Schriften in deutscher Übersetzung. Plotin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Plotin
Издательство: Bookwire
Серия: Philosophische Bibliothek
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783787339341
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so entspricht sie der schon in der Luft ertönenden Stimme, vor dem Eintritt in die Körper dagegen dem, das den Ton erzeugt oder erzeugen wird. Freilich, sie entfernt sich auch dann, wenn sie in den Leib eingetreten ist, dennoch nicht von der Entsprechung mit dem Tonerzeuger, welcher als tönender den Ton besitzt sowohl wie von sich gibt. Es hat eben der Vorgang des Tones mit dem, wozu er herangezogen wurde, keine Identität, aber er hat doch in gewissen Punkten Ähnlichkeit. Die Vorgänge mit der Seele aber, da sie dem andern Seinsbereich angehören, muß man so auffassen, daß nicht von ihr ein Stück in den Körpern und ein anderes bei ihr selber ist, sondern bei ihr selber ist sie als Ganzes, und anderseits tritt sie als Ganze an der Vielheit in Erscheinung. Und dann kommt wieder ein anderes, um Seele zu ergreifen, und auch dies erhält unversehens, was in den andern war. Denn die Seele war nicht in dem Sinne im Voraus bereit gemacht, daß ein Teil von ihr, der an dieser bestimmten Stelle gelegen wäre, nun in dieses Ding hinabkäme; sondern der Seelenteil, von dem man sagt, er komme herab, war im All in sich selber und ist in sich selber, obgleich er scheinbar auf diese Welt herabgekommen ist. Auf welche Weise hätte er denn überhaupt herabkommen sollen? Kommt sie also nicht herab, und wird doch als jetzt zugegen sichtbar, und zwar nicht etwa zugegen, indem sie auf etwas wartet, das an ihr Teil erhalten könnte, so steht sie klärlich auf sich und wohnt doch auch diesem Ding bei. Steht sie aber auf sich, indem sie diesem Ding beiwohnt, so kommt in Wahrheit dies Ding zu ihr hin. Wenn aber das, so gelangt, was außerhalb des wahrhaft Seienden war, hin zu solchem Sein und tritt damit ein in die schöne Ordnung der Lebendigkeit, diese Ordnung der Lebendigkeit aber steht dabei auf sich selber und steht klärlich als ganze auf sich und nicht als in ihre Masse zerteilte; sie hat ja auch gar keine Masse; so kommt denn das, was kommt, nicht zu einer Masse. Mithin nimmt an ihr teil als an einem Ganzen etwas, das nicht Teil ist. So, aber auch wenn wieder ein anderes Ding in diese Ordnung einträte, würde es wiederum als an einem Ganzen an ihm Teil erhalten; mithin wird diese Ordnung, gleichermaßen wie die in diesen beiden Dingen als ganze bezeichnet werden muß, in jedem einzelnen Ding ganz sein. Somit wird sie überall als identische und der Zahl nach eine nicht geteilt, sondern ganz da sein.

      [13]Woher rührt dann ihre Ausdehnung über den ganzen Himmelsbau und die Lebewesen? Nun, sie hat sich garnicht ausgedehnt; nur die Sinneswahrnehmung, mit der beschäftigt wir dem Dargelegten keinen Glauben schenken wollen, sagt uns, daß sie hier und dort sei, die Vernunft dagegen sagt uns, daß ‘hier und dort’ nicht durch ihre Ausdehnung zu einem hier und dort wird, sondern daß alles Ausgedehnte an ihr teilhat, die selber unausgedehnt ist. Wenn nun etwas an etwas Teil erhalten soll, so ist klar, daß es nicht an sich selber Teil erhalten kann, sonst wäre es kein Teilhabendes, sondern nur es selber. Folglich kann ein Körper, der an etwas teilnimmt, nicht an einem Körper Teil erhalten; denn den hat er ja schon. Ein Körper kann also an einem Körper nicht Teil erhalten. So kann auch eine Größe nicht an Größe Teil erhalten, denn sie hat sie ja schon. Und auch wenn ihr etwas hinzugefügt wird, kann jene vorherige Größe nicht an Größe Teil erhalten; denn nicht das zwei Ellen Lange wird drei Ellen lang, sondern das Substrat bekommt eine andere Quantität, als es hatte; denn sonst wären ja die zwei selber drei geworden. Folglich, wenn nun das Zerteilte und in die Quantität Ausgedehnte an einem anderen Bereich oder überhaupt etwas an einem von sich Verschiedenen Teil erhalten soll, so darf das, an dem es teilnimmt, weder zerteilt noch ausgedehnt sein noch überhaupt ein Quantitatives. Als ganzes also muß das, was ihm beiwohnen soll, beiwohnen und als überall teilloses; und zwar nicht in dem Sinne teillos wie etwas Kleines; denn dann wäre es immer noch teilbar, würde zu dem ganzen Dinge nicht passen und ihm, wenn es sich vergrößert, nicht als dasselbe noch gesellt bleiben; auch nicht in dem Sinne wie ein Punkt, denn die Masse ist nicht ein Punkt, sondern in ihr sind unendlich viele; es müßte also auch das Beiwohnende, wenn es Punkt sein soll, vielmehr unendlich viele Punkte sein, und wäre dann nicht kontinuierlich; auch dann also würde es nicht passen. Wenn also die ganze Masse das Beiwohnende als Ganzes haben soll, muß sie es haben in der Ganzheit seines Seins.

