»… ich lebe. Ich weiß.«
»Ja«, sagte sie rauh und senkte den Kopf. »Aber nur deshalb, weil Sie mich verachten.«
Da riß er den Kopf herum und umspannte mit hartem Griff ihre Handgelenke.
»Was wollen Sie, Laura? Ich habe Ihren Vater getötet! Träumen Sie denn wirklich auch nur eine Minute davon, daß wir zusammen leben könnten?«
Sie riß sich los und funkelte ihn an.
»Ja, Sie haben meinen Vater getötet. Und mein Vater war einer der übelsten Falschspieler und Schießer, die je in diesem Land lebten. Er hatte Sie betrogen, beleidigt und hätte Sie erschossen, wenn Sie nicht schneller gewesen wären. Das war es.«
»Ja, und es bleibt die Tatsache, daß er durch meine Kugel gefallen ist.«
Es war eine volle Minute still.
Holliday schob die Zigarette wieder zwischen seine weißen, ebenmäßig gewachsenen Zähne und wandte sich zum Fenster.
»Well«, sagte die Frau wieder mit ihrer gewohnten rauchigen Stimme, »ich werde es nicht aufgeben, Doc. Nie!«
»Ich weiß«, entgegnete er apathisch.
Sie ging langsam zur Tür. Ehe sie hinausging, sagte sie halblaut:
»Der Mann hat nur eine Chance – Sie!«
Die Tür schloß sich hinter ihr.
Holliday schüttelte den Kopf und zerdrückte die Zigarette im Aschenbecher.
Dann löste er die Halsschleife, zog die Jacke aus und legte sich aufs Bett.
*
Vier Minuten vor zwölf.
Auch der Mann im Nebenzimmer lag auf seinem Bett.
Mit dem Gesicht in den Decken.
Wie taub lag er da.
Ich warte auf meinen Tod, dachte er. Und plötzlich bin ich ruhig.
Ruhig wie der Mann, von dem die Frau gesprochen hatte.
Doc Holliday! Er war jetzt oben irgendwo in den Waldbergen Montanas, ritt neben dem Marshal Earp über steinige Straßen und folgte irgendeinem Verbrecher.
Was ging ihn dieser Mann an…
Die Zeit verrann.
Und dann schlug wieder die Uhr.
Hämmernd schickte sie zwölf Schläge durchs Haus, die im Schädel des Texaners ein dröhnendes Echo auslösten.
Mittag!
Er riß sich hoch, ging zum Spiegel, fuhr sich durchs Gesicht mit dem Handtuch, griff mit einer trägen Bewegung zum Hut und stülpte ihn auf.
Bleischwer waren seine Arme.
Wie gleichgültig ihm das plötzlich war, völlig gleichgültig!
Während er hinausging, schnallte er den Waffengurt enger.
Unten in der Hotelhalle des großen Dodge House Hotels standen die Menschen und sahen ihn an.
Der alte McIntire an der Rezeption wischte sich nervös über seinen kahlen Schädel, linste über den Brillenrand und schluckte in der Gewißheit, daß er in wenigen Minuten den Namen dieses Mannes da von der Gästeliste streichen konnte.
Ob man ihn nicht wegen der Zeche ansprechen sollte?
Man sollte es – aber der greise McIntire hatte denn doch nicht den Nerv dazu.
Gil Meredith ging zur Tür, ohne auch nur einen Blick zur Seite vergeudet zu haben.
Er öffnete und trat auf den Vorbau.
Die Tür hatte er nicht hinter sich geschlossen.
Man konnte ihn draußen stehen sehen.
Dann war eine kreischende Stimme auf der Straße zu hören, die die Menschen zusammenzucken ließ.
Sie kannten diesen Ton genau, zu oft hatten sie ihn vernommen.
Es war der Revolverschwinger aus Cimarron, Jimmy Tegeratt, Narben-Jim!
»Tex! Wo steckst du? Ah, da ist ja der Wicht! Komm auf die Straße, Boy!
Es geht los! Wir haben keine Zeit zu verlieren in diesem Drecksnest hier…«
Meredith ging bis an die oberste Stufe der Steintreppe.
»Natürlich nicht, Tegeratt, Wyatt Earp ist ja weit.«
»Was soll das heißen, verdammter Hund! Komm runter!« bellte der Schießer.
Breitbeinig stand er auf der Straße.
Zu seiner Verwunderung stellte Meredith fest, daß der Cowboy neben ihm stand.
Der lange Freddy Bruns.
Aber der Rindermann schwieg. Er sah nicht gut aus, weiß um die Nase und absolut nicht zuversichtlich.
»Ah, das Großmaul ist auch da«, rief Meredith dem Cowboy zu.
Es schien ihm, als würde der Mann noch einen Ton blasser.
Der Texaner blieb oben stehen.
Das reizte den Narben-Mann.
»Komm endlich runter, Boy! Wir haben Eile.«
»Du sagtest es schon, Jim! Wyatt Earp sitzt dir im Genick und wahrscheinlich auch Doc Holliday!«
»Was denn, Kläffer!« belferte der Coltman, »vor diesen beiden Gespenstern habe ich nicht die geringste Furcht. Das sind Vogelscheuchen, die Typen wie dich in die Flucht schlagen können, nicht aber Männer.«
»Großmaul«, meinte Meredith, »ich habe es ja gesagt.«
Und dann ging er drei Stufen hinunter.
Die beiden Gegner folgten jedem seiner Schritte mit Unbehagen.
Dann blieb der Texaner wieder stehen.
»Was denn«, schrie Tegeratt, »warum bleibst du wieder stehen? Die Hose voll?«
Meredith sah ihn kühl an. Dann nahm er seinen Colt aus dem Halfter und ließ die Trommel rotieren.
»Komm endlich, Skunk!«
Meredith grinste, obgleich ihn plötzlich aus einer unbekannten Tiefe von neuem eine hündische Angst ansprang, die er nicht abzuschütteln vermochte.
Dahin war seine traumhafte Gleichgültigkeit, seine Selbstsicherheit.
»Ich komme, Tegeratt.« Er hatte es so leise gesagt, daß die beiden die Brauen zusammenzogen.
Was war das wieder für ein Trick? Was hatte er jetzt vor? Bestimmt nichts Gutes.
»Bleib stehen, Tex!« brüllte der Schießer, als Meredith die letzte Stufe genommen hatte.
Der Texaner blieb stehen.
Der Zuruf war ihm willkommener gewesen als alles andere. Er senkte den Kopf, als lausche er nach innen.
Dabei zog ihm ein Krampf in der Brust das Kinn nach unten.
Tegeratt schickte, dies ausnutzend, einen raschen Blick auf die Baracken, drüben hinter den Geleisen, wenige Yards vom Santa Fé Depot.
Und auch der Cowboy sah sich um. Er allerdings wußte seine Helfer auf der Seite der Frontstreet, die mit Häusern bestanden war.
Es war ihm schwergefallen, Helfer zu finden, aber der kleine krummbeinige Owen Yper stand in der Türnische von Bullys Bar, er hatte das Versprechen Freddys verlangt, den halben Monatslohn kassieren zu können, den der Boß dem Cowboy Bruns am Ende der nächsten Woche auszahlen würde.
Und Jordan Ashley, der Trinker, ein Peon, den der Vormann nur duldete, weil er dem Sohn des Ranchers einmal bei einer Schießerei in Garden City das Leben gerettet hatte, war für ganze zehn Dollar bereit