„Ich verstehe Sie sehr gut“, sagte Maggie weich. „Und ich finde es schön, dass Sie so empfinden. Mister Felton kann sich auf Sie verlassen, das muss sehr beruhigend für ihn sein.“
„Das hoffe ich doch sehr, Miss.“ Er räusperte sich und kratzte sich dann am Kopf. „Hätten Sie vielleicht Lust einen kleinen Ausritt zu machen? Ich bin sicher, Mister Felton hätte nichts dagegen, und Devil muss ohnehin bewegt werden.“
Maggie überlegte kurz, doch dann lehnte sie ab.
„Ich warte lieber auf Mister Felton. Ich bin mir nicht sicher, ob es ihm recht. Schließlich bin ich Gast hier im Hause.“
„Wie Sie wünschen, Miss“, gab Sinclair gleichmütig zurück.
Maggie machte noch einen Spaziergang zu den Koppeln, wo sie die Pferde begutachtete und genoss die wärmende Sonne, die durch einen leichten Dunst hervorlugte. Der Wind war sanft an diesem Tag, nicht so schneidend wie sonst häufig.
Gegen Mittag kehrte Felton zurück, und wenig später tauchte auch Kevin auf.
„Ich habe die Sprechstunde für heute abgesagt“, erklärte er. „Wir haben also Zeit, trotzdem hoffe ich, dass keine ausgesprochenen Notfälle eingehen, während wir nicht erreichbar sind.“
„Nun, Doktor, Sie kennen hier oben doch jedes Tier. Abgesehen von unvorhersehbaren Unfällen werden Sie doch alles im Griff haben“, beschwichtigte Felton.
Wenig später verschlossen die drei die Tür zur Bibliothek und begannen mit der Suche nach einem Phantom, wie Maggie es scherzhaft nannte.
15
Es klickte vernehmlich, und fast lautlos schwang die ganze Wand mit dem Regal auf einer Mittelachse herum.
„Na bitte“, lachte Felton. „Es wäre doch gelacht, wenn wir nicht auch ohne die dritte Figur weiterkämen.“
Er hatte gründlich alle Bücher aus dem Regal genommen, auf der Suche nach einem Hebel oder einem Knopf. Schließlich fand sich ein dreifacher Band, der nicht herausnehmbar war. Diesen klappte der Gutsherr schließlich nach vorne, wenn auch mit großer Anstrengung, und schon öffnete sich der Durchgang.
„Wir wissen nicht, ob das der richtige Gang ist“, gab Kevin zu bedenken. „Und wir sollten aufpassen, wir wissen auch nicht, was uns erwartet. Mein Vater hat mir erzählt, dass es von Fallen und Tricks nur so wimmeln soll.“
„Glauben Sie ernsthaft, dass wir mit unserem Wissen und unserer Vorsicht so da nicht durchkommen?“, fragte Felton fast ungläubig.
„Wir sollten jedenfalls nicht leichtsinnig sein“, mahnte Maggie, um eine aufkommende Diskussion gleich im Ansatz abzubrechen.
Hinter der Wand tat sich ein Gang ins Dunkle auf, und ihr wurde doch etwas mulmig. Nicht, dass sie Angst hatte, außer Spinnen und Ratten würde es da unten sicher nicht viel geben, so hoffte sie.
Jeder der drei hatte eine Taschenlampe, ein dünnes, aber zähes Seil, Streichhölzer und eine Kerze.
Maggie fing plötzlich an zu lachen. Irritiert schauten die Männer sie an.
„Seid mir nicht böse“, prustete sie. „Aber ich komme mir fast vor wie ein Verschwörer, mit verschlossenen Türen auf der Suche nach einem Schatz. Das erinnert mich an meine Kindheit, als wir Höhlen durchforscht haben und uns wie Piraten vorkamen.“
„Hier geht es um wesentlich mehr, Maggie“, unterbrach Felton sie scharf. „Das hier ist kein kindliches Abenteuer, sondern eine ernsthafte Suche.“
„Warum? Nur, weil Sie es zu einer ernsthaften Suche machen?“, fuhr Kevin dazwischen. „Felton, im Grunde hat Maggie recht. Sehen Sie, keiner von uns ist im Grunde wirklich auf das Geld angewiesen. Wenn wir es denn wirklich finden sollten, wäre es gescheiter, etwas Wohltätiges damit anzustellen. Das hier ist doch nicht mehr als ein Spaß, egal, ob wir etwas finden oder nicht.“
Felton wollte widersprechen, doch Maggie hob die Hand.
„Tut mir leid, aber ein Spaß kann es eigentlich nicht sein. Oder habt ihr denjenigen vergessen, der die Figur von George gestohlen hat? Derjenige hat zugelassen, dass jemand dafür starb. Wenn ich davon ausgehe, dass es keiner von uns ist, dann gibt es noch einen vierten, der am Schatz interessiert ist. Egal, ob wir etwas finden oder nicht, wir müssen strengstes Stillschweigen bewahren. Und wir müssen vorsichtig sein. Irgendwo da draußen lauert Gefahr.“
Sie hatte ernst und eindringlich gesprochen, und besonders George Felton, der das zunächst nur als ertragreiche Schatzsuche angesehen hatte, begann nachzudenken. Schließlich nickte er.
„Wenn Sie wollen, dann lassen wir es“, meinte er etwas bedrückt.
„He, so war das nicht gemeint“, protestierte Maggie. „Neugierig sind wir schon. Ich wollte auch nur zur Vorsicht mahnen.“
„Nachdem Sie uns an Ihren Kindheitserinnerungen haben teilnehmen lassen. Wo waren denn eigentlich diese Höhlen?“, erkundigte sich Kevin Mcbride.
„Am Lough Rannoch.“
„Eine schöne Gegend. Und auf jeden Fall sind Sie eine Highlanderin. Da hatte ich doch schon gefürchtet, wie wären aus der Stadt oder gar aus den Lowlands, doch jetzt bin ich beruhigt.“
Maggie lachte, und Felton zog eine Grimasse.
„Wenn Sie Ihre Ahnengalerien jetzt genügend erforscht haben, könnten wir vielleicht weitermachen?“
„Ach, George, Sie sind manchmal recht humorlos“, beschwerte sich Maggie, trat dann aber dennoch als erste vor.
Der Strahl ihrer Taschenlampe zerschnitt die Dunkelheit, und mutig schritt sie voran ins Ungewisse.
16
Es roch nach Moder und Verwesung. Die grob behauenen Wände waren feucht und glitschig, Moose und Flechten fristeten ein karges Leben, Spinnen hatten ihre Netze großzügig gewebt, in der Hoffnung auf leichte Beute. Kleine Tiere huschten am Boden davon, verschwanden in irgendwelchen Nischen, aufgeschreckt durch die ungewohnten Geräusche und das grelle Licht.
Eine ganze Zeit ging es so voran, doch irgendwann gabelte sich der Gang.
„Wohin jetzt?“, fragte Maggie, die immer noch voranging. Ihre Stimme klang gespenstisch hohl, und als sie neugierig die Taschenlampe gegen die Decke richtete, flog eine ganze Schar Fledermäuse auf. In wilder Panik umschwirrten sie die Menschen und verfingen sich in der Kleidung und den Haaren, als die drei erschreckt Abwehrbewegungen machten.
„Das