Und augenblicklich bereute er diese Worte und fügte zu ihrer Abschwächung rasch hinzu:
»Außerdem glaube ich kein Wort davon. Das Gefasel über diesen Mann ist doch nichts als Übertreibung. Und Sie…«
Wieder war das Lachen um ihren Mund; diesmal ungefärbt zynisch und voller Verachtung.
Da schleuderte er ihr in rasender Wut entgegen:
»Sie sind vernarrt in den Georgier! Das ist es! Und jetzt lassen Sie mich in Ruhe!«
Die Frau stieß sich von der Wand ab, griff hinter sich an den Türdrücker, öffnete und ging lautlos hinaus.
Gil Meredith starrte ihr nach, wie er vorhin dem Fremden nachgestarrt hatte, schlug sich dann mit der flachen Hand vor den Kopf und warf sich aufs Bett.
»Aus! Die letzte Hoffnung verspielt!«
Indessen rückte der große Zeiger auf dem vergilbten Ziffernblatt der gestohlenen Uhr in der Tasche des Texaners unaufhaltsam weiter vor.
*
Als Laura Higgins das Zimmer Merediths verlassen hatte, kam gerade aus dem Nebenzimmer ein Mann, der vorn zur Treppe ging.
Ein Mann, bei dessen Anblick die Spielerin wie angenagelt stehenblieb.
Er war sehr groß, breitschultrig, hatte schmale Hüften und einen federnden, elastischen Gang. Sie sah ihn nur in der Silhouette gegen das Korridorfenster, aber sie hätte ihn unter Tausenden von Menschen erkannt. Er trug einen schwarzen, breitkrempigen Hut mit flacher Krone, eine Lederjacke und an den Hüften zwei Revolver.
Der Revolver am linken Oberschenkel mußte einen überlangen Lauf haben und verriet dem Kenner, daß er einer jener seltenen Buntline Special Colts vom Kaliber fünfundvierzig war.
Wyatt Earp! hämmerte es im Hirn der Frau.
Er ist in der Stadt und war aus einem der Zimmer Doc Hollidays gekommen!
Dann ist auch er zurückgekommen!
Doc Holliday!
Das Herz schlug der Frau so wild in der Brust, daß es bis hinauf in die Schläfen klopfte und dröhnte.
Der Marshal hatte die Treppe fast erreicht, als er sich umdrehte und über die Schulter sagte:
»Hallo, Miß Higgins.«
Sie zuckte zusammen.
Er hatte sie also gesehen und war weitergegangen und hatte sie stehenlassen, als hätte er sie nicht bemerkt.
Das war typisch für den Marshal.
Ehe sie seinen etwas ironischen Gruß erwidern konnte, war er auf der Treppe nach unten verschwunden.
Laura Higgins blickte auf die Zimmertür.
Ob er da war?
Er mußte doch! Was hätte der Missourier sonst hier getan? Er kam nie ins Hotel, wenn der Doktor nicht da war.
Und ganz sicher waren sie zusammen zurückgekommen, wie immer.
Der Gefühlsandrang hatte alle anderen Gedanken und Empfindungen in der Frau weggespült.
Er war da!
Der Mann, dem sie seit Jahren folgte, der, als sie fast noch ein Kind war, oben in Abilene ihren Vater erschossen hatte – und dem sie dennoch mit einer verzweifelten, aufreibenden, zerstörerischen Liebe von Stadt zu Stadt folgte.
Sie hatte gehört, daß er in Montana war, trotzdem war sie hergekommen. In der »St. Louis Post« hatte gestanden, daß die Büffelhunters, die jetzt nach Dodge kamen, allerlei Ärger in der Stadt machten. Da würde der Marshal nicht lange ausbleiben und ganz sicher auf dem schnellsten Wege zurückkommen!
Diese Rechnung war also aufgegangen.
Ein heiseres Stöhnen und Ächzen ließ sie zusammenfahren.
Meredith! Sofort fiel ihr alles wieder ein.
Impulsiv ging sie auf die Tür des Georgiers zu und klopfte.
»Come in«, kam eine harte, kühle Stimme, die die Frau erschauern ließ, aus dem Innern des Raumes.
Sie öffnete die Tür und trat ein.
Der Spieler stand vorn am Fenster.
Im ersten Augenblick war nicht zu erkennen, ob er hinausblickte oder zur Tür sah.
Greller Wintersonnenschein blendete die Frau.
»Doc!«
»Miß Higgins?«
»Sie wissen…?« entfuhr es ihr verblüfft.
»Wer nicht?« entgegnete der Mann am Fenster leise. Dann zündete er sich eine Zigarette an.
Erst als das Zündholz aufflammte, sah sie, daß er ihr den Rücken zukehrte.
Ich hätte jetzt eine volle Minute Zeit gehabt, ihn niederzuschießen!
Da wandte sich der Gambler um. »Madam?«
»Doc…, ich hätte… eine Bitte.«
»Ach?« Er blickte verwundert auf.
Sie kam rasch näher, blieb vorm Tisch stehen und krampfte ihre gepflegten Hände um den silbernen Gürtel.
»Hier bahnt sich eine Schurkerei an. Mehrere Cowboys und drei Tramps wollen einen Mann fertigmachen.«
»Einen Mann?« fragte der Spieler, und es klang so verächtlich, daß die Frau aufhorchte.
»Ja, einen Texaner.«
»Daß er Texaner ist, macht noch keinen Mann aus ihm. Er keucht drüben in seiner Bude herum, anstatt zu verschwinden.«
»Er ist zu stolz…«
»Zu verbohrt. Verbohrtheit ist kein Stolz, Lady.«
»Doc!«
Ebenso rauh fuhr er sie an: »Madam?«
»Ich flehe Sie an, er ist ein verdrehter Bursche, helfen Sie ihm!«
Holliday hatte sich abgewandt und holte ein paar Gegenstände aus seiner Reisetasche.
Wieder hob er verwundert den Kopf.
»Helfen? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Oder… ist es vielleicht…«
»Nein!« unterbrach sie ihn schroff. »Es ist nicht das, was Sie denken. Er bedeutet mir nichts!«
»Nichts, stimmt nicht.«
»Es stimmt. Er tut mir nur leid. Leid, wie er auch Ihnen leid tun müßte.«
»Ich war bei ihm drüben, weil ich glaubte, da liegt einer in den letzten Zügen. Er hat mich hinausgeworfen.«
Ein ungläubiges Lächeln flog über ihr Gesicht und zauberte einen Glanz in ihre Augen, der sie direkt schön machte.
»Wußte er denn, wer ihn da aufgesucht hat?«
»Weiß ich’s? Er ist mir wirklich nicht so wichtig, Madam. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
»Ja, das, um das ich Sie bat.«
»Hören Sie, Laura Higgins, ich komme soeben von einem kleinen Ritt über zweitausendfünfhundert Meilen zurück. Ich bin etwas strapaziert. Sie werden verstehen…«
Sie ging um den Tisch herum auf ihn zu und blieb dicht vor ihm stehen.
»John Holliday.« Ihre Stimme klang plötzlich seidenweich, und ihr Blick umflorte sich. »Ich liebe Sie, John Henry Holliday – und weiß, daß Sie mich hassen.«
Er wandte das Gesicht ab und erwiderte leise: »Ich hasse Sie nicht.«
»Nein, schlimmer!« zischte sie in plötzlicher Verwandlung schlangenhaft. »Sie verachten mich.«
»Selbstquälerische