Von keltischer Götterdämmerung. Die Kelten-Saga. Band 1-3: Anation - Wodans Lebenshauch / Völva - Wodans Seherinnen / Brictom - Wodans Götterlied. Die komplette Saga in einem Bundle. Astrid Rauner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Astrid Rauner
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия: Von keltischer Götterdämmerung
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783862827732
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ihm hätte sie am liebsten herausgeschrien, doch die drohende Gestalt der Wache mahnte ihn eines Besseren.

      Ein unkenntlicher Laut entkam seinen Lippen, als er sich umwandte und zum Dorf zurückstampfte. Aigonn kochte vor Wut. Am liebsten wäre er unversehens ins Haus seines Fürsten – oder noch besser zu Rowilan – gestürzt und hätte dort all seinem Zorn Ausdruck verliehen. Doch die Vernunft in ihm mahnte ihn schreiend zur Ruhe. Und sie hatte Recht. Wenn er so seinem Fürsten gegenübertrat, würde alles noch schlimmer werden. Die Menschen des Dorfes vertrauten ihm nicht mehr. Warum auch? Wäre er ein anderer, er hätte nicht besser gehandelt. Vielleicht würde Behlenos mit sich reden lassen. Aber nicht jetzt – und nicht in der Verfassung, in welcher Aigonn sich befand.

      Tief atmend versuchte er sich zu bremsen, während er den Weg zurück in Richtung seines Hauses suchte. Es dauerte einen Augenblick, bis er feststellte, dass der Wachposten, der ihm schon bis zum Tor gefolgt war, noch immer hinter ihm herlief. Eine neue Zorneswelle überkam Aigonn. Ließ Rowilan ihn jetzt schon bespitzeln? War er so gefährlich, dass er Bewachung bedurfte? Zweimal wandte Aigonn sich herum. Am liebsten hätte er seine Wut an der Wache ausgelassen, aber ihm war klar, dass diese wohl von allen am wenigsten Schuld trug.

      Somit besänftigte Aigonn sich ein zweites Mal und steuerte zielgerecht auf das Haus seiner Mutter zu. Er musste mit der Nebelfrau reden. Aigonn war bewusst, dass sie ihm noch kein einziges Mal innerhalb der Palisaden erschienen war. Womöglich gab es sogar einen Spruch, einen Bann – irgendetwas, das Rowilan gesprochen hatte, um böse Geister außerhalb des Dorfes zu halten, der die Nebelfrauen abschreckte, Gestalt anzunehmen – gewollt oder nicht. Aber er musste es versuchen. Sie wusste die Antworten auf seine Fragen. Dessen war Aigonn sich sicher.

      Als er das Haus seiner Mutter erreicht hatte, stürmte er zur Tür herein, ohne sich noch einmal umzusehen. Efoh war erstaunt, seinen Bruder zornesrot wiederzusehen – so schnell. Der junge Mann legte den abgenutzten Korb beiseite, den er auszubessern begonnen hatte, und beobachtete fragend, wie Aigonn zu seinem Schlaflager stampfte und sich dort hinfallen ließ.

      „Was ist dir denn widerfahren? Hast du versucht, mit Lhenia zu sprechen?“

      „Nein! Nein, nein, hab ich nicht!“ Aigonns Wut war nur zum Teil abgeklungen.

      „Was denn dann?“

      „Was? Ach …, vergiss es! Vergiss es, ich werde es dir morgen erzählen! Ich glaube, ich lege mich noch einmal hin!“

      Efohs Augen wurden groß. Selbst in Aigonns Ohren hatten diese Worte unglaubwürdig geklungen, doch als er auf einmal schwieg und mit dem Kopf an die Lehmwand gelegt nach draußen horchte, hörte er nichts.

      Fragend zog Efoh seine Augenbrauen in die Höhe. Er spürte, dass sein Bruder mit diesen Worten etwas ganz anderes zu bezwecken versuchte. Und als Aigonn einen Moment nach draußen gelauscht hatte, ohne ein Geräusch ausmachen zu können, flüsterte er Efoh zu: „Rowilan lässt mich bespitzeln! Was auch immer er vorhat, ob er mir Druck machen will, ich weiß es nicht. Sicher ist nur, dass ich das Dorf ohne ihn oder Behlenos nicht mehr verlassen darf!“

      Efoh fiel alles aus dem Gesicht. Er musste zweimal ansetzen, bis er die

      Frage über die Lippen brachte: „Er hat was verordnet?“

      „Sei leise!“

      Efoh bremste seinen Ausruf, bevor er im Flüsterton wiederholte: „Rowilan will dich hier einsperren?“

      „Er hat es scheinbar schon getan. Aber ich muss nach draußen. Ohne meine persönliche Leibwache. Er muss glauben, dass ich mich schlafen gelegt habe!“

      Einen Moment hielt Efoh inne, schien setzen lassen zu müssen, was er soeben erfahren hatte. Dann holte er Luft, sah von Aigonn zu ihrer beider Mutter, danach die Decke hinauf, bevor er sich sammelte und mit bemüht gelassenem Ton aussprach: „Willst du wirklich nichts mehr essen, bevor du dich schlafen legst?“

      „Nein.“ Aigonn hatte den mürrischen Ton angeschlagen, mit dem er diese Auseinandersetzung begonnen hatte. Sein Schmunzeln auf den Lippen dankte Efoh jedoch dafür, dass der junge Mann dieses Spiel mitspielte. Die beiden Brüder wechselten noch einige belanglose Sätze, begannen Pläne für den kommenden Tag zu machen – zwei der Kühe müssten wieder gemolken werden, es wäre an der Zeit, neue Bäume im Wald zu schlagen. Dann verstummten sie und gaben vor, Aigonn würde sich schlafen legen.

