Schriften in deutscher Übersetzung. Plotin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Plotin
Издательство: Bookwire
Серия: Philosophische Bibliothek
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783787339341
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die Zukunft aus ihrer Stellung ablesen indem man ihre Bedeutung nach der Analogie methodisch erschließt (Analogie im Sinne von: da der Vogel hoch fliegt, deutet das auf hochgemute Taten).

      [7]Es bleibt noch übrig die Grundursache zu betrachten, die alles miteinander verflechten und gewissermaßen verketten und dem Einzelnen das Wie seines Seins geben soll, sie die als Einheit angesehen wird, von der aus alles vermöge der Keimformen geschieht. Diese Lehre steht jener andern nahe, welche jeden Zustand und jede Bewegung sowohl beim Menschen als überhaupt aus der Allseele herleitet; allerdings will sie einiges für den Menschen auch als einzelnen retten, so daß er etwas von sich aus tut. Sie bringt nun strikteste Notwendigkeit für alles mit sich; wenn alle Gründe gegeben sind, dann muß das Einzelne unter allen Umständen geschehen; denn nichts kann es mehr hindern oder anders geschehen machen, wenn alles schon im Schicksal gegeben ist. Sind also die Gründe des Geschehens derart, so können sie, da sie von einem einheitlichen Urgrund ausgehen, uns nichts andres übriglassen als uns zu bewegen wohin sie uns stoßen. Denn unsere Vorstellungen entstehen dann durch vorausliegende Ursachen, und unsere Antriebe auf Grund der Vorstellungen; unsere Selbstbestimmung ist dann leeres Wort; sie kommt auch keineswegs dadurch zur Geltung daß wir eigene Antriebe haben, da ja diese Antriebe auf Grund jener vorausliegenden Ursachen sich bilden; unser Anteil wäre dann gleich dem von Tieren und Säuglingen, die nach blinden Antrieben sich regen, und von Wahnsinnigen; denn auch diese haben eigene Antriebe, ja bei Gott, auch das Feuer hat Antriebe und alle Dinge, die ihrem inneren Aufbau unterworfen sind und ihm entsprechend sich bewegen. An diesen Tatsachen sind sie denn auch nicht vorbeigegangen und keiner von ihnen bestreitet sie; aber indem sie für diesen unsern Antrieb andere Ursachen suchen, bleiben sie nicht mehr bei jener ihrer Grundursache stehen.

      [8]Welche Ursache nun die außer den behandelten auftauchen kann, läßt nichts Grundloses übrig und wahrt dabei die Auseinanderfolge und Ordnung der Ereignisse und beläßt uns zugleich doch ein Eigensein, macht ferner die Vorhersagen und Prophezeiungen nicht unmöglich? Die Seele ist ein andersartiges Prinzip, sie muß man in die Welt einführen, nicht nur die Allseele sondern mit ihr auch die Einzelseele, denn sie ist kein geringes Prinzip; damit bringt man alle Dinge in Verflechtung, denn sie entsteht nicht, so wie die andern Dinge aus Samen, sondern sie ist selbst eine erstbewirkende Ursache. Solange die Seele nun ohne Leib ist, ist sie völlig Herr über sich und frei und steht außerhalb der innerweltlichen Verursachung; gerät sie aber in den Leib, so ist sie nicht mehr in Allem unabhängig, da sie dann in eine Reihe mit andern Dingen gestellt ist. Zufälle sind es meist die ringsherum alle Dinge lenken, unter die sie beim Eintritt in diese Welt geraten ist; so handelt sie teils um deretwillen, teils aber ist sie die überlegene und lenkt die Dinge wie sie will. Und zwar hat die gute Seele über mehr Dinge Gewalt, die geringe über weniger; denn wenn eine der Mischung ihres Körpers ein wenig nachgibt, so ist sie gezwungen zu begehren, zu zürnen, sie wird durch Armut unterwürfig, durch Reichtum hochmütig, durch Macht tyrannisch; die andere aber, die guten Wesens ist, stemmt sich eben diesen Umständen entgegen und verwandelt sie eher als sie verwandelt wird, teils ändert sie sie, teils gibt sie ihnen ohne schlecht zu werden nach.

      [9]Notwendig also ist (für die Seele) nur das, was geschieht auf Grund eines Zusammenwirkens von Wille und Schicksal; denn was sollte sonst noch für sie notwendig sein? Wo aber alle Gründe gegeben sind, da geschieht alles nach Notwendigkeit; und zu diesen äußeren Ursachen gehört auch das was etwa von der Himmelsbewegung einwirkt. Wenn nun die Seele durch den Einfluß des Äußeren sich wandelt und dann etwas tut, gleichsam in blindem Drang sich fortreißen läßt, dann ist diese Handlung, und auch dieser Zustand, nicht freiwillig zu nennen; so auch wenn sie an sich geringer ist und nicht immer richtige und leitende Antriebe hat. Wenn aber ihre Antriebe die ihr wesenseigene Vernunft rein und leidenschaftslos zum Leiter haben, so ist allein ein solcher Antrieb selbstbestimmt und freiwillig zu nennen, und das ist das uns eigene Wirken, das nicht von anderswoher kommt, sondern von innen aus der reinen Seele, von einem Urgrund also, der leitet und Herr ist, und nicht aus Unwissenheit Irrtum erleidet und der Gewalt der Begierden unterliegt, die wenn sie an sie herankönnen sie treiben und zerren, und unser Tun nicht mehr Handeln sein lassen sondern bloßes Erleiden.

