Dies bietet kleineren regionalen Unternehmen im Lebensmittelbereich, in Kunst, Handwerk etc. ebenso Chancen, wie etablierten Playern, die es verstehen, diese Aspekte in ihre Unternehmensstrategie einzubauen und im Marketing positiv herauszustreichen (wie z.B. die Bio-Eigenmarken großer Supermarktketten).
2.4 Near-shoring und On-shoring
Quasi als Gegentrend zum Off-shoring, wo die Produktion oder Teile davon oft auf andere Kontinente (vornehmlich Asien und Südamerika) mit vornehmlich geringeren Lohnkosten in den entsprechenden Ländern ausgelagert wurden, ist On-shoring durch das Ziel geprägt, möglichst nahe am Absatzmarkt/am Kunden innerhalb der nationalen Grenzen zu produzieren, v.a. auch um damit klassischen Problemen des Off-shorings, wie Qualitätsmängeln, Flexibilitätseinbußen, Lieferzeiten/Termintreue, lange und teure Transportwege etc., entgegenzuwirken.
Near-shoring wäre demgegenüber die Auslagerung von Geschäftsprozessen in nahegelegene bzw. angrenzende Länder.
Krisen wie jene im Zusammenhang mit Covid-19 haben gezeigt, dass Off-shoring-Strategien unter solchen Szenarien größere Risiken in sich bergen als lokalere/örtlich nähere Sourcing- und Fertigungsmodelle, v.a. wenn zweitere mit einer entsprechenden Lagerhaltung einhergehen und/oder auf Produktionskomponenten setzen, die ebenfalls eher in örtlicher Nähe und auf der Basis entsprechend regional vorhandener Materialien und Rohstoffe erzeugt werden.
Neben Produktionsaspekten wird Off- und Near-shoring auch im Kontext von IT-Leistungen genannt oder im Zuge von Shared-Service-Zentren, Call-Centern etc. Im Dienstleistungsbereich sind etwaige Kostenvorteile von Off-shoring, Problemen und Mehraufwänden v.a. in der Kommunikation und der Abstimmung, hinsichtlich Sprachbarrieren, kulturellen Unterschieden und nicht zuletzt auch unterschiedlichen Zeitzonen gegenüberzustellen. Unternehmen sind gefordert, bei der Wahl des Sourcing-Modells größtmögliche Kostenwahrheit unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Aspekte und nicht nur dem reinen Vergleich der Personalkosten einfließen zu lassen und auch mit entsprechenden Risikoaufschlägen für Krisenszenarien zu kalkulieren.
2.5 Veränderungen globaler wirtschaftlicher Machtverhältnisse
Der Fokus des globalen Wachstums hat sich bereits verschoben bzw. verschiebt sich mit zunehmendem Tempo, ebenso wie militärische, politische und wirtschaftliche Machtverhältnisse. Die Neuausrichtung der Wirtschafts- und Geschäftstätigkeit treibt den Wandel der BRICs-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) und anderer Wachstumsländer als vormalige Zentren von Arbeit und Produktion hin zu konsumorientierten Volkswirtschaften mit starker und rasch wachsender lokaler Nachfrage voran. Dies geht einher mit dem Export von Kapital, Talenten und Innovation, was die globalen Kapitalflüsse ebenso beeinflusst.
Darüber hinaus ist es wichtig, die Interkonnektivität der Handels- und Investitionsströme zwischen diesen Ländern zu betrachten, die viel schneller wachsen als die traditionellen Wege von Industrieländern zu Schwellenländern und Industrieländern zu Industrieländern. China erweitert auch seine wirtschaftliche Präsenz im Westen und tätigt bspw. Ressourcen-Investitionen in Afrika und der Nordsee.
Laut den Prognosen einer Megatrend Studie von PwC werden die E7-Staaten (China, Indien, Brasilien, Russland, Indonesien, Mexico und die Türkei) 2050 rund 140 Trill. USD an Bruttosozialprodukt (BIP) erwirtschaften, während die G7 (USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada) dann mit rund 70 Trill. USD nur mehr auf halb so viel Wirtschaftsleistung kommen werden. 2015 war das BIP der G7 mit ca. 34 Trill. USD noch fast doppelt so hoch wie jenes der E7 mit knapp 19 Trill. USD.[9]
PwC leitet daraus folgende Implikationen für Unternehmen ab:
Die durch dieses Aufstreben der genannten Wirtschaftsmächte entstehende zunehmend multipolare Welt kann für Unternehmen zu einer Umgestaltung von deren Absatzmärkten und Wettbewerbsumfeldern führen.
