«

      Manchmal wunderte sich Gareth, wie Dorians Verstand arbeitete. Die meiste Zeit aber nahm er diese sprunghafte Art der Gespräche einfach hin, da er ohnehin nicht dahinterkommen würde.

      »Nein. Wieso?« Seine Familie wohnte in Billings und hielt sich weitestgehend von Gareth fern. Ganz so, wie er es gewünscht, wie er es gebraucht hatte.

      »Nur so ein Gefühl.« Gareth schenkte sich ein weiteres Glas Whisky ein. »Alison scheint ihre Rolle als Anführerin gut anzunehmen. Wehrt sie sich noch gegen dein Blut oder die Bindung?«

      Gareth konzentrierte sich darauf, nicht zu verkrampfen. Es wäre fatal, seine wirren Gefühle jetzt zu zeigen, da sie ein gefährliches Thema angeschnitten hatten. Alison.

      »Nein. Nicht mehr aktiv jedenfalls«, antwortete er schulterzuckend. Lässig. Lapidar. Als würde es ihn nicht sonderlich interessieren, doch bevor er sich selbst daran hindern konnte, sprach er weiter. »Aber ich kann sehen, dass es sie noch immer stört.«

      »Woran?« Dorians braune Augen blitzten interessiert auf, während seine Fingerspitzen über den Rand des Glases fuhren.

      »Was?« Der jüngere Königsdämon war so gefangen von der selbstsicheren, machtvollen Art seines Königs, dass er die Frage vergessen hatte. Genauso wie er manchmal vergaß, wie alt Dorian tatsächlich war.

      »Woran erkennst du, dass es sie noch immer stört?«, wiederholte dieser die Frage in einem leicht amüsierten Tonfall.

      »Die Art und Weise, wie sie mich ansieht«, äußerte Gareth recht widerstrebend und wandte den Blick ab. Er spürte, wie sich sein Innerstes bei dem Gedanken daran zusammenzog. Wieso störte es ihn so sehr, dass ihn Alison noch immer bekämpfte? Nein, nicht wirklich bekämpfte. Sie schien ihre Rolle tatsächlich akzeptiert zu haben, doch nur äußerlich, um den Schein zu wahren; um Witze mit ihm zu reißen, die sie gar nicht so meinte, und Gespräche zu führen, die sie überhaupt nicht interessierten.

      »Was meinst du damit?«, hakte Dorian weiter nach. Keine Gefühle außer tiefgreifendes Interesse waren seiner Miene nun zu entnehmen. Es erinnerte Gareth an die Bilder von verrückt gewordenen menschlichen Ärzten, die er beim Herumstöbern entdeckt hatte. Als würde der Wahnsinn in den Augen lauern.

      »Ich will nicht darüber sprechen, Dorian«, schob er endlich einen Riegel vor dieses Verhör, was er schon längst hätte tun sollen.

      Mit viel mehr Wucht, als nötig gewesen wäre, stellte er das Glas zurück auf den kreisrunden Kaffeetisch und erhob sich von dem Korksessel. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließ er das Zimmer. Egal, was er noch gesagt hätte, es hätte ihm nicht geholfen. Man verschloss sich seinem König nicht. Er verschloss sich seinem König nicht. Und heute hatte er es getan. Wieso?

      Wütend auf sich selbst stampfte er blindlings die Treppen nach oben, den Flur entlang und rannte dann ausgerechnet in die Ausgeburt seiner Probleme: Alison.

      Immer wieder Alison.

      »Pass auf, wo du hingehst«, knurrte er, sie an den Oberarmen packend, damit sie nicht hinfiel. Sie blickte ihn aus ihren großen braunen Augen, die von langen dunklen Wimpern umrahmt wurden, an.

      »Da hat wohl jemand schlechte Laune«, flötete sie viel zu gelassen für seinen Geschmack. Wann hatte sie aufgehört, ihm mit Verachtung zu begegnen? War es vor oder nach ihrem Kuss gewesen? Er kam nicht umhin, Alisons spöttisch lächelnden Mund anzusehen.

      »Geh mir einfach nur aus dem Weg«, murrte er weiter, irritiert darüber, wie gut sie sich unter seinen Händen anfühlte. Was würde passieren, wenn er diese weiter herabwandern lassen würde? Über ihre schmale Taille, ihre Hüften …

      »Oder was?« Sie schien erst, nachdem sie diese Worte geäußert hatte, etwas von der Richtung seiner Gedanken zu ahnen. Seine düstere Stimmung hatte sie schon vorher eingefangen, doch ein Blick in seine Augen zeigte ihr, dass seine gefährlichen Gedanken ihn ganz und gar abgelenkt hatten.

      »Oder …«, begann er, bevor er sich ganz langsam vorbeugte, um ihr Zeit zu geben, zu fliehen, wenn sie es wünschte. Sie blieb jedoch, wo sie war. Allein ihre Atmung beschleunigte sich, als er sich mit seinen Lippen ihrem Hals stetig näherte.

      Sie hatte ihr langes dunkelbraunes Haar zu einem Zopf geflochten, sodass er die zarte Haut unter ihrer Kinnlinie problemlos erreichen konnte. Er berührte sie nicht. Noch nicht. Sein Atem tänzelte ihre gebräunte Haut entlang bis zu ihrer entblößten Kehle, wo er seine Lippen das erste Mal benutzte, um sie zu kosten. Ein hohes Keuchen entfloh ihr, doch noch immer bewegte sie sich nicht. Auch nicht, als seine Hände genau das taten, was er sich vorgestellt hatte. Sie wanderten ihre Arme hinab, bis sie ihre Taille erreichten und diese dann umfassen konnten. Mit den Zähnen kratzte er leicht über ihre zarte Haut, bis es ihm nicht mehr reichte und ihr offenbar auch nicht. Eine ihrer vom Kämpfen schwieligen Hände zog an seinem Hemd, während die andere seine Wange berührte und schließlich seinen Nacken umfasste.

      Sie verstärkte ganz leicht den Griff ihrer Hand, doch es reichte, um ihm mitzuteilen, was sie von ihm wollte.

      Selbst wenn er den Willen gehabt hätte, hätte er das Unweigerliche nicht mehr weiter hinauszögern können.

      Er löste sich von ihrem Hals, zog sich einen Moment zurück und suchte den Blick ihrer halb geschlossenen Augen. Sie öffnete ihre Lider und wartete. Dann hielt er es nicht länger aus, beugte sich erneut hinab und bedeckte ihren Mund mit dem seinen.

      Sobald sich ihre Lippen trafen, verlor Gareth jegliches Gefühl für Zeit und Raum. Die Emotionen, die durch ihn hindurchrasten, waren allmächtig und fremd. Er spürte Alisons willigen Körper an sich, der im gleichen Maße seine Nähe suchte wie umgekehrt, bis er sie an die Wand gedrängt hatte, um sich der Länge nach an sie zu pressen. Sie stieß ein kleines, welterschütterndes Stöhnen aus, als er den Kuss vertiefte und ihre Bewegung nachahmte. Seine Hand fuhr in ihr Haar, wie ihre in seines gefahren war. Dann jedoch verhakte er sich in ihrem Zopf und nachdem er sich nicht sofort lösen konnte, ergab sich ein Moment, in dem er