Schaffen es Unternehmen, die Auswirkungen von Megatrends auf ihr Geschäftsmodel rechtzeitig und richtig zu antizipieren und die sich daraus ergebenden Implikationen und Chancen in selbiges zu integrieren, ist dies ein wesentlicher Beitrag zum langfristigen Unternehmenserfolg und bietet Möglichkeiten für Wachstum. Da gerade große globale Konzerne tendenziell relativ komplex und starr organisiert sind und sich mitunter zu sehr mit sich selbst beschäftigen und „betriebsblind“ werden, ist es gerade für diese umso wichtiger, zunehmend wachsam zu beobachten, ob die längerfristige Unternehmensstrategie Megatrends ausreichend berücksichtigt, um das Fortbestehen bzw. den Erfolg nachhaltig abzusichern und nicht von aufstrebenden dynamischen Playern in ihrer Existenz bedroht zu werden.
Als viel zitiertes Paradebeispiel wäre hier Kodak zu nennen: das Unternehmen hatte 1975 als Weltmarktführer für Fotoapparate quasi die Digitalkamera in der eigenen Forschungs-&-Entwicklungs-Abteilung (F&E) erfunden, deren Marktpotenzial aber vollkommen falsch eingeschätzt bzw. die zukünftige Relevanz der damals bereits beginnenden Digitalisierung offenbar in keiner Weise in der Unternehmensstrategie verankert gehabt. So wurde aus dem Marktführer und Erfinder der Digicam ein Sanierungsfall, der von anderen Unternehmen, welche das Potenzial und die Zukunftsträchtigkeit der Digitalkamera-Technologie richtig einzuschätzen wussten und diese erfolgreich vermarkteten, vom Markt verdrängt.
Es gibt zig weitere Beispiele und Indikationen, die zeigen, dass eine intensivere und strukturierte Beschäftigung mit der Zukunft unter immer vielschichtigeren und dynamischeren Rahmenbedingungen für Unternehmen zunehmend wichtiger wird. Der durchschnittliche Lebenszyklus von z.B. Unternehmen, die im Standard & Poor´s 500 US-Aktienindex notierten, belief sich in den 1950er Jahren noch auf etwa 60 Jahre, 2018 waren es nur noch ca. 15 Jahre, bei einer weiter sinkenden Tendenz. Unternehmen sind demnach immer mehr gefordert, sich auf sich zunehmend verändernde und komplexere Rahmenbedingungen einzustellen, um erfolgreich zu bleiben, bzw. schaffen dies offenbar immer weniger entsprechend längerfristig. Eine regelmäßige Analyse, ob die Unternehmensvision und die langfristigen strategischen Zielsetzungen die für das Unternehmen relevantesten Megatrends und Zukunftsszenarien berücksichtigen, ist demnach jedenfalls empfehlenswert.
Was aber ist nun ein Megatrend?
Geprägt wurde der Begriff vom Zukunftsforscher, studierten Politikwissenschaftler und früheren stellvertretenden Erziehungsminister von John F. Kennedy, John Naisbitt, durch sein Buch „Megatrends“, das 1982 erschienen ist und in dem Naisbitt in „10 Directions“ mit ausführlichen Begründungen, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, detailliert und nachvollziehbar beschrieb, in welche Richtung sich die Welt in den kommenden Jahren verändern würde.[1]
Laut dem im deutschsprachigen Raum in diesem Bereich unter den wichtigsten Institutionen anzusehenden „Zukunftsinstitut“ muss man Megatrends nicht voraussagen, sondern diese sind bereits präsent und stehen für Veränderungen, die uns zumindest in Ansätzen bereits prägen und dies auch noch über einen langen Zeitraum/Jahrzehnte werden.
Die Wirtschaftszeitung „Trend Report“ definiert Megatrends mit Verweis auf Naisbitt, ähnlich wie auch das Zukunftsinstitut, folgendermaßen: Megatrends haben einen globalen Charakter, müssen aber nicht überall auf der Welt gleich stark ausgeprägt sein, sie müssen mehrere Lebensbereiche bzw. gesellschaftliche Ebenen umfassen, also z.B. Wirtschaft, Politik, Technik, Kultur etc., und sie müssen über einen Zeitraum von mindestens 25 Jahren wirken.[2]
Demgegenüber sind Trends (als Anglizismus abgeleitet von to trend, also sich oder etwas in eine bestimmte Richtung zu drehen oder zu orientieren) Instrumente, die Veränderungen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen beschreiben und von geringerer und nur kurzfristiger Bedeutung sind, wenn man etwa an Konsum- oder Modetrends denkt.
