Schriften in deutscher Übersetzung. Plotin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Plotin
Издательство: Bookwire
Серия: Philosophische Bibliothek
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783787339341
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unmöglich erstrecken über etwas, das größer als es selber sei. Denn ‘kleiner’ darf man von ihm gar nicht aussagen, und man darf nicht messend vergleichen eine Masse mit dem Masselosen; das wäre, als wenn man die Heilkunst kleiner nennen wollte als den Körper des Arztes; noch ist anderseits ihr Größersein zu verstehen im Sinn des Messens der Quantität, ist doch auch bei der Heilkunst ‘groß’ und ‘größer als der Körper’ nicht in diesem Sinne aufzufassen. Es bezeugt aber die Größe der Seele auch der Umstand, daß, wenn die Masse größer wird, dieselbe Seele über die ganze Masse sich ausbreitet, die vorher in der kleineren Masse war. Denn es wäre wieder und wieder Torheit, wollte man auch der Seele Masse beilegen.

      [6]Warum erstreckt sie sich denn nicht auch auf einen anderen Körper? Nun, jener andere Körper müßte, wenn er könnte, vielmehr sich zu ihr hinbegeben; aber der, der bereits zu ihr sich begeben hat und sie aufgenommen hat, der hat sie schon. Und ferner: hat der andere Körper denn dieselbe Seele, da er auch seinerseits die Seele hat, die er hat? Denn was ist da für ein Unterschied? Nun, durch das, was hinzugesetzt ist (die Körper). Ferner, wieso ist die Seele in Fuß und Hand dieselbe, in diesem Einzelkörper des Alls aber nicht dieselbe wie in jenem? Und wenn die Wahrnehmungen unterschiedene sind, so muß man auch die eintretenden Eindrücke für unterschieden halten. Das Beurteilte also ist verschieden, aber nicht das Urteilende; der Urteilende bleibt derselbe, wenn er auch als Richter unter immer wechselnde Eindrücke gerät, denn nicht er ist der Beeindruckte, sondern die Natur des so beschaffenen Körpers; es ist, wie wenn derselbe Mensch Lustempfinden am Finger und Schmerz am Kopf beurteilt. Warum nimmt dann aber die eine Seele das Urteil der andern nicht wahr? Nun, weil es ein Urteil ist, und nicht ein Eindruck; ferner, selbst das urteilende Vermögen sagt nicht ‘ich habe geurteilt’, sondern es urteilt nur, so wie auch beim Menschen nicht das Gesicht dies dem Gehör sagt, obgleich sie beide geurteilt haben, sondern erst der Verstand, der über beiden ist; und der ist von beiden verschieden. Auch sieht ja wirklich der Verstand oft genug das Urteil, das in einem andern stattfindet, und bringt sich so den Eindruck, der in einem andern stattfindet, zum Bewußtsein. Indes ist hierüber schon an anderer Stelle gesprochen worden.

      [7]Doch wollen wir von neuem fragen, wie das, was identisch ist, über alle Dinge sich erstreckt; und das ist gleichbedeutend mit der Frage, wieso jedes einzelne unter den vielen Sinnendingen nicht ausgeschlossen ist vom Anteil an jenem Identischen, obgleich es an vielen Stellen sich befindet. Denn nach dem Gesagten ist es nicht richtig, Jenes in die vielen Dinge zu zerteilen, sondern man muß vielmehr die Vielheit der zerteilten Dinge auf das Eine zurückführen, und Jenes ist nicht herabgekommen zu diesen, sondern, weil diese Dinge verstreut sind, erwecken sie in uns die Vorstellung, daß wie diese auch Jenes zerteilt ist, so als wollte man das Bewältigende und Zusammenhaltende in gleiche Teile wie das Bewältigte zerlegen. Indessen, auch die Hand kann einen ganzen Körper und eine Stange von vielen Ellen und noch anderes bewältigen; dann reicht das Bewältigende über das Ganze hin, ist trotzdem aber nicht in dieselben Teile zerlegt wie die bewältigte Stange in der Hand; denn offenbar reicht der Umfang der Kraft so weit, als sie angreift, trotzdem aber ist die Hand umgrenzt durch ihr eigenes Quantum, nicht durch das des hochgehobenen und bewältigten Gegenstandes; ja, wenn man dem bewältigten Körper ein weiteres Stück hinzufügte und die Hand könnte es tragen, so bewältigt die Kraft auch dies, ohne in ebensoviele Teile zerlegt zu werden, wie der Körper hat. Wie nun, wenn man die körperliche Masse der Hand in Gedanken fortnähme, verwürfe aber nicht die gleiche Kraft, die vorher die körperliche Masse hochhielt, welche zuvor in der Hand war? Ist sie dann nicht gleichermaßen als identische, da sie ungeteilt ist, in dem Ganzen an jedem Teile? Und wenn man eine kleine leuchtende Masse, sozusagen einen Punkt nähme und einen größeren kugelförmigen Körper, der durchsichtig ist, herumlegte, so daß das Licht aus der Mitte auf der ganzen Umhüllung leuchtete, ohne daß dieser äußere Körper von anderswoher Licht erhielte, müssen wir da nicht zugeben, daß die Masse innen keiner Affektion unterliegt, sondern sich über den ganzen äußeren Körper ausbreitet und dabei doch beharrt, und daß das Licht, das in der kleinen inneren Masse sichtbar ist, den äußeren Körper besetzt hat? Da nun dies Licht nicht von der körperlichen Masse jenes kleinen Punktes kommt – denn nicht sofern er Körper ist, hat er das Licht, sondern sofern er leuchtender Körper ist, durch eine andere Kraft, die nicht körperlich ist –, gut, so nehme man die körperliche Masse fort und lasse nur die leuchtende Kraft bestehen: kann man da noch sagen, daß das Licht an irgend einem Orte sei, oder ist es nicht gleichermaßen drinnen und in der ganzen äußeren Kugel? Und man wird dann in Gedanken sich nicht mehr dorthin wenden, wo es vorher war, man wird nicht mehr sagen können, woher es kommt und wohin es geht, sondern darüber wird man ratlos sein und sich verwundern; zugleich wird man aber, wenn man (in Gedanken) auf diese oder jene Stelle des kugelförmigen Körpers blickt, immer hier oder dort das Licht wissen. So ist es ja auch bei der Sonne: gewiß kann man sagen, woher das Licht kommt, das den ganzen Luftraum mit seinem Leuchten erfüllt, wenn man den Körper der Sonne im Auge hat; trotzdem aber sieht man es überall als dasselbe Licht und nicht als ein abgeteiltes; das zeigen auch die Körper, die das Licht abschneiden, sie lassen es nicht nach der entgegengesetzten Seite, als woher es gekommen ist, durchgehen und zerteilen es trotzdem nicht. Wenn nun die Sonne reine Kraft wäre, die vom Körper getrennt wäre und so das Licht dargäbe, so nähme es nicht von da seinen Anfang, man könnte nicht sagen, woher, sondern das Licht wäre überall als Einunddasselbe, ohne einen Anfang und auch ohne einen bestimmten Ausgangspunkt zu haben.