      [14]Aber wenn die Seele an jeder einzelnen Stelle identisch ist, wieso ist sie dann für das Einzelwesen seine eigene? und wie die eine gut, die andere böse? Nun, Jenes langt auch für jedes Einzelwesen hin und hat alle Seelen und alle Geiste. Denn Es ist eines, anderseits aber unendlich und alles zumal und trägt das einzelne in sich als abgetrenntes und doch wieder nicht gesondert abgetrennt. Denn in welchem Sinne sollte Es wohl unendlich heißen, wenn nicht deshalb, weil Es alles zumal hat, jegliches Leben und jegliche Seele und jeglichen Geist? Wobei aber das einzelne davon nicht durch Grenzen abgesondert ist (und insofern ist Es anderseits wieder eines). Es durfte ja nicht nur ein Leben haben, sondern unendliches Leben, dies mußte anderseits aber eines sein; es muß eben dies eine dergestalt eines sein, daß es alle Leben zumal hat, nicht verkoppelt zu einer Einheit, sondern von Einem her beginnend und verharrend, woher sie begannen, oder vielmehr begannen sie gar nicht, sondern Es besaß sie ewig so; denn in Jener Welt ist nichts Werdendes, also auch nichts sich Teilendes, sondern es scheint sich zu teilen für den, der es empfängt. So ist Jenes seit alters und von Urbeginn, das Werdende aber nähert sich ihm, scheint sich ihm zu verknüpfen und hängt von ihm ab. Wir aber – was sind wir? Sind ‘Wir’ jenes obere oder das, was sich ihm nähert, was in der Zeit wird? Nein, schon vor diesem unsern Werden waren Wir dort, andere Menschen, einige auch Götter, waren reine Seelen und waren Geist, mit dem gesamten Sein verknüpft, waren Teile des Geistigen, nicht abgesondert, abgeschnitten, nein, wir gehörten zu dem Gesamt; wie wir denn ja selbst heute noch nicht von ihm abgeschnitten sind. Freilich, heute ist zu jenem oberen Menschen ein anderer Mensch hinzugetreten: er wollte sein und machte uns ausfindig (wir waren ja nicht außerhalb des Alls) und bekleidete uns mit sich, fügte sich selbst jenem oberen Menschen hinzu, dem oberen Menschen, der jeder einzelne von uns dazumal gewesen ist (so wie wenn eine einheitliche Stimme, ein einheitliches Wort von vielen, die hier und da das Ohr anlegen, gehört und aufgenommen wird, und damit entsteht etwas aktuell Hörbares, welches das in ihm sich Verwirklichende als gegenwärtig hat); so sind wir denn die Vereinigung von Beidem geworden, und sind nicht manchmal nur das eine, das wir ehemals waren, manchmal nur das andere, das wir hernach zufügten, wenn jenes Frühere träge ist oder auf sonst eine Weise nicht zugegen.

      [18]Und auf welche Weise ist dies Hinzutretende nun hinzugetreten? Nun, nachdem es die Eignung hatte, erhielt es das, wozu es geeignet war; es war aber derart, daß es Seele aufnehmen konnte. Was aber derart ist, daß es die Seele nicht ganz aufnehmen kann – obgleich sie ganz zugegen ist, nur nicht für dieses – wie die übrigen Lebewesen und die Pflanzen, das erhält nur soviel, als es zu fassen vermag; so wie bei einem Laut, der ein Wort bedeutet, die einen mit dem Klang des Lautes auch das Wort erfassen, die andern nur den bloßen Laut, nur die Erschütterung. Nachdem also ein Lebewesen entstanden war, welches bei sich zugegen die Seele aus dem Seienden hat, vermöge derer es verknüpft ist mit allem Seienden, – aber auch einen Körper hat es zugegen, der nicht leer ist und der Seele unteilhaftig, denn er war auch zuvor nicht im Unbeseelten gelegen, ist aber jetzt durch seine Eignung noch mehr gleichsam in die Nähe gerückt und nun nicht mehr bloßer Körper, sondern lebender Körper, der gleichsam durch die Nachbarschaft eines Schimmers der Seele genießen darf, nicht einen Teil von ihr, sondern gewissermaßen eine Art von Erwärmung oder Erleuchtung, die von ihr herabkommt – da erwuchs in ihm die Entstehung der Begierden, Lüste und Schmerzen; der Körper aber ist dem so entstandenen Lebewesen nicht wesensfremd. Die Seele nun, die aus dem Göttlichen stammt, verharrte in Ruhe, sie blieb in ihrer eigentümlichen Wesensart, auf sich selber fußend; der Körper aber, welcher infolge seiner Kraftlosigkeit verwirrt wurde und, selber schon fließend, noch als erster von den äußeren Stößen betroffen wird, er rief dies in die Gemeinsamkeit des Lebewesens hinein und teilte dem Ganzen seine eigne Verwirrung mit. So sitzen in einer Volksversammlung die Ältesten in ruhigem Sinnen, das Volk aber, zur Unordnung geneigt, verlangt nach Brot und beschwert sich über das, was es denn sonst zu leiden hat, und kann so die ganze Versammlung in wilden Tumult reißen; wenn nun, halten diese Ruhe, von einem Verständigen vernünftige Rede zu ihnen hindringt, so kommt die Menge zu Ordnung und Ruhe und das Niedere behält nicht die Oberhand; wenn aber nicht, so hat das Niedere die Oberhand über das ruhig bleibende Bessere, weil das Lärmende das von oben kommende vernünftige Wort nicht aufnehmen konnte: und das ist für eine Stadt und eine Versammlung das ihnen eigene Laster. Das ist aber auch beim Menschen das Laster, der seinerseits in sich eine Volksmenge von Lüsten, Begierden und Ängsten hat, die die Oberhand bekommen, wenn sich ein Mensch entsprechender Anlage solcher Volksmenge ausliefert.