      Lange, schier unerträgliche Augenblicke vergingen, in welchen Aigonn mit dem Ohr an einer Ritze in der Lehmwand lag und nach draußen horchte. Er wollte sicher gehen, dass der Wachposten wirklich die Aufmerksamkeit auf andere Dinge gelenkt hatte, als er sich erhob und so leise wie möglich den zum Wohnraum hin offenen Stall ansteuerte.

      Es schabte leicht auf den Strohmatten, als er einen der Pferche öffnete. Reflexartig sandte Aigonn ein Stoßgebet gen Himmel, die Götter mochten verhüten, dass die Kühe in erschrockenes Muhen ausbrachen. Doch im Grunde war es unnötig. Ein einziger fragender Ton erklang vom anderen Ende des Stalles – mehr so, als wollten die Tiere ihn willkommen heißen. Beruhigend strich Aigonn den Kühen über Hinterteil und Kopf, während er sich zwischen ihnen einen Weg hindurch suchte. Der Geruch von Stroh, Tier und Gülle hing in der Luft. Er fuhr erschrocken zusammen, als ein Kalb verschreckt aufsprang. Es hatte auf dem Boden gelegen. Aigonn hatte es getreten. Ein unverständlicher Fluch entrang sich seinen Lippen, während seine Stirn noch tiefere Falten bildete. Die Düsternis machte es fast unmöglich, die liegenden Tiere zwischen dem Stroh auf dem Boden zu erkennen.

      Es dauerte lange, fast endlose Herzschläge, bis Aigonn endlich am rückwärtigen Tor des Stalles angelangt war. Einige Schafe, die in einem separaten Teil des Raumes untergebracht waren, gaben verschlafene Laute von sich. Als Aigonn innehielt und sich einen Moment Zeit ließ, fanden die Tiere den gewohnten Rhythmus des Abends wieder. Ihre Stimmen pendelten sich auf die gleichmäßige Geräuschkulisse ein, die für Aigonn schon immer ein Teil seines Zuhauses gewesen war.

      Angestrengt lugte er durch den Spalt, der seit einiger Zeit zwischen den großen Türen des hinteren Stalltors klaffte, und spähte nach draußen. Nichts regte sich. So leise er konnte, schob Aigonn eine der Türen durch das nasse Gras – nur so weit wie nötig – und zwängte sich darauf in die Nacht hinaus. Zwei Häuser mit Stallungen trennten ihn von dem nahen Wall. Bis zum letzten Gebäude überwand er diese Strecke beinahe ohne Hindernis. Doch nun galt es zu warten.

      So eng wie möglich presste Aigonn sich an den feuchten Lehm. Die Nachtwachen drehten dieser Tage – da der Krieg noch so nahe war, dass niemand Unachtsamkeit wagte – zu viert ihre Runden hinter den Palisaden entlang. Die Plattform, die ihnen erhöhte Sicht und zugleich noch immer Schutz vor heranfliegenden Lanzen bot, hatte Behlenos vor wenigen Monaten in Eile zusammennageln lassen – so sporadisch, dass Aigonn gefürchtet hatte, sie würde nach einem Tag wieder zusammenbrechen. Doch einige stützende Balken hatten es möglich gemacht, dass die Wachen unbehelligt nach Feinden Ausschau halten konnten – oder unerwünschten Flüchtlingen aus dem Inneren.

      Leise Schritte verrieten Aigonn, dass die erste Wache nahe war. Er wagte nicht zu atmen, als er sich in den Schatten der Stallungen drückte und abwartete, bis der Krieger auf dem Wehrgang vorbeigelaufen war. Zwanzig, einundzwanzig, zweiundzwanzig Herzschläge – dann hatte Aigonn genügend Abstand gewonnen, dass er sein Vorhaben wagen konnte.

      So schnell wie möglich huschte er aus seiner Deckung und suchte Halt bei den Stützbalken des Wehrganges. Ein kurzer Blick über die Siedlung verriet ihm, dass zwei der Wachen noch auf der anderen Seite des Walls ausharrten – zu seinem Glück scheinbar in ein Gespräch vertieft. Der vierte Wachposten schlenderte gemütlich den Wall entlang, müde – und weit genug entfernt.

      Mit gehörigem Schwung hievte Aigonn sich auf den Wehrgang. Ihm blieb der Atem im Halse stecken, als er die Bretter unter sich knarren hörte. Nicht nur vor Schreck. Der Schmerz in seinen gebrochenen Rippen trieb ihm alle Luft aus den Lungen. Mit dem steif bandagierten Arm hatte er sich kaum mit der nötigen Behändigkeit auf den Wehrgang ziehen können. Aber das war nun egal. Niemand hatte ihn bemerkt, niemand reagierte.

      Leise presste Aigonn sich gegen die Palisaden. Er war gerade groß genug, dass sein Kopf über die angespitzten Enden der zugeschnitzten