Die der Erforschung und Definition von Megatrends zugrundeliegende Zukunftsforschung ist laut dem Zukunftsinstitut eine Wissenschaftsdisziplin, die sich u.a. aus Methoden der Statistik, der Wahrscheinlichkeitslehre, der Kulturwissenschaften und der Systemtheorie zusammensetzt und sich mit der längerfristigen Prognose und Analyse von Wandlungsprozessen befasst. Ihre Aufgabe liegt darin, Entscheidungs- und Orientierungshilfen für Unternehmen, Politik, Verwaltung etc. zur Verfügung zu stellen. In der Zukunftsforschung kommen u.a. Methoden wie Monitoring, Scanning, die Szenariotechnik, die Delphi-Methode oder die Kontextanalyse zur Anwendung.
Die Techniken der Zukunftsforschung haben sich in den letzten Jahren ständig verbessert und weiterentwickelt und laut dem Zukunftsinstitut stellt die seriöse Zukunftsforschung an sich selbst die gleichen Qualitätskriterien, die in der Wissenschaft generell gelten, wie z.B. Transparenz, Relevanz, Überprüfbarkeit, logische Konsistenz etc. Die Tatsache, dass man an einigen Universitäten die Techniken und Methoden der Trend- und Zukunftsforschung studieren kann, unterstreicht die Seriosität dieser Disziplin, die in der öffentlichen Wahrnehmung vereinzelt noch als oberflächlicher Modebegriff missverstanden wird.
In diesem Zusammenhang sei auch auf die Begriffe „Disruption“ und „disruptiven Technologien“ hingewiesen, also Technologien, die mit fundamental neuen Problemlösungsansätzen bestehende traditionelle Technologien in Frage stellen bzw. verdrängen, wie etwa die Digicam, die Kodak zum Verhängnis wurde, oder Smartphones mit Touch Display, die Nokia und Blackberry aus dem Markt drängten. Disruptiven Technologien können durch einen Megatrend beeinflusst sein, wie bspw. die beiden eben genannten, im Kontext des Megatrends der Digitalisierung gesehen bzw. als Teil davon gesehen werden.
Die folgende Beschreibung von vier ausgewählten Megatrends erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, die beschriebenen Megatrends sind nach Ansicht des Autors aber für die meisten Unternehmen, fast unabhängig von der Branche, von großer Relevanz, während weitere Megatrends wie Urbanisierung, Klimawandel oder Individualisierung mitunter stärker gesellschaftliche, soziale und politische Aspekte umfassen als wirtschaftliche, auch wenn einige Branchen und einzelne Unternehmen von diesen natürlich ebenso maßgeblich beeinflusst werden.
2 Globalisierung
Unter Globalisierung versteht z.B. die Bertelsmann-Stiftung heute „die zunehmende wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Verflechtung der Länder und Menschen“ und ergänzt, dass die Globalisierung mehr als die weltweite Arbeitsteilung und den grenzüberschreitenden Handel beinhaltet und sie auch den internationalen Austausch von Ideen, Wissen, Technologien, Kulturen und Traditionen sowie die internationale Migration umfasst.[3]
Der älteste und vermutlich auch am längsten währende Megatrend ist wohl jener der Globalisierung, der die Menschheit bereits seit über 500 Jahren antreibt und in ihren Bann zieht. Ihren Ausgangspunkt fand die Globalisierung (aus unserer westlichen bzw. europäischen Perspektive, zumindest in der Retrospektive sowie mit dem Fokus auf wirtschaftliche Aspekte wie Handel und nicht primär auf kriegerische Akte der Macht- und Territorialerweiterung, die es bereits lange davor gab) wohl Ende des 15. Jahrhunderts mit der Expansion Europas in die ganze Welt, als Kolumbus 1492 Amerika und Vasco da Gama 1498 den Seeweg nach Indien entdeckten. Quasi als erster globaler Vertrag im Zuge dessen könnte jener von Tordesillas von 1494 genannt werden, in dem die damals bekannte westliche Welt den Spaniern und die östliche Hemisphäre den Portugiesen zugesprochen wurde.
Laut Wirtschaftshistorikern verlief die Geschichte der Globalisierung in mehreren Phasen, wobei sich nach den beschriebenen Anfängen im Zusammenhang mit dem Imperialismus als zweite Phase jene Zeit rund um das 17. Jahrhundert herauskristallisierte, in der die damals stark niederländisch dominierte europäische Weltwirtschaft zunehmend auch mit „Massengütern“, wie Gewürzen aus Asien, handelte und der europäische Fernhandel sich damit nicht mehr hauptsächlich auf Edelmetalle aus den spanischen Kolonien fokussierte, während das größte europäische Handelsaufkommen auch nach der Entdeckung Amerikas und Indiens