Er sollte weiterreiten. Nach Westen, vielleicht nach Santa Fé hinüber. Da gab es doch Spiel-Saloons genug!
Hatte ihm diese Stadt nicht bewiesen, daß sie hart zurückschlug?
Aber er hatte einen riesigen Gewinn eingesteckt! Das reizte den Mann gewaltig, der mit den Pokerkarten seinen Lebensunterhalt bestritt.
Er würde erst gehen, wenn er die Schuldscheine von Urb Kelly eingelöst bekommen hatte.
Und wenn Urb nichts hatte, würde der Mayor einspringen müssen.
Solche Leute litten nämlich Merediths Ansicht nach an einer gewissen Art von Familien-Ehre.
Er war fest davon überzeugt, daß der Mayor am Ende für die Schulden, die sein Bruder am Spieltisch gemacht hatte, einstehen würde.
Nur das war es, das ihn so abweisend hatte sein lassen!
So jedenfalls deutete es sich der Betrüger.
Er hätte weiterreiten können. Mit den Bucks, die er bereits ebenfalls durch Falschspiel an sich gebracht hatte, in der Tasche.
Die Habgier ließ ihn bleiben.
Wyatt Earp war ja nicht sein Feind. Im Gegenteil, er hatte ihn ja aus einer mörderischen Klemme herausge-
hauen.
Damit waren Sie doch gewissermaßen Verbündete geworden, Partner!
Diesem Wahn hing der Texaner an.
Die Worte, die der Marshal anschließend zu ihm gesprochen hatte, waren von ihm längst vergessen worden.
Eine alte Frau wies Meredith den Weg.
»Hinten, in der letzten Straße, links das vorletzte Haus zur Prärie hinaus… Ein altes Holzhaus mit abgeblätterter grüner Farbe…«
Meredith fand es rasch. Er durchquerte einen kleinen, sehr sauberen Vorgarten und klopfte an die Haustür.
Eine Frau öffnete. Als sie den Texaner sah, griff sie sich in typisch weiblicher Vorahnung an die Kehle.
»Ja…?«
»Ich bin Gil Meredith, Madam, ich muß mit Ihrem Mann sprechen.«
»Mit meinem Mann?« stammelte die Frau hilflos. »Aber er ist schwerverletzt… Er liegt oben.«
»Einerlei, ich habe mit ihm zu reden! Ich bekomme Geld von ihm.«
»Er hat kein Geld mehr. Sie wissen es selbst, Mister Meredith.«
»Kommen Sie mir nicht so. Der Jammerton verfängt bei mir nicht. Ich bin Spieler, und überall habe ich bis jetzt meine Gewinne eingezogen.«
»Ich kann Ihnen nichts geben«, stotterte die Frau.
Da schob er sie brüsk beiseite, ging an ihr vorbei und – schrak zusammen.
Der gellende Schrei eines Kindes zerriß die Luft.
Meredith hatte auf eine kleine Kinderhand getreten.
»Schaffen Sie das Gewürm weg!« zischte er die Frau an.
Dann ging er zur Treppe und stieg ins Obergeschoß hinauf.
Eine der beiden Türen war nur angelehnt.
Meredith stieß sie auf.
Das Zimmer war von den Vorhängen fast verdunkelt.
Links stand das Bett, auf dem der Mann lag.
Trotz des schummrigen Lichtes erkannte der Texaner das eingefallene bleiche Gesicht seines gestrigen Spielpartners.
»Kelly, ich bin’s, Meredith!«
Keine Antwort.
»Hör zu, mach keinen Ärger. Ich will meinen Gewinn kassieren. Spuck die Bucks aus, sonst werde ich gallig.«
Da bewegte sich der Kopf des Verletzten.
»Ich… habe nichts mehr, Meredith.«
»Aber Sie haben einen Schuldschein über eine ganze Menge Geld unterschrieben.«
»Ich habe… nichts.«
»Dann sind Sie also ein Betrüger?«
Er trat nahe an das Bett des Verwundeten heran.
»Wissen Sie, was ich mit Leuten mache, die mich betrügen wollen? Ich drehe ihnen die Luft ab. Verstehen Sie? Ich mache sie restlos fertig, daß sie nicht mehr jappen können. Meine Dollars, Kelly! Du rückst meine Dollars raus, Halunke!«
»Ich… habe doch nichts… mehr, Meredith. Sie müssen warten, bis ich wieder aufstehen kann.«
»Wozu?« keuchte der Betrüger. »Wozu?«
»Weil ich dann wieder arbeiten gehen kann.«
»Wo wollen Sie arbeiten?«
»In Longs Schreinerei.«
Der Texaner lachte wiehernd auf.
»Sie haben ein Gemüt wie ein
Longhornstier, Mann! Bis Sie in einer Schreinerei auch nur ein Drittel dieser Summe zusammenverdient haben, habe ich graue Haare. No, Mister. So rollt der Karren nicht. Wenn Sie das Geld nicht haben, werden Sie es sich besorgen. Andernfalls lernen Sie mich kennen.«
Da schob sich die Frau mit dem weinenden Kind ins Zimmer.
»Weshalb regen Sie ihn auf? Es geht ihm schlecht. Sie wissen es doch. Genauso, wie Sie wissen, daß wir nichts haben.«
Meredith stieß die sich zwischen das Bett und ihn drängende Frau zurück.
»Lassen Sie mich in Ruhe! Ich habe mit Ihrem Mann zu reden. – Also, Dreckskerl, du schaffst die Bucks bei, sonst gibt’s Zunder!«
»Bitte, Meredith, haben Sie doch Geduld, ich werde ja das Geld zusammenbringen«, sagte der Verletzte mit gebrochener Stimme. »Aber Sie müssen warten.«
»Daß ich dumm wäre! Sofort siehst du zu, wie du das Geld beschaffst.«
»Ich kann… nicht…«, ächzte Kelly.
Da stürzte sich der Texaner in rasender Wut auf den Mann und zerrte an seinem linken Arm.
»Du Schurke! Willst mich betrügen!«
Kelly stöhnte vor Schmerz.
Da warf sich die Frau dem Texaner in den Rücken, umspannte mit ihren Armen seinen Hals und riß ihn zurück.
»Gehen Sie! Gehen Sie!«
Meredith schleuderte sie so derb zurück, daß sie gegen den Tisch prallte und zu Boden stürzte.
Dann wandte er sich wieder dem Kranken zu, umspannte dessen Arm mit gnadenlosem Griff.
»Mach das Maul auf, Kelly! Wie…«
Unten im Hausgang dröhnten Schritte.
Die drei Menschen in der Schlafstube lauschten nach unten.
Es war ein harter, rascher, sporen-klirrender Schritt.
Dann wurde hier oben an die Tür geklopft.
Da niemand ein Wort sprach, wurde die Tür etwas geöffnet.
Der Texaner glaubte, er sähe nicht recht.
»Wyatt Earp!«
Auch die Frau stieß den Namen aus, stand auf und lief dem Marshal entgegen.
»Mister Earp! Daß Sie da sind! Daß Sie da sind!« Sie klammerte sich an ihn und starrte aus weit offenen Augen auf Meredith.
Auch das weinende Kind lief auf den Missourier zu und hielt sich an seiner ledernen Hose fest.
»Mister Kelly, was gibt es hier?«
Meredith lauschte auf das schwere Atemholen des Kranken.