Wo sollte er sie finden?
Der Butler fuhr mit dem Aufzug wieder hinauf in die dritte Etage und traf hier auf den Personalleiter, der sich das Verschwinden seines Abteilungsleiters nicht erklären konnte. Parker hütete sich, dem Mann irgendwelche Hinweise zu geben, sondern verabschiedete sich von ihm und begab sich zurück zu seinem hochbeinigen Wagen. Wo sollte er welchen Hebel ansetzen, so fragte er sich. Eine etwaige Durchsuchung von Gardenas Wohnung bedeutete nur unnötigen Zeitverlust. Ein Gangster wie dieser Mann hinterließ gerade in seiner Wohnung sicher keinen Hinweis auf etwaige Verstecke.
Wenn einer etwas darüber gewußt haben mochte, dann höchstens der leider verblichene Harry Lancing.
Und Helen Winters, die Freundin dieses Mannes!
Das war das Stichwort, wie Parker meinte. Nach Lage der Dinge hatte sie die letzte Schmuggelpartie von Rohdiamanten an sich gebracht und konnte Lancing vielleicht mit ihr über seinen wirklichen Chef Gardena gesprochen haben. Verfügte diese geheimnisvolle Frau über die Informationen, die er jetzt so dringend brauchte?
Der Butler setzte sich in seinen Wagen und fuhr hinüber nach Lambeth, wo sich die Tierhandlung von Harry Lancing befand. Vor dem Ladenlokal entdeckte der Butler zwei Fahrzeuge der Polizei. Nach dem Tod von Harry Lancing, vielleicht sogar nach dessen Ermordung, beschäftigten die Behörden sich jetzt mit dem privaten Hintergrund dieses Mannes. Dazu gehörte natürlich auch die Durchsuchung der Wohnung. Für die Tiere in der Zoohandlung war also bestens gesorgt, darüber brauchte der Butler sich keine Gedanken mehr zu machen.
Er fuhr weiter und hielt vor dem Haus, in dem laut Auskunft des kleinen Jungen mit der Schildkröte Helen Winters wohnte. Diese Auskunft erwies sich als richtig. Parker fand ein Klingelschild mit dem Namen der Frau.
Das Haus war vier Stockwerke hoch, sah leicht verkommen aus und schien in viele Klein-Apartments aufgeteilt. Parker stieg aus dem Wagen und über die Treppe hinauf in die zweite Etage. Am Ende eines langen Korridors befand sich das Apartment Helen Winters. Die verschlossene Tür gab ihren Widerstand schon nach wenigen Sekunden auf. Parker trat ein und … sah sich drei Männern gegenüber, die ganz einwandfrei auf ihn gewartet hatten.
„Ich erlaube mir, Ihnen einen besonders schönen Nachmittag zu wünschen“, sagte der Butler und lüftete höflich seine schwarze Melone. Er schätzte kühl seine Chancen ab und sah ein, daß sie sehr schlecht ständen. Zwei der drei Männer waren eindeutig Profis. Sie hielten schallgedämpfte Schußwaffen in Händen und nahmen ihn sofort in die Zange. Der dritte Mann nickte.
„Da sind Sie ja endlich“, sagte er.
„Haben Sie sehr lange warten müssen, meine Herren?“ fragte der Butler gemessen. „Mister Roots, wenn ich nicht irre? Und die Herren dürften Paul und Richie heißen, nicht wahr?“
Parker hatte die Beschreibung noch im Kopf, die Kathy von den drei Gangstern geliefert hatte. Um sie mußte es sich handeln.
„Melvin Roots“, antwortete der glatzköpfige, dickliche Mann und nickte bestätigend. „Mit uns haben Sie wohl nicht gerechnet, wie?“
„In der Tat nicht.“
„Aber wir mit Ihnen.“ Roots griff nach dem Telefonhörer und wählte versteckt eine Nummer, während er dazu laut hustete. Dadurch machte er es dem Butler unmöglich, sich die Nummer zu merken, wenn die jeweils gewählte Nummer samt der Wählscheibe zurückschnurrte. Normalerweise schaffte Parker das in den meisten Fällen.
„Er ist da“, sagte Roots, als die Verbindung hergestellt war. Dann hörte er einen Moment zu, nickte und legte wieder auf.
„Sie sprachen gerade mit Mister Gardena?“ erkundigte sich Parker.