Konkurrierende Versionen des Kapitalismus könnten dabei ebenso entstehen wie eine Reihe unterschiedlicher Planwirtschaften, wodurch neue globale Unternehmens-Champions geschaffen bzw. in strategisch wichtigen Geschäftsbereichen von den jeweiligen Regierungen aktiv forciert werden könnten.
Regierungen könnten zunehmend mit Steuern und Regulierungen miteinander konkurrieren, ebenso wie über gezielte Investitionsunterstützungen bzw. Direktinvestitionen. Reifere Märkte könnten dadurch an Einfluss und Kapitalkraft verlieren und für Talente unattraktiver werden.
Die Wettbewerbsprofile der neuen Player könnten von jenen der historisch bekannten Marktbegleiter deutlich abweichen und müssen deshalb umso aufmerksamer beobachtet und mitunter neu bewertet werden.
2.6 Neo-Nationalismus
Globaler Freihandel wird gemeinhin als weitaus unproblematischer angesehen als der Neo-Nationalismus, der zunehmend kontrovers diskutiert wird. Als quasi Gegentrend der Globalisierung bildet sich mit dem Wunsch nach einer stärkeren Ausrichtung der wirtschaftspolitischen Instrumentarien am Wohle der eigenen Nation der Neo-Nationalismus bzw. im wirtschaftlichen Sinne der ökonomische Nationalismus heraus. Einprägsame Beispiele für solche Ausprägungen wären z.B. die America-first-Politik mit Strafzöllen, der Aufkündigung internationaler Verträge etc. von US-Präsident Donald Trump, ebenso wie der Brexit.
Der Neo-Nationalismus kombiniert z.T. liberalistische und interventionistische Mechanismen, stellt aber das Wohl der eigenen Nation vor grenzübergreifende kollektivistische Ziele. Gleichzeitig wollen Neo-Nationalisten dennoch von den Vorteilen des internationalen Handels und des Zugangs zu globalen Finanzmärkten profitieren. Der Schutz des eigenen Staats, dessen Bürgern und des erworbenen Wohlstands wird über global gesellschaftliche Ziele gestellt, womöglich auch als Reaktion auf die scheinbar unaufhaltsamen globalen Machtverschiebungen.
Unternehmen, natürlich abhängig von der Branche, deren Absatzmärkten, den benötigten Rohstoffen etc., können von den Ausprägungen dieses ökonomischen Nationalismus, etwa in der Form von Strafzöllen etc., sehr unmittelbar betroffen sein und müssen sich mitunter auf diesbezüglich volatilere Zeiten einstellen und entsprechende antizipierende Maßnahmen in ihrer Strategie implementieren, um ggf. z.B. zukünftig schneller auf Alternativen umschwenken zu können.
Die Covid-19-Krise hat gezeigt, wie schnell selbst Länder innerhalb der EU Ausfuhrverbote auf kritische knappe Güter wie Desinfektionsmittel oder Atemschutzmasken verhängten, um die eigene Nation zu schützen, selbst wenn die Bestellung ursprünglich durch ein Unternehmen in oder direkt von einem anderen Staat ausgelöst wurde, der diese Güter womöglich sogar weitaus dringender benötigte. Darüber hinaus verdeutlichen solche Krisen auch die Anfälligkeit von Lieferketten und die damit einhergehenden Probleme für die Produktion. V.a. bei (versorgungs-)kritischen Gütern wie z.B. Penizillin, aber auch bei vielen anderen, werden zukünftig mit hoher Wahrscheinlichkeit Lager- und Produktionskapazitäten global wieder anders verteilt werden, was für Unternehmen wiederum Herausforderung und Chance zugleich sein kann.
Als vielleicht der Megatrend schlechthin hat sich doch die Ausprägung der mit der Globalisierung einhergehenden Themen, Probleme und Ziele im Laufe der Zeit und getrieben von anderen Entwicklungen, wie der voranschreitenden Industrialisierung und Digitalisierung, verändert. Globale Krisen wie jene im Kontext von Covid-19 haben natürlich einen signifikanten Einfluss auf die Ausprägungen der Globalisierung, werden diese im Kern, nämlich in der zunehmenden wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Verflechtung der Länder aber vermutlich nicht erschüttern, und somit werden Unternehmen, die ihre Kunden oder Lieferanten außerhalb der Landesgrenzen haben, auch zukünftig mit Globalisierungsthemen in unterschiedlichster Ausprägung konfrontiert