      [8]Beim Licht nun, da es eines Körpers ist, kann man sagen, woher es gekommen ist, da man sagen kann, wo dieser Körper ist; was aber immateriell ist und in nichts eines Körpers bedarf, da es dem Wesen nach früher ist als aller Körper, selber in sich selber gegründet, vielmehr auch einer solchen Grundlage in nichts bedürfend – das also, das solchen Wesens ist, da es keinen Ursprung hat, von dem es ausgehen könnte, auch nicht von irgendeinem Orte, noch irgend eines Körpers ist, wie soll man von ihm sagen, das eine Stück sei hier, das andere dort? Damit hätte es schon einen Ursprung, von dem es ausgegangen ist, und wäre einem Ding angehörig. Also bleibt nur übrig zu sagen, daß dasjenige, das etwa an ihm teil erhält, vermöge der Kraft des Ganzen an ihm teil erhält, ohne daß Jenes dabei affiziert wird, weder in anderer Hinsicht, noch auch indem es geteilt würde. Denn dem, was Körper hat, kann das Leiden auch akzidentiell zukommen, und insofern kann es affizierbar und teilbar heißen, da es etwas am Körper ist, z. B. Affektion oder Gestalt; was aber keinem Körper zugehörig ist, sondern der Körper möchte ihm zugehörig sein, das unterliegt notwendigerweise keiner der sonstigen Affektionen des Körpers irgendwie und kann also auch unmöglich geteilt werden; denn auch das ist eine Affektion des Körpers, und zwar primär und sofern er Körper ist. Wenn also zum Körpersein als solchem das Teilbare gehört, so gehört zum Nichtkörpersein als solchem das Unteilbare. Wie will man es denn auch teilen, da es keine Größe hat? Wenn also an dem, das keine Größe hat, das, was Größe hat, irgendwie teilnimmt, so muß es teilnehmen an ihm als einem nicht Geteilten; sonst müßte es ja wieder Größe haben. Nennt man es also Eines in Vielen, so läßt man es damit nicht selber zu Vielen werden, sondern man schiebt den Zustand der Vielen jenem Einen nur zu, weil man es zugleich in den Vielen sieht; daß es aber in den Vielen sei, ist so aufzufassen, daß es nicht ihnen im einzelnen zugehörig wird noch auch im Gesamten, sondern so, daß Jenes sich selbst gehört und es selber ist, und, da es an sich ist, nicht von sich selber läßt. Auch ist es nicht so groß wie das sichtbare All, noch wie irgend ein Teil des Alls; denn es ist überhaupt kein Quantitatives. Wie sollte es auch ein Sogroßes sein? Dem Körper muß man das Sogroß zuschreiben, dem aber, was nicht Körper ist, sondern von anderer Wesenheit, darf man keinesfalls das Sogroß zuschreiben; wo aber das Sogroß nicht ist, da ist folglich auch kein Wo; und also auch kein Hier und Da, denn das wäre bereits ein vielfältiges Wo. Wenn also Teilung im Ort stattfindet (denn das eine Stück des Geteilten ist hier, das andere hier), wie kann da dasjenige, welches kein Hier hat, Teilbarkeit haben? Unteilbar folglich muß es selber bei sich sein, auch wenn das Viele, wie es geschieht, nach ihm trachtet. Und wenn das Viele nach ihm trachtet, so trachtet es klärlich nach ihm als einem Ganzen; daher es, wenn es an ihm auch teilnehmen kann, so weit es vermag, an ihm als Ganzem teilnehmen wird. Es müssen also die Dinge, die an ihm teilnehmen, es so mit ihm halten, als nähmen sie nicht teil, indem es nicht ihr Sondereigentum ist: so kann es selber bei sich ein Ganzes bleiben und zugleich bei denen, an denen es sichtbar wird, ein Ganzes sein; denn wäre es kein Ganzes, so wäre es weder es selber, noch