„Halten Sie den Mund“, fuhr Melvin Roots ihn an. „Los, Jungens, durchsucht ihn gründlich, ich werde ihn gleich mitnehmen!“
„Und was ist mit uns?“ fragte Richie scharf.
„Ihr wartet auf Helen Winters“, entschied Melvin Roots. „Hier, ruft diese Nummer an, sobald ihr sie erwischt habt!“ Er kritzelte eine Nummer auf ein Stück Papier und reichte es Richie, der aufbrausen wollte.
Parker sah deutlich, daß der andere Gangster seinem Partner einen schnellen, warnenden Blick zuwarf, worauf der Mann schwieg und den Fetzen Papier achtlos in die Tasche seines Jacketts steckte.
Parker wurde nach Waffen durchsucht. Sehr gründlich und eingehend sogar, doch die beiden jungen Gangster entdeckten nichts, was sie hätte mißtrauisch werden lassen. Josuah Parker war ihnen unbekannt, daher ahnten sie auch nichts von den vielen verborgenen Waffen, die der Butler mit sich führte, Waffen, die als solche nicht zu erkennen waren.
„Ich knalle Sie nieder, Parker, wenn Sie Dummheiten machen“, verhieß Melvin Roots dem Butler. „Wir werden Ihren Wagen nehmen, klar?“
„Sie sehen einen Mann vor sich, der ein wenig verunsichert ist“, behauptete der Butler, der im Grund froh über diese Begegnung war.
Alles sah danach aus, daß er Lady Simpson und Kathy Porter schon recht bald wiedersehen würde. Gardena, der Drahtzieher der Diamantenschmuggler und Entführer der beiden Damen, war dabei, sein Konto weit zu überziehen.
*
Agatha Simpson war übelster Laune.
Sie befand sich in einem engen und feuchten Loch von einem fensterlosen Keller und kam sich sehr hilflos vor. Nach der Fahrt in Richtung Airport waren sie dicht vor dem Flugplatz nach Norden abgebogen und hatten dann ein kleines Cottage erreicht, das an einem Fluß lag, der River Colne hieß.
Das einstöckige Haus, das eindeutig aus einem früheren Jahrhundert stammte, war üppig möbliert und erinnerte an ein Liebesnest. Gardena schien hier private Besuche zu empfangen.
Leider aber nicht in dem Keller, in den Lady Agatha sich hatte begeben müssen. Hier fehlte jeglicher Komfort, sie verfügte nur über einen alten Sessel, dessen Sprungfedern durch die Bespannung kamen, und über einen dreiarmigen Kerzenleuchter. Aus Gründen der Sparsamkeit brannte nur eine Kerze, die übrigen beiden waren von Lady Simpson gelöscht worden.
Die Detektivin dachte natürlich an ihre Sekretärin und Gesellschafterin Kathy Porter.
Es paßte ihr überhaupt nicht, daß Gardena sie oben im Haus zurückbehalten hatte.
Dieser Gardena hatte schließlich auf sie den Eindruck eines Mannes gemacht, der eine hübsche und attraktive Frau nicht ungeschoren ließ. Sie fragte sich voller Unruhe, wie es Kathy inzwischen wohl erging.
*
Er setzte sie auf einfache Art und Weise außer Gefecht.
Walter Gardena spürte insgeheim, wie gefährlich die langbeinige junge Frau war. Er traute sich nicht nahe an sie heran und gab ihr keine Gelegenheit, irgendeinen Karateschlag anzubringen. Er wußte von seinen Mitarbeitern Melvin, Paul und Richie, wie pantherhaft dieses scheue Reh sein konnte.
Er machte sich die Sache sehr einfach, nachdem Lady Simpson im Keller Quartier hatte beziehen müssen.
„So trinken Sie doch, Kathy“, sagte er lächelnd. Er stand neben einem schwarz lackierten Holzpfeiler, der die Decke trug, und hielt seine Schußwaffe einsatzbereit in der Hand. „Genieren Sie sich nicht, Mädchen, ist ja alles da, was Sie sich nur wünschen.“
Kathy wünschte sich überhaupt nichts, obwohl Gardena nicht zu viel versprochen hatte. Sie stand neben der Hausbar, einem kleinen Wandtisch, der mit Flaschen gut bestückt war, hielt ein Glas Whisky in der Hand und schüttelte angewidert den Kopf. Sie hatte ein fast volles Glas leer getrunken und spürte bereits den Alkohol, und zwar sehr deutlich. Die junge Dame machte einen erhitzten Eindruck, ihr Gesicht war gerötet.
„Wird’s