Sonst hätte er den Riß in seinem Plan selbst gesehen.
Als er auf sein Zimmer zurückkam, schrak er zusammen.
Er spürte sofort, daß ein Mensch im Raum war.
Der Colt flog in seine Hand. Der Hahn knackte.
»Wer ist da?«
»Ich.« Es war die Stimme der Laura Higgins’.
Sie saß in einem der beiden Sessel und riß ein Zündholz an, das sie an den Docht der Lampe brachte.
»Was wollen Sie?« fragte er mit trockener Kehle.
»Sie etwas fragen.«
»Fragen Sie.«
Es klang unfreundlich und schroff.
Aber die Frau lächelte ihn entwaffnend an.
»Wie fanden Sie nun meine Idee?«
Er war zum Schrank gegangen, um sich eine Strohhalmzigarre zu holen, blieb aber wie angewachsen stehen.
»Ihre Idee?«
»Ja, oder glaubten Sie, Doc Holliday wäre tatsächlich Ihnen zuliebe auf die Straße gekommen?«
Eisige Kälte kroch dem Texaner ins Genick. Er hatte plötzlich wieder die Minute des Kampfes vor Augen.
»Was wäre wohl geschehen, wenn er und der Marshal nicht eingegriffen hätten?«
»Sie…? Sie haben das veranlaßt?«
»Was haben Sie gedacht?«
Sie nahm eine Zigarette aus einer silbernen Tabattiere und hielt einen Fidibus über den Glaszylinder der Lampe.
Meredith ließ sich in dem andern Sessel nieder.
So war das also! Sie hatte Doc Holliday um Hilfe gebeten. Und jetzt war er ihr zu Dank verpflichtet.
Anstatt ihr imponiert zu haben, hatte er sich blamiert und war ihr nun obendrein noch zu Dank verpflichtet.
Tatsächlich, es war nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn der Marshal und der Georgier nicht eingegriffen hätten!
Die Frau ging mit der Zigarette ans Fenster und blickte auf die dunkle Straße. Leise wie zu sich selbst sagte sie:
»Drüben, gleich hinter dem großen Depot, steht ein baufälliger Schuppen. Sie haben ihn sicher noch nicht gesehen, weil das Depot ihn verdeckt. Es ist das Totenhaus.«
Über den Rücken des Mannes lief wieder ein eisiger Schauer.
»Da lägen Sie jetzt. Auf einer grob zusammengeschlagenen Bahre. So lange, bis der Marshal alles untersuchen lassen und Ihre Leiche zur Beerdigung freigegeben hätte.«
Meredith schluckte schwer und starrte auf den schmalen Rücken der Frau.
Da wandte sie sich um, lehnte sich gegen die Fensterbank und lachte
ihn wieder auf ihre entwaffnende mädchenhafte Weise an.
»Was machen Sie für ein Gesicht, Gil? Sie liegen ja nicht da. Sie sitzen hier und sind gesund. Ich schätze, Sie haben sogar schon neue Pläne gemacht.«
Der Texaner stand auf.
»Was wollen Sie, Miß Higgins?«
Sie kam langsam auf ihn zu und zupfte an seiner neuen Halsschleife.
Ein Blutstrom schoß zu seinem Herzen.
»Ich habe es für Sie getan, Gil.«
»Laura«, kam es rauh aus der Kehle des Mannes.
Rasch ergriff sie die Situation.
»Sie werden gegen ihn kämpfen!«
Ein phantastisches Leuchten stand auf einmal in ihren Augen.
Der Mann verkannte es. Er hielt es für ganz etwas anderes.
»Laura!«
Sie stieß ihn sanft zurück.
»Sagen Sie mir, daß Sie es tun werden!«
Alles, alles war vergessen. Der gestrige Abend, der heutige Morgen, die furchtbare Mittagsstunde und die schreckliche Minute im Pulverrauch auf der Frontstreet unten.
Was er gestern nacht erträumt hatte, glaubte er jetzt erreicht.
»Laura, sagen Sie, was Sie verlangen! Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht.«
Sie wich noch einen halben Schritt zurück und sagte mit ihrer rauchigen Stimme:
»Sie werden gegen ihn kämpfen und ihn niederwerfen.«
Da war es der Mann, der zurückfuhr.
Plötzlich hatte er begriffen. Wie Schuppen war es ihm von den Augen gefallen.
Er sollte gegen Doc Holliday kämpfen!
Gegen den großartigen Gunfighter, der mit der Kaltblütigkeit eines Indianers und der Sicherheit eines Schlafwandlers im Kampf gestanden hatte, der die Situationen mit geradezu unheimlicher Präzision erfaßt und ausgenutzt hatte.
Nein, das war doch Wahnsinn!
Wer hatte gegen diesen Mann denn auch nur die Spur einer Chance?
Was war ein Jimmy Tegeratt gegen ihn? Nichts.
Und was war selbst Ole Binkert, der Schießer aus Oklahoma City, gegen einen Doc Holliday! Binkert war der gefährlichste Schütze gewesen, den Meredith bis zu dieser Mittagsstunde gesehen hatte.
Wyatt Earp und Doc Holliday waren wenigstens doppelt so schnell.
»Nein!« keuchte er. »Nein, Miß Higgins! Was Sie da verlangen, das ist Wahnsinn! Tod…«
»Feigling!« stieß sie verächtlich hervor.
»Sie sind ein elender Feigling! Ich hätte Sie heute mittag vor die Hunde gehen lassen sollen. Und so ein Mann konnte mir gefallen! Wo hatte ich nur meine Augen und wo meinen Verstand.«
Da langte er nach ihrem Handgelenk und umspannte es.
»Was haben Sie da gesagt, Laura?« brach es rauh von seinen Lippen.
»Sie haben es ja gehört.«
Eine glühende Hitze rann durch seine Adern. Sie hatte ihm eben ihre Liebe gestanden – glaubte er.
Er, der Betrüger, wurde fürchterlich betrogen. Und erneut von einer Frau in eine Hölle gestoßen, deren Glut in dieser Sekunde keiner der beiden Menschen ahnte.
»Sie werden ihn besiegen, Gil. Ich weiß es. Und seien Sie unbesorgt: Ich helfe Ihnen! Ich erwarte nicht, daß Sie mit ihm auf die Straße gehen. Das wäre Ihr sicherer Tod, wie es der Tod einer Reihe anderer Männer war…«
Sie brach ab. Damned, da hatte sie sich verraten, ihm gesagt, daß sie schon eine Reihe anderer Männer vor ihm gegen den Georgier aufgehetzt hatte!
Aber Gilbert Meredith war taub gegen alle weiteren Worte geworden.
Sie würde ihm beistehen und verlangte nicht, daß er den Georgier zum offenen Gunfight forderte!
Mehr brauchte er nicht!
Sie sollte mit ihm zufrieden sein!
»Ich will ihn an der Erde sehen, in seinem Blut muß er liegen! Niedergeschossen! Gil! Hören Sie! Er muß fallen, fallen, fallen!«
Wenn ihm schon nicht der fanatische Glanz in ihren Augen auffiel, so hätten ihm doch ihre Worte zu denken geben müssen!
Aber der Verstand des Texaners Gilbert Meredith war völlig umnebelt.
Die grünäugige Irin Laura Higgins hatte ihn in ihren unseligen Bann geschlagen.
*
Doc Holliday stand oben im Marshals Office neben der Tür und blickte zu dem Missourier hinüber, der eben seine Eintragungen über die