      [10]So ist also das Ergebnis unserer Überlegung daß alles nur angezeigt wird (durch die Gestirne), und daß alles nach Ursachen geschieht, aber nach doppelten: ein Teil des Geschehens ist durch die Seele, ein Teil durch die äußeren Ursachen veranlaßt. Wenn die Seelen in all ihrem Handeln der wahren Vernunft folgen, so ist ihr Handeln selbstbestimmt, wenn aber nicht, so sind sie gehindert an ihrem eignen Handeln und erleiden mehr als sie handeln. Daher, wenn sie unverständig ist, andere Dinge der Grund sind (und vielleicht ist es richtig, diese Handlungen schicksalbestimmte zu nennen, wenigstens wenn man der Meinung ist daß das Schicksal der Grund für das äußere Geschehen ist); unsere besten Handlungen aber gehen von uns selbst aus; denn derart ist unser Wesen wenn wir allein sind. Die Guten tun das Gute nach eigenem Willen, die andern aber nur dann, wenn sie einmal aufatmen dürfen und ihnen gewährt wird das Gute zu tun; auch sie empfangen die Einsicht, wenn sie einsichtig sind, nicht anderswoher, sondern es fällt dann nur die Hinderung an der Einsicht fort.

       4

      Das Wesen der Seele (I)

      Als wir die Frage untersuchten, welches eigentlich das Wesen der Seele sei, haben wir gezeigt, daß sie kein Körper ist, weiter daß sie unter den unkörperlichen Dingen keine Harmonie ist, den Begriff ferner der Entelechie haben wir abgelehnt, da er in dem Sinne, wie er vorgebracht wird, nicht zutrifft und keine Aufklärung über das Wesen der Seele geben kann; wenn wir weiter dargelegt haben daß sie zur geistigen Wesenheit gehört und zum göttlichen Bereich, so haben wir damit doch wohl etwas Deutliches über ihr Wesen ausgesagt. Indessen ist es besser noch weiter zu gehen. Damals gingen wir vor nach einer Einteilung in sinnliche und geistige Wirklichkeit, und haben die Seele dem Geistigen zugewiesen. Heute wollen wir diese Zuweisung an den geistigen Bereich zugrunde legen und auf einem anderen Wege des Näheren ihrer Artung nachgehen.

      So sei gesagt: die einen Dinge sind primär teilbar, ihrem eigenen Wesen nach zerstreuen sie sich; das sind die Dinge, von denen kein Teil identisch ist mit einem andern Teil oder dem Ganzen, und deren Teil kleiner sein muß als das Gesamte: das aber sind die sinnlichen Größen, die Massen, von denen jede einen eigenen Ort innehat und bei denen es nicht möglich ist, daß dasselbe zugleich an mehreren Orten ist. Eine zweite Art von Sein ist dieser ersten entgegengesetzt: sie unterliegt in keinem Sinne einer Teilung, ist teillos und unteilbar, unterliegt keiner Ausdehnung, nicht einmal in der Vorstellung, sie bedarf keines Ortes, sie befindet sich in keinem der seienden Dinge, weder in Teilen noch im Ganzen, da sie auf allen Dingen zugleich gewissermaßen aufliegt, nicht als bedürfe sie jener als Stütze, sondern weil das andere nicht ohne sie sein kann noch will, sie ist ‘Seinsheit von immer gleichem Zustand’, gemeinsam für alles ihr Nachgeordnete wie der Mittelpunkt im Kreise, von dem alle zur Peripherie ausgehenden Linien abhängen, wobei sie ihn doch in sich selbst ruhen lassen, und erhalten von ihm ihr Werden und ihr Sein; so haben sie Teil an dem Punkt und das Ungeteilte ist ihnen Ursprung, aber indem sie von ihm abhängen sind sie doch von ihm aus vor- und fortgeschritten.

      Während also auf der einen Seite dies primär Unteilbare steht, das in der geistigen Welt und unter den wahrhaft seienden Dingen Anführer ist, und auf der anderen Seite das durchaus Teilbare in der sinnlichen Welt, gibt es noch eine von ihnen verschiedene Wesenheit, die über dem Sinnlichen steht, jedoch ganz in seiner Nähe, ja in ihm; diese ist nicht primär teilbar wie die Körper, aber sie wird teilbar an den Körpern. So wird denn bei einer Zerlegung der Körper die ihnen innewohnende Form gewiß auch zerteilt, weilt jedoch in jedem der Teile als ein Ganzes, sie wird eine Vielheit und bleibt doch dieselbe, aber jeder dieser ihrer Teile ist ganz vom andern getrennt, da sie ja durchaus teilbar geworden ist; so wie Farben und überhaupt alle Qualitäten und jede Form als ganze gleichzeitig vielen getrennten Dingen innewohnen kann, wobei kein Teil von ihr die gleichen Empfindungen hat wie der andere; so ist also auch diese dritte Wesenheit als durchaus teilbar anzusehen. Neben jener durchaus unteilbaren Wesenheit gibt es nun noch eine weitere, die als nächste Stufe nach jener kommt; sie hat von jener her die Unteilbarkeit, aber in einem aus ihr selber kommenden Hinaustreten drängt sie zu der